Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegekindschaftsverhältnis
Leitsatz (NV)
Ob ein Pflegekindschaftsverhältnis nur bei räumlicher Trennung von den leiblichen Eltern angenommen werden kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind.
Normenkette
EStG 1992 § 32 Abs. 1 Nr. 2 S. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
Insbesondere kommt ihr keine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Rechtsfrage zu, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis nur bei räumlicher Trennung von den leiblichen Eltern angenommen werden kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
§ 32 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1986/1992 (entsprechend § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996) setzt für die Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses u.a. voraus, "dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht". Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dieses Tatbestandsmerkmal dann als erfüllt angesehen, wenn die Obhut und Pflege gegenüber einem Kind vonseiten der leiblichen Eltern derart zurücktreten, dass sie im Wesentlichen nur noch durch die Pflegeeltern ausgeübt werden (BFH-Urteile vom 7. September 1995 III R 95/93, BFHE 179, 54, BStBl II 1996, 63, und vom 20. Januar 1995 III R 14/94, BFHE 177, 359, BStBl II 1995, 582). Wann die Pflegeeltern gegenüber dem Kind gleichsam an die Stelle der leiblichen Eltern treten, weil das Obhuts- und Pflegeverhältnis des Kindes zu seinen leiblichen Eltern abgerissen ist, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen (BFH-Urteil in BFHE 177, 359, 363, BStBl II 1995, 582).
Das Finanzgericht hat aufgrund einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Tatsachenwürdigung angenommen, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis der behinderten Schwester der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zu ihrer Mutter noch besteht. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die elterliche Sorge für die Schwester der Klägerin wegen deren Volljährigkeit beendet ist (§ 1626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) und die Klägerin 1990 vom Amtsgericht zur Pflegerin (nunmehr Betreuerin, § 1897 Abs. 1 BGB; vgl. auch § 1901 und § 1902 BGB) mit den Wirkungskreisen "Vermögenssorge", "Aufenthaltsbestimmungsrecht" und "Einwilligung in ärztliche Maßnahmen" bestellt worden war, da es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt (vgl. auch Jachmann in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, § 32 Rn. B 15).
Von einer weiteren Begründung wird nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 424557 |
BFH/NV 2000, 1094 |