Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung und inhaltliche Bestimmtheit eines Gewinnfeststellungsbescheids
Leitsatz (NV)
1. Ein Feststellungsbescheid ist nicht wegen mangelhafter Bezeichnung des Adressaten unwirksam, wenn im Anschriftenfeld die Personengesellschaft bezeichnet wird und die Gesellschafter, für die der Bescheid bestimmt ist, aus dem übrigen Inhalt des Bescheids ersichtlich sind.
2. Ein Gewinnfeststellungsbescheid ist nicht wegen widersprüchlicher Bezeichnung der Art der festgestellten Einkünfte nichtig, wenn Zweifel an der Art der festgestellten Einkünfte durch Auslegung behoben werden können.
Normenkette
AO 1977 §§ 122, 124, 125 Abs. 1, § 179 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine frühere Ehefrau, die Beigeladene A. Z., schlossen am 1. November 1971 einen Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck die Verwaltung eines Grundstücks in X und die Errichtung von Eigentumswohnungen auf diesem Grundstück war.
Nach der Errichtung eines Mehrfamilienhauses (Eigentumswohnanlage) wurden fünf der insgesamt sieben Wohnungen an verschiedene Erwerber veräußert. Am 20. Mai 1973 kündigte der Kläger die GbR.
Im Anschluß an eine Außenprüfung, die frühere Aktivitäten der aufgelösten GbR zum Gegenstand hatte, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am 9. Januar 1978 u. a. für das Streitjahr 1973 einen geänderten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte.
Der Bescheid ist adressiert an ,,Firma G. und A. Z. . . . GbR, Wohnungsbau, Bev. Herr G. Z., W-Straße, X".
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er geltend machte, der Bescheid sei nicht wirksam bekanntgegeben. Außerdem seien in diesem Bescheid Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festgesetzt, während in der Anlage Einkünfte aus Gewerbebetrieb verteilt worden seien.
Am 8. Februar 1978 richtete das FA den Gewinnfeststellungsbescheid 1973 an folgende Anschrift: ,,G. u. A. Z. GbR, z. H. von Frau A. Z., W-Straße, X". Auch gegen diesen Bescheid wurde Einspruch eingelegt.
Am 16. August 1979 sandte das FA den Feststellungsbescheid 1973 erneut an die Beigeladene. In der Anlage zu diesem Bescheid ist ausgeführt: ,,Dieser Bescheid ist inhaltsgleiche Ausfertigung des Feststellungsbescheids vom 9. 1. 1978, der bisher lediglich Herrn G. Z. bekannt gegeben wurde. Hiermit wird Ihnen dieser Bescheid ebenfalls bekannt gemacht und damit wirksam. Der Ihnen zugegangene Bescheid vom 9. 2. 1978 ist aus verfahrensrechtlichen Gründen unwirksam und wird aufgehoben."
Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Einspruch ein.
Am 18. Februar 1980 erging die Einspruchsentscheidung des FA, die zu einer Abänderung des Feststellungsbescheids 1973 führte und den Bevollmächtigten des Klägers und der Beigeladenen durch eingeschriebenen Brief zugestellt wurde.
Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage erhoben, mit der er beantragt hat, die Nichtigkeit des Feststellungsbescheids 1973 vom 9. Januar 1978/16. August 1979 festzustellen, hilfsweise, diesen Bescheid aufzuheben.
Die Klage hatte zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte die von der GbR im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf . . . DM fest und verteilte sie je zur Hälfte auf den Kläger und die Beigeladene. Im übrigen wies es die Klage ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es zur Gewinnfeststellung 1973 ergangen ist, und festzustellen, daß für das Streitjahr 1973 keine wirksame Gewinnfeststellung vorliegt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Feststellungsbescheid 1973 vom 9. Januar 1978/16. August 1979 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1980 nicht wegen eines Bekanntgabemangels unwirksam sind.
1. Der Feststellungsbescheid vom 9. Januar 1978/16. August 1979 ist nicht wegen unrichtiger Bezeichnung des Adressaten unwirksam. Gewinnfeststellungsbescheide sind ihrem Inhalt nach nicht an die Gesellschaft als solche, sondern an die Gesellschafter gerichtet. Für die Wirksamkeit dieser Bescheide kommt es darauf an, daß sich aus ihrem gesamten Inhalt ergibt, für welche Personen bestimmte Anteile am Gewinn festgestellt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700 m. w. N.; vom 21. Mai 1987 IV R 134/83, BFHE 150, 300, BStBl II 1987, 764). In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, daß alle Gesellschafter als Adressaten im Anschriftenfeld des Bescheids aufgeführt werden. Es genügt in der Regel, wenn im Anschriftenfeld die Personengesellschaft als solche bezeichnet wird (Sammelbezeichnung) und die Gesellschafter, für die der Feststellungsbescheid bestimmt ist, aus dem übrigen Inhalt des Bescheides, insbesondere aus dem für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil des Bescheides, eindeutig ersichtlich sind (Urteil des Senats vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766). Ist diese Voraussetzung erfüllt und ist der Gewinnfeststellungsbescheid den Feststellungsbeteiligten - wie im Streitfall - unmittelbar mit Willen des FA zugegangen, dann ist dieser Bescheid auch dann wirksam i. S. von § 122 der Abgabenordnung (AO 1977) bekanntgegeben worden, wenn er im Anschriftenfeld eine bereits erloschene Personengesellschaft benennt (BFH-Urteile vom 10. November 1988 IV R 15/86, BFH/NV 1989, 499, und vom 22. November 1988 VIII R 23/87, BFH/NV 1989, 228).
