Entscheidungsstichwort (Thema)
Unschädliche Voraus-Rechnungen i. S. des § 14 Abs. 3 UStG
Leitsatz (NV)
Es ist durch die Rechtsprechung bereits dem Grundsatz nach geklärt, daß nur als solche gekennzeichnete ,,Voraus-Rechnungen" oder ,,Pro-forma-Rechnungen" nicht den Tatbestand des § 14 Abs. 3 Satz 2 - 2. Alternative - UStG 1980 erfüllen.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 3 S. 2 Alt. 2; FGO § 115
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) vereinbarte 1982 mit einem Ingenieur-Büro (C), daß dieses von der Klägerin in den Jahren 1982 und 1983 insgesamt 400 Einheiten bestimmter Computer abzunehmen habe. Der Vertrag enthielt eine Abrufvereinbarung für die einzelnen Lieferungen.
Trotz wiederholter Aufforderung, ihrer Abnahmeverpflichtung insgesamt nachzukommen, nahm die C in den Jahren 1982 und 1983 lediglich 23 Einheiten ab. Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Landgericht gegen die C stellte die Klägerin - nach ihrem Vortrag aufgrund des Ersuchens ihres Prozeßbevollmächtigten, um hilfsweise und vorsorglich gegen Forderungen der C in diesem Prozeß aufrechnen zu können - am 5. März 1984 der C eine Rechnung aus. Die Rechnung betraf die restlichen 377 Computer und enthielt neben dem Rechnungsbetrag von . . . DM einen gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM.
Ein Lieferungszeitpunkt war nicht angegeben. Die Rechnung enthielt folgenden Hinweis: ,,Berechnung gemäß unserer OEM-Vereinbarung bis einschließlich Dezember 1983."
In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1984 errechnete die Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von . . . DM, berücksichtigte dabei aber nicht die in der vorbezeichneten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer. Entsprechend der Erklärung wurde die Umsatzsteuer 1984 als Überschuß unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt.
Mit Kontrollmitteilung teilte das Finanzamt D dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) den Vorgang der Rechnungserteilung vom 5. März 1984 - und daß die in der Rechnung bezeichnete Lieferung weder ausgeführt noch eine Zahlung erfolgt sei - mit. Die Klägerin wandte dazu ein, bei der genannten Rechnung handle es sich lediglich um eine sog. ,,Pro-forma-Rechnung", deren Aushändigung erforderlich gewesen sei, um im Rechtsstreit vor dem Landgericht die C in Annahmeverzug zu versetzen; denn damit habe ihr (der Klägerin) eine fällige, vollstreckbare und aufrechenbare Kaufpreisforderung zugestanden.
Das FA vertrat die Auffassung, die Erteilung der Rechnung vom 5. März 1984 erfülle den Tatbestand des § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und setzte mit geändertem Umsatzsteuerbescheid 1984 die Umsatzsteuer auf . . . DM fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte die Klägerin Beschwerde ein.
Zum einen sieht es die Klägerin als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), in welchem Umfang bei Bestehen eines zivilrechtlich wirksamen Leistungsverhältnisses die Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis vor Erbringen der Leistung zulässig sei, ohne den Tatbestand des § 14 Abs. 3 UStG 1980 zu erfüllen.
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 14 Abs. 3 Satz 2 - 2. Alternative - UStG bzw. § 14 Abs. 3 - 1. Alternative - UStG 1967 betreffe (soweit ersichtlich) lediglich Scheinrechnungen in Fällen, in denen ein zivilrechtliches Leistungsverhältnis nicht oder jedenfalls noch nicht bestanden habe (Urteile vom 21. Februar 1980 V R 146 /73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283; und vom 20. März 1980 V R 131/74, BFHE 130, 122, BStBl II 1980, 287). Auch das BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 3/75 (BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229, habe Scheinrechnungen ohne Zugrundeliegen eines wirklichen Leistungsverhältnisses betroffen. Nach dem BFH-Beschluß vom 21. Mai 1987 V R 129/78 (BFHE 150, 90, BStBl II 1987, 652) sei zwar Kenntnis des Rechnungsausstellers von der Nichtausführung der Lieferung für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht erforderlich. Mangels Wiedergabe des Sachverhalts sei aber unklar, ob in diesem Fall ein Leistungsverhältnis zustande gekommen oder möglicherweise vor Rechnungsausstellung erloschen sei.
