Leitsatz (amtlich)
Auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Zuge der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf die alleinige Gesellschafterin übergehen, sind Sonderabschreibungen nach § 1 der Ersten Konjunktur-VO nicht zulässig.
Normenkette
EStG 1967 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. s; Erste Konjunktur-VO § 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine Aktiengesellschaft - war bis Ende Mai 1967 an dem Grundkapital der R-AG mit 76 v. H. beteiligt. Seit dem 1. Januar 1965 bestand zwischen den Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag. Anfang Juni 1967 erwarb die Klägerin die restlichen 24 v. H. der Stammaktien der R-AG. Am 10. Juni 1967 beschloß die Hauptversammlung der R-AG ihre Umwandlung durch liquidationslose Übertragung des Vermögens auf die Klägerin als alleinige Gesellschafterin nach den §§ 3 bis 8, 15 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl I 1956, 844, BStBl I 1957, 471) - UmwG -. Die Umwandlung sollte im Innenverhältnis mit dem 1. Januar 1967 als erfolgt gelten. Ihr wurde eine Bilanz zum 31. Dezember 1966 zugrunde gelegt, in der die Wirtschaftsgüter der R-AG mit den Teilwerten angesetzt worden waren. Durch Ansatz der bisher nicht bilanzierten Pensionsrückstellungen ergab sich bei der untergehenden R-AG ein Übertragungsverlust. Die Klägerin übernahm die Wirtschaftsgüter der untergehenden Gesellschaft ebenfalls mit den Teilwerten, und zwar aus Vereinfachungsgründen zum 1. Januar 1967. Die untergegangene Beteiligung wurde ausgebucht. Die Umwandlung wurde am 18. August 1967 in das Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin nahm für die im Wege der Umwandlung von der R-AG übernommenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Sonderabschreibungen in Höhe von 2 625 400 DM nach § 1 der Ersten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 10. Februar 1967 (BGBl I 190, BStBl I 1967, 19) - Erste Konjunktur-VO - in Anspruch. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte diese Sonderabschreibungen in dem berichtigten Körperschaftsteuerbescheid vom 25. August 1971 nicht an. Einspruch und Klage, in der die Klägerin begehrte, die Körperschaftsteuer von 1 471 164 DM um 1 158 926 DM auf 312 238 DM zu ermäßigen, hatten keinen Erfolg.
Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt: Die Klägerin habe die im Wege der Umwandlung der R-AG erworbenen Gegenstände nicht "angeschafft". Ihr seien die Vermögensgegenstände der R-AG aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge und im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Vorgangs zugefallen. Dieser Erwerb sei keine Anschaffung i. S. des Einkommensteuerrechts. Er beruhe nicht auf einem entgeltlichen Rechtsgeschäft, das die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände im Wege eines gegenseitigen Rechtsgeschäfts zum Gegenstand habe. Der Umwandlungsvorgang sei seinem Wesen nach nicht mit einem gegenseitigen Tausch- und Erwerbsgeschäft vergleichbar. Die Auffassung der Klägerin sei überdies mit dem Sinn und Zweck der Ersten Konjunktur-VO nicht vereinbar.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 1 der Ersten Konjunktur-VO. Sie habe die im Wege der Umwandlung von der R-AG erworbenen Wirtschaftsgüter "angeschafft". Die Auslegung des Begriffs Anschaffung müsse den jeweiligen Zweckzusammenhang berücksichtigen. Bei einem Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge könne nicht schlechthin das Vorliegen eines Anschaffungsvorgangs verneint werden. Trete der Erwerber in die steuerliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein, komme eine Anschaffung nicht in Betracht. Habe der Erwerber jedoch wie im vorliegenden Fall die übernommenen Wirtschaftsgüter nach allgemeinen Grundsätzen mit dem Teilwert anzusetzen, sei ein entgeltlicher Anschaffungsvorgang gegeben. Etwas Ähnliches ergebe sich bei Personengesellschaften im Falle der Anwachsung nach § 738 BGB. Hier habe der BFH in dem Urteil vom 11. Juli 1973 I R 126/71 (BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50) ausgesprochen, daß der handelsrechtliche Begriff der Anwachsung des Anteils eines ausscheidenden Gesellschafters steuerrechtlich eine Anschaffung durch die verbleibenden Gesellschafter sei. Im vorliegenden Fall liege aus der Sicht des Gesellschafters - der Klägerin - bei der Übernahme der Wirtschaftsgüter der R-AG kein gesellschaftsrechtlicher Vorgang vor. Es handle sich vielmehr um einen Tausch von Wirtschaftsgütern innerhalb ihres Betriebsvermögens (der Klägerin). Gerade bei der Umwandlung gehe der Gesetzgeber grundsätzlich von einem tauschähnlichen Vorgang aus. Eine Anschaffung könne nicht schon deshalb verneint werden, weil die Beteiligung, die durch die Umwandlung untergehe, nicht veräußert werde. Es handle sich um einen betrieblichen Vorgang, der zu Gewinn oder Verlust führen könne. Der Vorgang vermeide die handelsrechtlich sonst notwendige Liquidation, dürfe aber steuerlich zu keinen anderen Konsequenzen führen, als sie bei Einzelveräußerungen der Wirtschaftsgüter und anschließender Liquidation der untergehenden Gesellschaft eingetreten wären. Die übernommenen Wirtschaftsgüter seien daher angeschafft worden.
