Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Versäumung der Revisionsfrist; Einlegung der Revision stets beim FG
Leitsatz (NV)
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist ist nicht zu gewähren, wenn die Revision innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nicht in zulässiger Form eingelegt wird.
2. Die Revision ist auch dann beim FG einzulegen, wenn der BFH die Revision auf Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen hat.
Normenkette
FGO § 54 Abs. 2, §§ 56, 120 Abs. 1 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2, § 222 Abs. 1; BGB §§ 187-188
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1984 teilweise abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. In der Rechtsmittelbelehrung seines Urteils heißt es, daß die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die nachträgliche Zulassung schriftlich beim FG einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen sei.
Mit Senatsbeschluß vom 2. August 1990 wurde die Revision zugelassen. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt A, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 21. August 1990 zugestellt.
Die Revisionsschrift vom 30. November 1990, die auch die Revisionsbegründung enthält, wurde zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gleichen Datums an den Bundesfinanzhof (BFH) adressiert und diesem mit einem Briefumschlag, der mit einem Freistemplerabdruck der damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 5. Dezember 1990 versehen ist, übersandt. Die Schriftsätze gingen beim BFH am 6. Dezember 1990 ein. Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats übermittelte die Revisionsschrift mit Schreiben vom 12. Dezember 1990 an das FG, bei dem sie am 20. Dezember 1990 einging; gleichzeitig unterrichtete sie die Prozeßbevollmächtigten von der Weiterleitung und wies darauf hin, daß die Revision gemäß § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG einzulegen sei.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vom 30. November 1990 bringen die Kläger vor:
Bei Eingang des Senatsbeschlusses vom 2. August 1990 habe der Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt A u.a. verfügt, die Revisionsfrist von einem Monat zu notieren und den Beschluß sofort mit dem Vorgang wieder vorzulegen. Aus unerklärlichen Gründen habe die mit der weiteren Abwicklung befaßte Gehilfin, B, die Revisionsfrist nicht notieren lassen und auch die verfügte Wiedervorlage versäumt. Zur Glaubhaftmachung war dem Antrag eine eidesstattliche Versicherung von B beigefügt, in der diese u.a. ausführt, sie habe ihren Fehler erst am Montag, dem 26. November 1990, bemerkt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) weist darauf hin, daß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von strengen Voraussetzungen abhänge, und beantragt in der Sache die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie wurde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
1. Die Frist von einem Monat für die Einlegung der Revision begann nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO mit Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision am 21. August 1990 und endete mit Ablauf des 21. September 1990 (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Alternative des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Dem Beginn der Monatsfrist stand nicht entgegen, daß der Beschluß über die Zulassung der Revision nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war. Die Rechtsmittelbelehrung des FG in dem angefochtenen Urteil umfaßte auch den Fall der Revisionszulassung durch den BFH (BFH-Urteil vom 26. Juni 1969 VI R 125/68, BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7 zur abhelfenden Revisionszulassung durch das FG; BFH-Beschluß vom 9. Juli 1992 V R 62/91, BFH/NV 1993, 251). Die Revision ging verspätet erst am 20. Dezember 1990 beim FG ein.
2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist ist nicht zu entsprechen.
a) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei ist das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem Kläger zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, müssen innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) mitgeteilt werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
b) Die Kläger haben die Revision als die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen in zulässiger Form eingelegt. Die Revision war nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO bei dem FG einzulegen. Hierauf hatte das FG in der der Vorentscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.
Die Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO begann, als die Angestellte B ihren Fehler am 26. November 1990 bemerkte, und endete am 10. Dezember 1990 (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Alternative BGB). Die Revision ging verspätet erst am 20. Dezember 1990 beim FG ein. Die Einreichung der Revision beim BFH am 6. Dezember 1990 genügt nicht den in § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO aufgestellten Voraussetzungen (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 141/86, BFHE 151, 366, BStBl II 1988, 143). Dies gilt auch dann, wenn der BFH die Revision auf Nichtzulassungsbeschwerde zuläßt (BFH-Urteil vom 4. Juni 1992 IV R 123-124/91, BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125). Die Einlegung der Revision beim BFH ist wirkungslos; sie wird erst mit Zugang beim FG wirksam (BFH-Beschluß vom 15. Januar 1973 VIII R 14/72, BFHE 108, 18, BStBl II 1973, 246).
c) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 FGO ist nicht zu gewähren. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung wurde insoweit nicht gestellt, obwohl die Senatsgeschäftsstelle die Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 12. Dezember 1990 darauf hingewiesen hatte, daß die Revision beim FG einzulegen sei. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO) scheidet aus. Ein etwaiger Irrtum der Verfahrensbevollmächtigten über das Gericht, bei dem die Revision einzulegen ist, wäre im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO und die zutreffende Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils des FG verschuldet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. August 1982 VIII R 58/82, BFHE 136, 348, BStBl II 1983, 63; vom 8. Juli 1991 X B 3/91, BFH/NV 1992,120). Angesichts des Umstands, daß die Revision erst am 5. Dezember 1990 abgesandt wurde, somit frühestens am 6. Dezember 1990 beim BFH eingehen konnte und die Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bereits am Montag, dem 10. Dezember 1990, endete, konnten die Kläger nicht darauf vertrauen, daß der BFH die Revision noch rechtzeitig dem FG übermitteln würde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125; BFH-Beschluß in BFH/NV 1992,120).
Fundstellen
Haufe-Index 419607 |
BFH/NV 1994, 568 |