Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung einer Arztpraxis zwischen Ehegatten
Leitsatz (NV)
Hat der Arzt-Ehegatte 2/3 der laufenden Kosten für die Unterhaltung des von seiner Ehefrau errichteten und an ihn vermieteten Praxisanbaus durch Überweisung von seinem betrieblichen Konto selbst getragen, stellt die Einschaltung der Ehefrau als Vermieterin einen Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts zur Erlangung des Vorsteuerabzugs dar. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß die monatlichen Zahlungen zivilrechtlich als Schenkungen qualifiziert werden.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1; AO § 42
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vermietete ihrem Ehemann, einem Zahnarzt, Praxisräume für einen monatlichen Mietzins von ... DM. Das Grundstück hatte sie 1982 von einer Erbengemeinschaft für rund ... DM erworben. Der Ehemann hatte an die Verkäufer ... DM gezahlt. Für den restlichen Kaufpreis hatten die Ehegatten ein Darlehen bei einer Bank aufgenommen. Die Tilgungsleistungen in den Streitjahren (1985 und 1986) von jeweils ... DM und die Zinslasten von ... DM (1985) und ... DM (1986) überwies der Ehemann der Gläubigerin unmittelbar von seinem Geschäftskonto.
In den Streitjahren (1985 und 1986) wurde das Gebäude für ... DM (netto) renoviert. Außerdem wurde die Praxis um einen Anbau mit Aufwendungen von ... DM (netto) erweitert. Dafür nahm die Klägerin ein Darlehen bei einer Bank über ... DM auf, für das sie jähr liche Tilgungs- und Zinsleistungen von ... DM aufwenden mußte. Neben den Mieteinnahmen erzielte die Klägerin pauschal versteuerte Einkünfte als Praxishilfe bei ihrem Ehemann von netto monatlich ... DM und erhielt von ihm weitere Beträge in Höhe von ... DM. Ab 1. August 1986 hatte sie als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Rückwirkend ab 1983 erklärte die Klägerin am 5. Februar 1986 den Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietung der Praxisräume. Sie zog aus Rechnungen über die Renovierung des Gebäudes und über den Praxisanbau Vorsteuerbeträge ab und meldete Umsatzsteuer von ./. ... DM für 1985 und ./. ... DM für 1986 an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stimmte den Steueranmeldungen zunächst zu, änderte sie aber durch die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide 1985 und 1986 vom 24. August 1988 auf 0 DM. Das FA erkannte den Verzicht der Klägerin auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze wegen Mißbrauchs von Gestaltungen des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) als nicht wirksam an.
Einspruch und Klage wurden abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u. a. aus, das FA habe die Vermietung zu Recht nicht als steuerpflichtigen Umsatz beurteilt und den Vorsteuerabzug wegen abzugsschädlicher Verwendung der Praxisräume (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1980 --) zutreffend versagt, weil die Klägerin die Vermietung rechtsmißbräuchlich gestaltet habe. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach eine steuerpflichtige Vermietung als Rechtsmißbrauch nicht anerkannt und der Vorsteuerabzug für den Praxiserwerb versagt werde, seien auch im Streitfall anwendbar, in dem der Abzug von Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen über Renovierungs- und Umbauleistungen begehrt werde. Auf die im Streitfall umstrittene Frage, ob die Klägerin wirtschaftlich nicht genügend leistungsfähig und auf laufende Zuschüsse ihres Mieter- Ehegatten angewiesen gewesen sei, komme es nicht an, wenn dieser tatsächlich die laufenden Lasten in nicht nur unwesentlichem Umfang selbst getragen habe. Mit der gesetzlichen Wertung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 sei es nicht nur dann unvereinbar, wenn der Mieter-Ehegatte seinem Vermieter-Ehegatten laufende Zuschüsse zur Tilgung von Darlehensschulden und Zinslasten zahle, sondern auch im Falle, daß er unabhängig von den Einkünften seines Vermieter-Ehegatten tatsächlich die laufenden Tilgungsleistungen gegenüber den Darlehensgläubigern erbringe.
Der Arzt-Ehegatte der Klägerin habe 2/3 der laufenden Kosten für das Anschaffungsdarlehen von ... DM in den Streitjahren und in den folgenden Jahren (bis 1988) direkt durch Überweisung von seinem betrieblichen Konto getragen. Daß die Klägerin die Kosten für das Renovierungs- und Anbaudarlehen (ca. ... DM) allein hätte aufbringen können, sei unerheblich, weil die einheitliche Leistung "Vermietung" einer renovierten und erweiterten Arztpraxis sowohl die Kostenlast für das vom Mieter-Ehegatten getragene Anschaffungsdarlehen als auch das von der Klägerin aufbringbare Darlehen für Renovierung und Anbau -- untrennbar -- umfasse.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die angefochtene Entscheidung verletze § 42 AO 1977. Dazu führt sie u. a. aus, ihr Ehemann habe ihr laufend Schenkungen durch Übernahme der Zahlungen für die Tilgung und Zinsen ihres Darlehens -- auf abgekürztem Zahlungsweg -- zugewendet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Vorentscheidung hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Senat sieht gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs insoweit von einer weiteren Begründung ab.
