Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV durch BFH bei anhängiger NZB
Leitsatz (NV)
1. Zur Begründung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch den BFH genügt die Verweisung auf die Beschwerdefrist gegen die Nichtzulassung der Revision.
2. Bei anhängiger Nichtzulassungsbeschwerde können die Vollziehungsaussetzung rechtfertigende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids nur bejaht werden, wenn ernstlich mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist (ständige Rechtsprechung).
3. Unvollständiges Sitzungsprotokoll Verfahrensmangel?
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3, 7, §§ 94, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3; ZPO § 160
Tatbestand
Mit Bescheid vom 28. August 1996 hob der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) die bis dahin gewährte Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1986 bis 1989) auf. Den Einspruch des Antragstellers lehnte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17. September 1996 ab.
Mit Urteil vom 22. August 1996 hat das Finanzgericht (FG) in der Hauptsache die gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1986 bis 1990 gerichtete Klage der Antragsteller abgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist beim Senat unter dem Aktenzeichen ... anhängig.
Die Antragsteller beantragen, die Vollziehung bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auszusetzen.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Senat sieht die Schreiben der Antragsteller vom 19. November 1996 und vom 10. Januar 1997 als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an, für den er gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Gericht der Hauptsache zuständig ist. Die begehrte Aussetzung der Vollziehung kann -- trotz der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung des FA -- nicht durch eine Klage erreicht werden (§ 69 Abs. 7 FGO).
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß er nicht gesondert begründet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) genügt, daß die Antragsteller auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verwiesen haben (BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 1967 II S 3/67, BFHE 89, 120, BStBl III 1967, 531 und vom 19. November 1990 III S 6/90, BFH/NV 1991, 459).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Ob ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO) vorliegen, ist bei einem schon in der Revisionsinstanz schwebenden Rechtsstreit nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Ernstliche Zweifel können nur dann vorliegen, wenn unter Beachtung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Rz. 87). Da beim BFH eine Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist, können die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung nur nach dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob ernstlich mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist. Das ist bei summarischer Prüfung aus folgenden Gründen zu verneinen:
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt, so muß der Mangel in der Beschwerdeschrift "bezeichnet" werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Tatsachen, die den Mangel ergeben, müssen genau angegeben werden (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rz. 65). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerdeschrift verweist nur unsubstantiiert auf den Sachvortrag des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung der Hauptsache und rügt, er hätte protokolliert werden müssen. Sie läßt jedoch nicht konkret erkennen, in welchen Punkten das Protokoll der mündlichen Verhandlung unvollständig sein soll. Ein schlüssiger Vortrag, welche Umstände gemäß § 94 FGO i. V. m. § 160 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hätten protokolliert werden müssen und welcher Verfahrensfehler sich hieraus ergibt, fehlt. Ebensowenig wird dargelegt, daß das Urteil auf der unterlassenen Protokollierung beruht. Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 160 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend bezeichnet. Nach dieser Vorschrift sind die wesentlichen Vorgänge der münd lichen Verhandlung zu protokollieren. Sie betrifft jedoch den äußeren Hergang der Verhandlung (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 94 Rz. 7), nicht aber die Tatsachenfeststellungen des FG, die im Urteil getroffen werden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Im übrigen läßt die Beschwerdeschrift vom 7. November 1996 weder den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch die Rüge der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erkennen. Die Frage, ob das FG eine Bauabsicht der Antragsteller feststellen mußte oder nicht, gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Rz. 23).
Die Rüge der Abweichung vom Urteil des BFH vom 4. Juni 1991 IX R 30/89 (BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761) ist mit Schriftsatz vom 25. November 1996 erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erhoben worden und damit verspätet.
b) Die Vollziehung ist nicht aufgrund einer unbilligen Härte i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen. Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn den Antragstellern durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (z. B. Beschluß vom 3. Juni 1991 IX B 13/90, BFH/NV 1991, 645). Diese Voraussetzungen haben die Antragsteller nicht dargelegt. Hinzu kommt, daß Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte fast ausgeschlossen erscheinen, so daß eine Aussetzung der Vollziehung selbst bei einer unbilligen Härte nicht in Betracht käme (Gräber/Koch, a. a. O., § 69 Rz. 97).
Fundstellen
Haufe-Index 422058 |
BFH/NV 1997, 510 |