Es gehe nicht an, den in der Ersten Konjunktur-VO verwendeten Begriff der Anschaffung abweichend von den einkommensteuerlichen Grundsätzen nach den besonderen Motivationen der Konjunktur-VO auszulegen. Der Gesetzgeber habe Anschaffungen während des in der Konjunktur-VO genannten Zeitraums generell begünstigt. Schon aus Gründen der praktischen Rechtsanwendung werde nicht auf die konjunkturpolitische Auswirkung im Einzelfall abgestellt. Begünstigt werde auch die Anschaffung gebrauchter Wirtschaftsgüter, und zwar der Einzelerwerb wie der Gesamterwerb von Unternehmungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin kann die Sonderabschreibung nach § 1 der Ersten Konjunktur-VO für die im Zuge der Umwandlung auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter nicht in Anspruch nehmen.
Nach der genannten Bestimmung werden Sonderabschreibungen für solche abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zugelassen, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt und die in einem bestimmten Zeitraum (Begünstigungszeitraum) angeschafft oder hergestellt worden sind. Die Sonderabschreibungen dürfen neben der nach § 7 EStG zu bemessenden AfA bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zur Höhe von 10 v. H. und bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zur Höhe von 5 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden.
Die hier im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehenden Begriffe "Anschaffung" und "Anschaffungskosten" sind im Einkommensteuergesetz nicht erläutert. Der Gesetzgeber hat sie dem kaufmännischen Sprachgebrauch entnommen. Diese Begriffe sind keineswegs eindeutig. Die Rechtsprechung des BFH hat den Begriff der Anschaffungskosten verschiedentlich dahin bestimmt, daß darunter die Kosten zu verstehen sind, die aufgewendet werden, um ein Wirtschaftsgut von einem anderen zu erwerben, "es von der fremden in die eigene Verfügungsgewalt zu überführen" (BFH-Beschluß vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672; BFH-Urteil vom 20. Dezember 1972 I R 73/71, BFHE 108, 125, BStBl II 1973, 266). Auch beim Tausch ist das eingetauschte Wirtschaftsgut mit den Anschaffungskosten anzusetzen, die mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzunehmen sind (BFH-Urteil vom 13. Juli 1971 VIII 15/65, BFHE 103, 61, BStBl II 1971, 731, für den Tausch immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens).
Der Begriff der Anschaffungskosten ist sehr weit gefaßt. Außer dem Ansatz tatsächlicher Anschaffungskosten gibt es z. B. den Ansatz fiktiver Anschaffungskosten. Fiktive Anschaffungskosten treten in verschiedenen Fällen an die Stelle der tatsächlichen Anschaffungskosten, z. B. in den Fällen des unentgeltlichen Erwerbs gemäß §§ 7, 11 d EStDV 1967.
Keine tatsächlichen Anschaffungskosten entstehen auch in Umwandlungsfällen der vorliegenden Art. Die von der Klägerin als der übernehmenden Alleingesellschafterin angesetzten Werte für die im Zuge der Umwandlung übernommenen Wirtschaftsgüter werden bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG so angesehen, als seien sie Anschaffungskosten i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. Die Umwandlung kann zwar wirtschaftlich als tauschähnlicher Erwerbsvorgang gegen Hingabe der untergehenden Beteiligung angesehen werden. Der Umwandlungsvorgang unterscheidet sich aber vom normalen Tausch- oder Erwerbsgeschäft dadurch, daß es an einer an einen Dritten zu erbringenden Gegenleistung fehlt. Er ist ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang, bei dem der Gesellschafter durch die Umwandlung seine Beteiligung zum Erlöschen bringt.
