Entscheidungsstichwort (Thema)
Präklusionsfrist -- Bezeichnung eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
1. Auch wenn eine Frist nach §79b Abs. 1 FGO nur auf einen Antrag sollte verlängert werden können, der zeitig vor Ablauf der gesetzten Frist gestellt wird, ist der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung des (angeblich) verspäteten Fristverlängerungsantrags jedenfalls nur ordnungsgemäß gerügt, wenn angegeben wird, was der Kläger bei Fristverlängerung noch hätte vortragen wollen und inwiefern dies für die Entscheidung des FG hätte von Bedeutung sein können.
2. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert insofern ferner Angaben dazu, weshalb das FG dem Fristverlängerungsantrag möglicherweise stattgegeben hätte, wenn es ihn nicht schon wegen Verspätung abgelehnt hätte.
3. Rückwirkende Stundung der Steuerschuld nach Fälligkeit steht einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen.
Normenkette
AO 1977 § 69; FGO § 79b Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdebegründung ein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, nicht entsprechend den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet ist. Denn in der Beschwerdebegründung sind nicht, wie es dafür erforderlich wäre, Tatsachen angegeben, aus denen sich -- ihre Richtigkeit unterstellt -- ein Verfahrensmangel schlüssig ergibt.
Das Finanzgericht (FG) hat zwar, was die Beschwerde sinngemäß als Verfahrensmangel (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, sein Urteil darauf gestützt, daß dem Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), die nach §79b Abs. 1 FGO gesetzte Frist zu verlängern, weil verspätet, nicht zu entsprechen sei. Ob die Rechtsansicht des FG zutrifft, die dieser rechtlichen Beurteilung offenbar zugrunde liegt, daß nämlich eine Frist nach §79b Abs. 1 FGO nur auf einen Antrag verlängert werden könne, der so zeitig vor Ablauf der gesetzten Frist gestellt wird, daß die Fristverlängerung noch in offener Frist vorgenommen werden kann (a. A. offenbar List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §79b FGO Rdnr. 10, und Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §79b FGO Rdnr. 53), bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn nämlich das FG den Fristverlängerungsantrag bei ermessensgerechter Anwendung der vorgenannten Vorschrift nicht allein deshalb ablehnen durfte, weil er verspätet gestellt sei, wäre der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, den der Kläger sinngemäß in der Ablehnung seines Fristverlängerungsantrags sieht, nicht ausreichend bezeichnet. Denn in der Beschwerdeschrift ist nicht angegeben, was der Kläger bei Fristverlängerung noch hätte vortragen wollen und inwiefern dies für die Entscheidung des FG hätte von Bedeutung sein können. Damit fehlt es an der Bezeichnung der Tatsachen, die dem Revisionsgericht die unbeschadet des §119 Nr. 3 FGO erforderliche Prüfung ermöglichen, ob es auf das angeblich zu Unrecht präkludierte Vorbringen für die Entscheidung des FG überhaupt unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommen konnte (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 8. November 1989 I R 14/88, BFHE 159, 112, BStBl II 1990, 386).
Auch wenn jedoch von diesem Mangel der Beschwerde abgesehen werden könnte, weil die Beschwerde -- wenn auch in anderem Zusammenhang -- unter Bezugnahme auf den vom Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz darlegt, welche materiell-rechtlichen Einwendungen der Kläger gegen den Haftungsbescheid des FA erhebt, wäre der Verfahrensmangel, daß das FG die Frist nach §79b Abs. 1 FGO hätte verlängern müssen, nur schlüssig bezeichnet, wenn der Kläger auch angegeben hätte, inwiefern das Urteil des FG auf der Ablehnung der Fristverlängerung wegen Verspätung des Fristverlängerungsantrages beruhen kann. Dazu wären Ausführungen erforderlich gewesen, weshalb die Möglichkeit besteht, daß das FG dem Verlängerungsantrag stattgegeben hätte, wenn es ihn nicht ohne Prüfung der für die Notwendigkeit einer Fristverlängerung vom Kläger vorgebrachten Gründe abgelehnt hätte. Der Kläger hatte in seinem Verlängerungsantrag vom 4. November 1996 nicht angegeben, daß er noch -- bei verständiger Würdigung der Rechtslage -- behelfliche Angaben machen wolle oder machen könne. Es ist deshalb davon auszugehen und in der Beschwerdeschrift die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs jedenfalls nicht aufgezeigt, daß das FG den Fristverlängerungsantrag auch dann abgelehnt hätte, wenn es dies nicht bereits wegen Verspätung für geboten erachtet hätte. Die Entscheidung des FG über die Fristverlängerung steht zwar -- wie die Fristsetzung selbst -- in dessen Ermessen; sie ist daher im Revisionsverfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Voraussetzungen einer Fristsetzung nach §79b FGO verkannt oder von seinem ihm in dieser Vorschrift eröffneten Ermessen gesetzwidrig Gebrauch gemacht hat. Das FG würde indes ermessenswidrig handeln, wenn es eine Fristverlängerung gewährt, die offensichtlich nur der Verfahrensverschleppung oder dazu dienen soll, dem Kläger Sachvorbringen zu ermöglichen, welches für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.
Unschlüssig ist auch die weitere Rüge, das FG habe das Verfahren nach §74 FGO bis zum Abschluß des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aussetzen müssen, weil das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren vorgreiflich sei und sich die Stundung, da sie rückwirkend gewährt worden sei, sofern wirksam, auf die Haftung nach §69 der Abgabenordnung (AO 1977) auswirke. Der Kläger hat dem FG keine Tatsachen benannt, die das Ermittlungsverfahren als vorgreiflich hätten erscheinen lassen können. Wenn nämlich die Beschwerde meint, die der GmbH mit Rückwirkung auf den Fälligkeitszeitpunkt gewährte Stundung vermindere die Haftungsschuld des Klägers oder lasse sie ganz entfallen, sofern von dem Kläger im Stundungsantrag gemachte falsche Angaben nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhten, verkennt die Beschwerde, daß nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats eine -- wie hier -- nach Fälligkeit der Steuerschuld (angeblich rückwirkend) erfolgte Stundung der Steuerschuld einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegensteht; denn der mit Nichtbegleichung der Steuerschuld verwirklichte Haftungstatbestand kann nicht aufgrund späterer Ereignisse als wieder entfallen angesehen werden (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 26. Februar 1991 VII R 107/89, BFH/NV 1991, 578).
Soweit die Beschwerde rügt, das FG habe die Ermittlungsakten zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts beiziehen müssen, fehlt es schon an Angaben dazu, welche Erkenntnisse das FG aus diesen Akten hätte gewinnen können und inwiefern diese nach der insoweit maßgeblichen Rechtsansicht des FG für seine Entscheidung von Bedeutung gewesen wären.
Von der Angabe weiterer Gründe seiner Entscheidung sieht der erkennende Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 67419 |
BFH/NV 1998, 1199 |