Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV eines Abrechnungsbescheids
Leitsatz (NV)
Erschöpft sich die Wirkung eines Abrechnungsbescheids in der bloßen Negation, daß die festgesetzten Steuerschulden noch nicht getilgt sind, so ist er nicht vollziehbar und damit einer Aussetzung der Vollziehung nicht zugänglich.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; AO 1977 §§ 47, 218 Abs. 2
Tatbestand
Der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller), die Vollziehung des ihm erteilten Abrechnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung über Umsatzsteuer 1991, Zinsen und Säumniszuschläge auszusetzen, hatte nur teilweise Erfolg. Das FG entschied, der Antrag sei nur hinsichtlich der festgesetzten Säumniszuschläge zulässig, da der Abrechnungsbescheid nur insoweit einen vollziehbaren Verwaltungsakt darstelle. Soweit in dem Abrechnungsbescheid festgestellt werde, daß die Umsatzsteuer (bis auf einen geringfügigen Betrag) und die Zinsen nicht durch Zahlung erloschen seien, erschöpfe sich seine Wirkung in einer bloßen Negation; er sei deshalb in diesem Umfang nicht vollziehbar.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei hinsichtlich der Säumniszuschläge auch begründet. Er sei nicht schon deshalb abzuweisen, weil die vom Antragsteller am letzten Tag der Klagefrist mittels Telefax erhobene Klage gegen den Abrechnungsbescheid von ihm nicht eigenhändig unterschrieben sei. Die Klageschrift sei hier als bestimmender Schriftsatz auch ohne die Unterschrift formgerecht, weil der Telefaxbrief, der am Ende des Textes den Namen des Antragstellers in Maschinenschrift wiedergebe, klare Angaben zu den Verfahrensbeteiligten, dem Verfahrensgegenstand und dem Prozeßziel enthalte. Auch aus sonstigen Umständen ergebe sich, daß der Telefaxbrief mit Wissen und Wollen des Antragstellers in den Rechtsverkehr gebracht worden sei.
Das FG hat die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen, weil die Frage, ob ein bestimmender Schriftsatz, der nicht eigenhändig unterschrieben ist, dem Erfordernis der Schriftlichkeit genüge, grundsätzliche Bedeutung habe (Hinweis auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. November 1995 X B 56/95, BFHE 179, 233, BStBl II 1996, 140).
Der Antragsteller hat gegen den Beschluß des FG Beschwerde eingelegt, ohne diese zu begründen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nur insoweit zulässig, als der Antragsteller durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist. Das ist hier der Fall, soweit das FG die beantragte Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids hinsichtlich der Umsatzsteuer 1991 und der Zinsen abgelehnt hat. Hinsichtlich der in dem Abrechnungsbescheid festgesetzten Säumniszuschläge hat das FG dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entsprochen, so daß insoweit die Beschwerde nicht zulässig ist.
Die mangelnde Begründung der Beschwerde steht, soweit das Aussetzungsbegehren des Antragstellers abgelehnt worden ist, der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nicht entgegen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 129 Rz. 6, m. w. N.). Die Beschwerde ist aber insoweit unbegründet.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Aussetzung der Vollziehung bereits deshalb abzulehnen war, weil die Klage gegen den Abrechnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung wegen Fehlens der eigenhändigen Unterschrift des Antragstellers unter der Klageschrift nicht formgerecht erhoben ist (§ 64 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und deshalb kein der Aussetzung der Vollziehung fähiger anfechtbarer Verwaltungsakt i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO mehr vorliegt. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung jedenfalls deshalb zu Recht abgelehnt, weil der angefochtene Abrechnungsbescheid hinsichtlich der in ihm genannten Umsatzsteuer 1991 und der darauf entfallenden Zinsen keinen vollziehbaren Verwaltungsakt darstellt.
Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH zur Aussetzung der Vollziehung negativer Gewinnfeststellungsbescheide vom 14. April 1987 GrS 2/85 (BFHE 149, 493, 502, BStBl II 1987, 637) sind Verwaltungsakte vollziehbar und damit einer Aussetzung der Vollziehung zugänglich, deren Wirkung sich nicht auf eine Negation beschränkt, sondern die entweder selbst eine positive Regelung enthalten oder die eine in einem Bescheid enthaltene positive Regelung aufheben. Der gegen den Antragsteller erlassene Abrechnungsbescheid stellt hinsichtlich der Umsatzsteuer 1991 und der Zinsen zur Umsatzsteuer lediglich fest, daß diese nicht durch Zahlung erloschen sind. Seine Wirkung erschöpft sich insoweit -- wie das FG zutreffend ausgeführt hat -- in der bloßen Negation, daß die festgesetzten Steuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen bis auf 251 DM Umsatzsteuer noch nicht i. S. von § 47 der Abgabenordnung (AO 1977) getilgt sind. Der Abrechnungsbescheid ist deshalb in diesem Umfang nicht vollziehbar, denn Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bleiben der Umsatzsteuerbescheid 1991 und der mit der Steuerfestsetzung verbundene Zinsbescheid (§ 155 Abs. 1, § 218 Abs. 1, § 233 a Abs. 4, § 239 Abs. 1 Satz 1 AO 1977; vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 218 AO 1977 Tz. 9 a; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 218 Anm. 5; Helsper in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 218 Rz. 10).
Zwar kommt auch bei Abrechnungsbescheiden eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, wenn sie selbst eine belastende Regelung enthalten oder eine in den vorangegangenen Bescheiden nach § 218 Abs. 1 AO 1977 enthaltene positive Regelung ganz oder teilweise beseitigen (vgl. hierzu Beschlüsse des Senats vom 17. April 1984 VII S 15/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Abgabenordnung, § 218, Rechtsspruch 5, S. 10: Feststellung eines Steuerrückforderungsanspruchs, und vom 10. November 1987 VII B 137/87, BFHE 151, 128, BStBl II 1988, 43: Aufrechnung gegenüber Erstattungsanspruch). Ein derartiger Sachverhalt liegt aber nach den Feststellungen des FG, die der Senat mangels jeglicher Begründung der Beschwerde seiner Entscheidung zugrunde legen muß, nicht vor. Das FG hat deshalb die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids hinsichtlich der Umsatzsteuer 1991 und der Zinsen zu Recht abgelehnt.
Fundstellen