Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeistand nicht zur Vertretung vor dem BFH befugt
Leitsatz (NV)
Es begegnet keinen verfassungsmäßigen Bedenken, dass ein Rechtsbeistand selbst dann nicht zur Vertretung vor dem BFH befugt ist, wenn er Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist.
Normenkette
FGO §§ 62a, 115 Abs. 2; StBerG § 3
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Rechtsbeistand selbständig tätig. Die ihm erteilte Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz umfasst die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auf dem Teilgebiet "Schadensersatz im Bereich des Kraftfahrzeug-Verkehrs". Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) erließ gegen den Kläger erstmalig für das Streitjahr 1993 und später auch für die restlichen Streitjahre (1994 bis 1999) Gewerbesteuermessbescheide. Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit zwei Klagen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 IV R 19/97 (BFHE 184, 456, BStBl II 1998, 139) abgewiesen. Es stellte im Wesentlichen darauf ab, dass der Kläger nur auf dem Gebiet der ihm erteilten Teilerlaubnis tätig werde, indem er vorwiegend für Versicherungen Aktenauszüge fertige. Die Urteile wurden dem Kläger am 21. März 2002 und am 21. März 2003 zugestellt. Die Revision ließ das FG in beiden Fällen nicht zu.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in beiden Urteilen legte der Kläger persönlich Beschwerde ein. Die mit Schriftsatz vom 27. März 2002 eingelegte Beschwerde betraf das FG-Urteil vom 28. Februar 2002 und erhielt das Aktenzeichen IV B 60/02. Die zweite Beschwerde datiert vom 24. März 2003. Sie wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 13. Februar 2003 und wird unter dem Aktenzeichen IV B 72/03 geführt. Der Kläger trägt vor, er habe keinen Prozessbevollmächtigten finden können, der bereit gewesen sei, ihn für die gesetzliche Vergütung nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zu vertreten. Deshalb müsse er ausnahmsweise zu seiner eigenen Vertretung vor dem BFH zugelassen werden, zumal er als Rechtsbeistand der Rechtsanwaltskammer beitreten könne. Inzwischen habe er seine Aufnahme beantragt. Zumindest außerhalb der mündlichen Verhandlung bestehe kein Bedürfnis für einen Anwaltszwang. Hilfsweise benenne er den Steuerbevollmächtigten X als Prozessbevollmächtigten in einer eventuellen "Hauptverhandlung".
Die Entscheidungen des FG beruhten auf einem Verfahrensfehler. Weil die ehrenamtlichen Richter die Akten nicht eingesehen hätten, sei ihm, dem Kläger, das rechtliche Gehör versagt worden. Außerdem erfordere die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung über die Frage, ob Rechtsbeistände freiberuflich oder gewerblich tätig seien.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat die Verfahren IV B 60/02 und IV B 72/03 antragsgemäß miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerden sind unzulässig, weil der Kläger sie nicht persönlich einlegen konnte. Er hätte sich nach § 62a Abs. 1 FGO i.V.m. § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen müssen. Zur Vertretung wären nach § 62a Abs. 2 FGO auch die in § 3 Nr. 2 und 3 StBerG näher bezeichneten Gesellschaften berechtigt gewesen. Der Kläger war auf dieses Erfordernis in den Rechtsmittelbelehrungen der FG-Urteile ordnungsgemäß hingewiesen worden.
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Kläger als Rechtsbeistand zugelassen ist. Ein Rechtsbeistand ist selbst dann nicht zur Vertretung vor dem BFH befugt, wenn er Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist (BFH-Beschluss vom 23. November 1994 II B 102/94, BFH/NV 1995, 537).
Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 62a FGO vorgenommene Beschränkung der Vertretungsbefugnis vor dem BFH auf die in § 3 StBerG aufgezählten Berufsangehörigen und Gesellschaften. Vorgängervorschrift war Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 ― BFHEntlG― (BGBl I 1975, 1861). Nach dieser Vorschrift waren nur Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zur Vertretung vor dem BFH berechtigt. Diese Beschränkung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 7. August 1978 2 BvR 26/77 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 495) ausdrücklich gebilligt. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die gesetzgeberische Entscheidung des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert sei; sie solle im Interesse eines beschleunigten und vereinfachten Verfahrensablaufs sowie im Interesse der Mandanten sicherstellen, dass vor dem BFH nur qualifizierte Personen aufträten. Hinsichtlich der Auswahl der zur Vertretung berechtigten Berufe steht dem Gesetzgeber nach Auffassung des Senats ein Ermessensspielraum zu, der auch Typisierungen einschließt.
Die vorstehend wiedergegebene Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (zuletzt BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2002 I K 1, 2/02, BFH/NV 2002, 1314, und vom 21. Juli 1997 V K 2/97, BFH/NV 1998, 205). Die Verfassungsbeschwerde gegen den letztgenannten Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1998 1 BvR 1973/97).
Das Vertretungserfordernis ist von Verfassungs wegen auch nicht auf die mündliche Verhandlung beschränkt. So hat es das BVerfG nicht beanstandet, dass das Bundessozialgericht (ähnlich wie der BFH) fordert, der Bevollmächtigte müsse, wenn er Entwürfe Dritter übernehme, die Beschwerdebegründung selbst noch einmal eingehend überprüfen (BVerfG-Beschluss vom 19. November 1992 1 BvR 1233/92, SozR 3-1500 § 160a Nr. 12).
Dem Vertretungserfordernis ist nicht dadurch genügt, dass der Kläger hilfsweise einen Steuerbevollmächtigten als Prozessbevollmächtigten für eine ―im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ohnedies nicht vorgesehene― mündliche Verhandlung benannt hat. Bereits die Beschwerde selbst muss von einer vertretungsberechtigten Person oder Gesellschaft eingelegt sein (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 62a Rz. 14, m.w.N.) Diesem Erfordernis kann nach Fristablauf nicht mehr genügt werden.
Der Hinweis des Klägers in seiner Beschwerdeschrift vom 27. März 2002, er habe "keinen Revisionsvertreter zu BRAGO-Gebührensätzen" finden können, hat der Senat nicht als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b der Zivilprozessordnung verstanden. Der Kläger hat lediglich zwei bekannte Anwälte und deren angebliche Stundensätze erwähnt. Dagegen zeigt schon die spätere Benennung eines Steuerbevollmächtigten, dass sich ein Prozessvertreter finden ließ.
Fundstellen