Der Gewinnfeststellungsbescheid vom 9. Januar 1978/16. August 1979 genügt diesen Anforderungen. Aus dem Inhalt des Bescheides geht hervor, daß er sich sowohl gegen den Kläger als auch gegen die Beigeladene richtet. Beide sind im Bescheid als Feststellungsbeteiligte genannt; aus der dem Bescheid beigefügten Anlage ergibt sich ferner mit hinreichender Deutlichkeit, wie sich der festgestellte Gewinn auf die beiden Feststellungsbeteiligten verteilt. Daß im Anschriftenfeld des Bescheides die bereits erloschene GbR benannt ist, steht seiner Wirksamkeit nicht entgegen (vgl. auch BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 267/80, BFH/NV 1987, 15 m. w. N.).
2. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Feststellungsbescheides 1973 bestehen auch nicht deshalb, weil dieser dem Kläger und der Beigeladenen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bekanntgegeben worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 15. Januar 1987 IV B 95/86, BFH/NV 1987, 659). Unschädlich ist auch, daß die der Beigeladenen übersandte Ausfertigung ein anderes Datum trägt als der dem Kläger bekanntgegebene Feststellungsbescheid. Insbesondere rechtfertigt dieser Umstand nicht den Schluß, das FA habe gegenüber der Beigeladenen eine selbständige Feststellung treffen wollen. Vielmehr wird durch das Datum 16. August 1979 nur der Tag der Absendung des Bescheides bezeichnet, während die den Gewinn 1973 feststellende Verfügung vom zuständigen Bediensteten des FA bereits zu einem früheren Termin unterzeichnet worden ist (BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15).
Da der angefochtene Feststellungsbescheid 1973 unstreitig beiden Feststellungsbeteiligten bekanntgegeben wurde, geht der Einwand des Klägers ins Leere, der Bescheid habe keinen Hinweis nach § 183 Abs. 1 letzter Satz AO 1977 enthalten. Eines Hinweises im Sinne dieser Vorschrift hätte es nur bedurft, wenn das FA von der Möglichkeit der erleichterten Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden an einen Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 AO 1977 Gebrauch gemacht hätte.
3. Zweifel an der Wirksamkeit des Feststellungsbescheids können sich schließlich auch nicht daraus ergeben, daß in der dem Kläger zugegangenen Ausfertigung des Bescheids unter ,,A. Feststellungen" die festgestellten Einkünfte der früheren GbR als solche aus Land- und Forstwirtschaft bezeichnet wurden, während in der dem Bescheid beigefügten Anlage Einkünfte aus Gewerbebetrieb verteilt wurden. Die widersprüchliche Angabe der Einkunftsart führt im Streitfall nicht zur Nichtigkeit des Bescheides. Nichtig ist ein Verwaltungsakt, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO 1977). Das ist z. B. der Fall, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, daß ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1988 IV B 70/88, BFH/NV 1989, 613 m. w. N.). Der Senat kann offenlassen, ob eine unklare Angabe der Art der festgestellten Einkünfte zur Nichtigkeit eines Feststellungsbescheids führen kann. Ein Feststellungsbescheid ist jedenfalls dann ausreichend bestimmt, wenn Zweifel an der Art der festgestellten Einkünfte durch Auslegung behoben werden können (BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 96/85, BFHE 147, 211, BStBl II 1986, 834). Bei der Auslegung können vorausgegangene Bescheide oder die Erläuterungen in einem Außenprüfungsbericht, auf den im Bescheid verwiesen wird, herangezogen werden (BFHE 147, 211, BStBl II 1986, 834).
Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat zutreffend angenommen, daß die Art der festgestellten Einkünfte für den Kläger nach dem Inhalt des Betriebsprüfungsberichts vom 28. Juni 1977, auf den das FA im Feststellungsbescheid vom 9. Januar 1978 Bezug genommen hatte, und nach den Angaben in der Anlage zu diesem Bescheid nicht zweifelhaft sein konnte. Nach den gesamten dem Kläger bekannten Umständen wollte das FA die von der GbR erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb feststellen und hat dies auch getan. Dafür spricht auch der Inhalt des vorläufigen Feststellungsbescheides 1973 vom 20. Januar 1976, in dem das FA ebenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt hat.
4. Der Kläger macht mit der Revision zu Unrecht geltend, die Einspruchsentscheidung sei wegen eines Bekanntgabemangels unwirksam. Soweit sich der Kläger zur Begründung dieser Revisionsrüge auf die zu § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ergangene Rechtsprechung des BFH beruft, geht sein Vorbringen schon deshalb fehl, weil die Einspruchsentscheidung im Streitfall nicht nach § 3 VwZG, sondern durch eingeschriebenen Brief (§ 4 VwZG) zugestellt wurde. Diese Art der Bekanntgabe ist zulässig. Daß dem FA und dem FG bei der Anwendung des § 4 VwZG Fehler unterlaufen seien, behauptet der Kläger selbst nicht. Auch nach dem Inhalt der Akten bestehen hierfür keine Anhaltspunkte.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht greift nicht durch; dies bedarf nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs keiner Begründung.
5. Der Kläger hat im Revisionsverfahren seinen Antrag auf die Feststellung der Nichtigkeit des Feststellungsbescheids 1973 beschränkt. An diesen Antrag ist der Senat gebunden (§ 121 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; zum Verhältnis der Feststellungsklage zur Anfechtungsklage vgl. auch Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 41 Rz. 36). Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob der Feststellungsbescheid an einem Mangel leidet, der lediglich zu seiner Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit führt.
Fundstellen
Haufe-Index 416998 |
BFH/NV 1991, 8 |