2. Dem Vorsteuerabzug der Klägerin steht -- wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat -- entgegen, daß sie die bezogenen Leistungen nach einer den wirtschaftlichen Vorgängen (§ 42 Satz 2 AO 1977) angemessenen Beurteilung nicht für eine unternehmerische Tätigkeit durch steuerpflichtige Vermietung verwendet hat (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 und § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980). Die Klägerin hat sich in eine als steuerpflichtige Vermietung gestaltete Überlassung von Praxisräumen einschalten lassen, obwohl sie nach den Feststellungen des FG nicht in der Lage war, die Vermieterstellung aus eigener wirtschaftlicher Kraft auszufüllen. § 42 Satz 2 AO 1977 gebietet die rechtliche Würdigung des Streitfalls aufgrund einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Beurteilung, weil das Steuergesetz durch einen Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts nicht umgangen werden kann (§ 42 Satz 1 AO 1977).
a) Der BFH hat es in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFH/NV 1994, 200) als unangemessene Gestaltung des Rechts (§ 42 Satz 1 AO 1977) angesehen, wenn ein Steuerpflichtiger, der eine den Vorsteuerabzug ausschließende Umsatztätigkeit i. S. von § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausführt, die für die Anschaffung von Gegenständen für sein Unternehmen erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn (nunmehr als Unternehmer) an den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen Unternehmer-Ehegatten vorsteuerabzugsunschädlich zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter solchen Umständen gewissermaßen "vorgeschaltet", um das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, obwohl der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als hätte er den fraglichen Gegenstand angeschafft.
Eine derartige Vorschaltung liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Erhaltung des vermieteten Gegenstands nicht aus der Miete und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. von Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Wirkt der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, durch Teilnahme an dieser dem Gesetzesplan widersprechenden Gestaltung mit, um in seinem Steuerschuldverhältnis nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen, unterliegen die davon betroffenen Sachverhalte der Rechtsfolge des § 42 AO 1977.
b) Nach diesen Grundsätzen stellt sich die Entscheidung des FG im Ergebnis als richtig dar. Aufgrund des Gesetzesplanes wird ein Unternehmer, der steuerfreie Umsätze i. S. von § 4 Nr. 8 bis 28 UStG 1980 ausführt, vom Abzug der von ihm für diese Umsätze verwendeten Leistungsbezüge ausgeschlossen. Ein Arzt, der nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 steuerfreie Umsätze ausführt, kann nach der Entscheidung des Gesetzgebers keine Vorsteuerbeträge für Leistungsbezüge im Zusammenhang mit seinen Praxisräumen abziehen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980). Der Ausschluß vom Vorsteuerabzug betrifft sowohl Leistungen für die Anschaffung oder Herstellung als auch für die Renovierung oder den An- oder Umbau der Praxis (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253).
Die Klägerin hat nach der im Streitfall festgestellten Gestaltung Leistungen für Räume der Arztpraxis ihres Ehemannes selbst bezogen und die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug geschaffen, obwohl sie nach einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Beurteilung dazu nur mit den finanziellen Mitteln ihres vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen Ehegatten in der Lage war. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug hat sie durch die Vereinbarung von Vermietungsleistungen und die dadurch erlangte Unternehmerstellung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) sowie durch den Verzicht auf die Steuerbefreiung und die infolgedessen nicht abzugsschädliche Verwendung der für die vermieteten Praxisräume bezogenen Leistungen geschaffen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980).
Die Ausführung von Vermietungsleistungen war ihr aber nach den Feststellungen des FG nur möglich, weil ihr vom Vorsteuerabzug ausgeschlossener Ehegatte ... DM für den Grundstückserwerb und mindestens 2/3 der laufenden Kosten für das die Praxis betreffende Anschaffungsdarlehen getragen hat. Da die Klägerin aus eigener wirtschaftlicher Kraft die Vermieterstellung nicht erlangt hat, ist es unerheblich, daß sie den Vorsteuerabzug nur aus Rechnungen über Renovierungs- und Umbauarbeiten geltend macht. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß die monatlichen Zahlungen zivilrechtlich als Schenkungen qualifiziert werden.
Ohne die umsatzsteuerrechtlichen Vorteile der Gestaltung hätten die Parteien vom Abschluß eines Mietvertrages abgesehen.
c) Ob ein Gestaltungsmißbrauch unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Vermietungsunternehmers schon deshalb vorliegt, weil der vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Ehegatte die laufenden Zins- und Tilgungsleistungen für die vermieteten Räume tatsächlich entrichtet, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Nach den Feststellungen des FG ist auszuschließen, daß die Klägerin diese Aufwendungen ohne die laufenden Zuwendungen ihres Ehemannes hätte erbringen können.
Fundstellen
Haufe-Index 65471 |
BFH/NV 1996, 443 |