Mit der Frage, ob und inwieweit auch gesellschaftsrechtliche Vorgänge zu Anschaffungskosten führen, hat sich die Rechtsprechung bisher nur in einzelnen besonders gelagerten Fällen befaßt. Im Falle einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage hat es der BFH in dem Urteil vom 4. Oktober 1966 I 1/64 (BFHE 87, 31, BStBl III 1966, 690) unter Hinweis auf die gesellschaftsrechtliche Natur dieses Vorgangs abgelehnt, bei der Kapitalgesellschaft Anschaffungskosten i. S. des Einkommensteuerrechts anzunehmen, die zur Inanspruchnahme von Gewinnminderungen (Sonderabschreibungen) aufgrund des Investitionen begünstigenden Gesetzes Nr. 584 über steuerliche Maßnahmen im Saarland berechtigten. Desgleichen hat der BFH in dem Urteil vom 21. September 1965 I 331/62 U (BFHE 83, 459, BStBl III 1965, 665) in der Auskehrung des Vermögens einer GmbH im Zuge einer Abwicklung nach § 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung bei dem Gesellschafter keine Anschaffungskosten i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 5, 6 EStG dann gesehen, wenn der Gesellschafter die ihm zugeteilten Vermögensgegenstände in einen Gewerbebetrieb einbringt.
Die Begriffe "Anschaffung" und "Anschaffungskosten" können, weil sie weit gefaßt und nicht eindeutig sind, nicht losgelöst von dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften, in dem sie verwendet werden, ausgelegt werden. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. s EStG 1967 kann die Bundesregierung in Zeiten wirtschaftlicher Rezession "zur Förderung der Investitionstätigkeit" Vorschriften durch Rechtsverordnungen erlassen. In der gesetzlichen Ermächtigung sind als Förderungsmaßnahmen vorgesehen Sonderabschreibungen auf näher bestimmte Wirtschaftsgüter, die innerhalb eines jeweils festzusetzenden Zeitraums angeschafft oder hergestellt werden. Die Sonderabschreibungen sind in näher bezeichnetem Umfang auch auf Anzahlungen für bestellte Wirtschaftsgüter zugelassen. Die Bundesregierung hat sich wegen einer sich abzeichnenden gesamtwirtschaftlichen Konjunkturabschwächung veranlaßt gesehen, aufgrund dieser Ermächtigung im Februar 1967 die Erste Konjunktur-VO zu erlassen. Diese Verordnung hält sich - auch im Wortlaut - eng an die gesetzliche Ermächtigung. Nach dem in der Ermächtigungsvorschrift näher umschriebenen Zweck dieser Regelung können den hier verwendeten Begriffen "Anschaffung" und "Anschaffungskosten" nur Erwerbsvorgänge zugrunde gelegt werden, bei denen tatsächliche Anschaffungskosten entstehen. Es muß sich, wie aus der Gewährung der Steuervergünstigung auf Anzahlungen für bestellte Wirtschaftsgüter hervorgeht, bei der Anschaffung um einen Erwerbsvorgang auf dem Markt durch schuldrechtlichen Vertrag - z. B. Kauf, Werklieferungsvertrag - handeln. Beim Kaufmann müssen Kosten für den entgeltlichen Erwerb eines Wirtschaftsguts angefallen sein. Hiernach scheiden andersgeartete Erwerbsvorgänge aus, die nicht durch eine Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet sind. Zu einer "Anschaffung" und zu "Anschaffungskosten" i. S. der Ersten Konjunktur-VO kann daher ein Vorgang, wie die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf ihre Alleingesellschafterin nach dem UmwG 1956, nicht führen. Die Klägerin kann für die im Wege der Umwandlung von der R-AG übernommenen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Sonderabschreibungen nach § 1 der Ersten Konjunktur-VO nicht vornehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 71708 |
BStBl II 1976, 113 |
BFHE 1976, 231 |