Insbesondere habe der BFH nicht entschieden, die Kennzeichnung einer Abrechnung als ,,Vorausrechung" sei die einzige Möglichkeit, die Inanspruchnahme aus § 14 Abs. 3 UStG 1967/1980 zu vermeiden. Die bisherigen BFH-Entscheidungen brächten somit keine Rechtsklarheit für die vorliegende Rechtsfrage.
Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Frage, ob Leistungsbereitschaft des Rechnungsausstellers dann nicht anzunehmen sei, wenn sich dieser vorbehalte, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) geltend zu machen. Das Finanzgericht (FG) habe darauf abgestellt, die Klägerin habe mangels Zahlungsfähigkeit des Leistungsempfängers nicht mit der tatsächlichen Durchführung des Leistungsaustausches rechnen können, weil sie nur zur Lieferung Zug um Zug gegen Bezahlung bereit gewesen sei. Eine Klärung der Frage, ob die Ausstellung einer Rechnung vor Durchführung der Leistung nur dann nicht § 14 Abs. 3 UStG 1980 erfülle, wenn der Rechnungsaussteller zur Erbringung der Leistung ohne Rücksicht auf die Erbringung der Gegenleistung bereit sei, liege im allgemeinen Interesse.
Grundsätzliche Bedeutung habe ferner die Frage, ob eine mißbräuchliche Rechnungsausstellung auch dann anzunehmen sei, wenn der Aussteller zur Durchsetzung seiner berechtigten zivilrechtlichen Interessen handle. Der BFH habe mehrfach ausgesprochen, daß § 14 Abs. 3 Satz 2 - 2. Alternative - UStG 1980 lediglich die mißbräuchliche Begebung von Rechnungen vermeiden solle. Bei fehlender Zurechnungsfähigkeit des Ausstellers greife § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht ein (BFH in BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283, 285). Entsprechendes sei auch anzunehmen, wenn der Aussteller in Wahrnehmung berechtigter zivilrechtlicher Interessen handle (Rechtsgedanke des § 193 des Strafgesetzbuchs - StGB - der sogar den strafrechtlichen Schutz von Rechtsgütern aufhebe). Damit habe sich die Vorinstanz nur unzulänglich auseinandergesetzt (wird ausgeführt). Die Klägerin sei zivilrechtlich verpflichtet gewesen, eine Rechnung bereits vor Lieferung zu erteilen, um ihre Kaufpreisforderung im Aufrechnungsweg durchsetzen zu können.
Die Auffassung des FG würde dazu führen, daß in solchen Fällen Umsatzsteuer zweimal entstehe: Zuerst bei Rechnungsausstellung und nochmals bei Übergang der Verfügungsmacht über die Liefergegenstände.
Ergänzend weist die Klägerin auf den Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 25. September 1987 7 W 2791/87 (Neue Juristische Wochenschrift 1988, 270) hin, nach dem beim Handelskauf der Käufer die Kaufpreiszahlung vom Zugang einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis abhängig machen könne (§ 273 BGB). Zwar sei im Fall dieses Urteils bereits geliefert gewesen. Entsprechendes müsse aber auch gelten, wenn der Verkäufer den Käufer in Annahmeverzug setze und den Kaufpreisanspruch gerichtlich geltend machen wolle.
Im übrigen stützt die Klägerin die Beschwerde darauf, daß das FG vom Urteil des BFH in BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283, abweiche.
Der BFH habe ausgeführt (S. 285):
,,§ 14 Abs. 3 - 1. Alternative - UStG 1967 ist daher dahingehend einzuschränken, daß er nicht eingreift, wenn der Aussteller des Abrechnungspapiers bei dessen Begebung nachweisbar Willens und in der Lage ist, die in diesem Papier beschriebene Leistung aufgrund eingegangener Verpflichtung alsbald zu erbringen."
Aus der Entscheidung ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der BFH die Leistungsbereitschaft nur dann bejahe, wenn der Rechnungsaussteller ohne Rücksicht auf die Erfüllung der Gegenleistung bereit sei, seine Leistung zu erbringen. Von dieser eingeschränkten Auffassung sei jedoch die Vorinstanz ausgegangen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin vorgetragenen Rechtssache besteht nicht. Die Fragen sind durch die Rechtsprechung dem Grundsatz nach bereits geklärt. Das Urteil des FG hat diese Rechtsprechung zutreffend herangezogen. Übereinstimmend mit dem Urteil in BFHE 130, 122, BStBl II 1980, 287, hat das FG darauf abgestellt, daß die Rechnung der Klägerin vom 5. März 1984 keine als solche gekennzeichnete und damit im Sinn des § 14 Abs. 3 UStG 1980 unschädliche ,,Voraus-Rechnung" oder ,,Pro-forma-Rechnung" war und daß die Klägerin die Rechnung nicht erteilte, um damit eine erbrachte Leistung abzurechnen, sondern nur zu dem Zweck, in einem Zivilprozeß zu versuchen, eine Aufrechnungssituation herzustellen. Unbeschadet der Frage, ob eine Rechnungserteilung mit Umsatzsteuerausweis dazu erforderlich und insbesondere tauglich ist, steht damit fest, daß die Rechnung nicht im Hinblick auf die alsbaldige Erfüllung der eigenen Leistungspflicht ausgestellt werden sollte und wurde. Auf die Einwendungen der Klägerin, sie habe insoweit aus berechtigtem Interesse gehandelt, dieser Umstand erfordere eine grundsätzliche Klärung der vorliegenden Fallgestaltung, braucht wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit nicht eingegangen zu werden. Der BFH hat im übrigen zuletzt im Urteil vom 9. Dezember 1987 X R 35/82 (BFH/NV 1988, 269) erneut unter Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, daß der Aussteller einer ,,Pro-forma-Rechnung" die offen ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann nach § 14 Abs. 3 UStG 1973 schuldet, wenn der Empfänger der Rechnung diese vereinbarungsgemäß nur dazu verwendet, einen Betriebsmittelkredit zu erhalten. Auch in einem solchen Fall sei die mögliche Beeinträchtigung des Steueraufkommens (durch Verwendung der Rechnung zum Vorsteuerabzug durch den Empfänger) nicht ausgeschlossen.
Die dargestellte Rechtsprechung zu § 14 Abs. 3 - 1. Alternative - UStG 1967/1973 gilt auch für die entsprechende Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 2 - 2. Alternative - UStG 1980. Darüber hinaus verdeutlicht das UStG 1980 in § 14 Abs. 1 Satz 3, daß Abrechnungen mit Steuerausweis vor Ausführung der Leistung nur dann nicht die Frage der Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 2 - 2. Alternative - UStG 1980 aufwerfen, wenn sie nach Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts ausgestellt werden. Denn in diesem Fall ist die Steuer bereits nach der sog. Mindest-Istversteuerung entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 3 und 4 UStG 1980).
2. Das FG-Urteil weicht auch nicht vom Urteil des BFH in BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283, ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Das FG ist von dem von der Klägerin wiedergegebenen Grundsatz des BFH- Urteils ausgegangen; es hat lediglich den festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, daß die Klägerin nicht Willens gewesen ist, die in ihrer Rechnung vom 5. März 1984 umschriebene Leistung zu erbringen. Darin liegt keine Abweichung von Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung.
Fundstellen