Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldner eines Rückforderungsanspruchs
Leitsatz (NV)
Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs ist derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Ob dies der ,,richtige" Steuerschuldner ist, ist im Streit um die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs nicht nachprüfbar.
Normenkette
AO 1977 §§ 37, 168, 218
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) überwies in den Jahren 1980 und 1981 Steuererstattungsbeträge im Gesamtbetrag von 11 086,75 DM auf das Konto Nr. 10 18 175, das die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bei der Bank A. unterhielt.
Den Überweisungen lagen Steuerfestsetzungen bzw. Steueranmeldungen zugrunde, welche die Tochter der Klägerin betrafen, die beim FA als Gewerbetreibende (Inhaberin eines Juweliergeschäfts) geführt wurde. Die Fehlleitung der Zahlungen hatte ihre Ursache darin, daß die Tochter im Datenbestand des beklagten FA nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung für 1976 noch mit einer alten Bankverbindung erfaßt war. Es war übersehen worden, daß sie inzwischen, in der Einkommensteuererklärung 1978, ein anderes, ihr eigenes Konto angegeben hatte.
Nachdem das FA die Kontenverwechslung bemerkt hatte, erließ es am 7. April 1981 gegenüber der Klägerin unter Berufung auf § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) einen Rückforderungsbescheid, in dem es die verschiedenen für die Tochter bestimmten, versehentlich auf das Konto der Mutter überwiesenen Beträge im einzelnen aufführte und die Klägerin zur Rückzahlung des Betrages von 11 086,75 DM aufforderte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG sei zu Unrecht von rechtsgrundlosen Zahlungen ausgegangen. Es habe zu Unrecht unterstellt, daß die Tochter das nunmehr von ihr allein betriebene Schmuckgeschäft auch allein gegründet und seinerzeit schon allein geführt habe. Tatsächlich aber sei das Unternehmen von ihr, der Klägerin, mit ihrem Geld aufgebaut und dann erst später durch die Aufnahme der Tochter zusammen mit dieser in der Form einer GbR betrieben worden, und zwar so lange, bis es im Jahre 1980 zu internen familiären Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter gekommen sei, die aber bislang zu keiner gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung geführt hätten. Die Zahlungen seien auf das richtige Konto geleistet worden, weil ihr, der Klägerin, Forderungen gegen die Gesellschaft zustünden. Insoweit sei sie, die Klägerin, auch zur Aufrechnung befugt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den angefochtenen Rückforderungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das beklagte FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das angefochtene Urteil läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG hat das FA die Klägerin zu Recht wegen der versehentlich an sie geleisteten, aber erkennbar für ihre Tochter bestimmten Zahlungen in Anspruch genommen.
Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 hat u.a. dann, wenn eine Steuer oder Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt wurde, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages.
Diese allgemeine Regelung des abgabenrechtlichen Erstattungs- und Rückforderungsanspruchs gilt auch für den Fall der fehlgeleiteten Zahlung an einen am Steuerrechtsverhältnis nicht beteiligten Dritten (Urteil des BFH vom 18. Juni 1986 II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704, 705) und setzt nur die vorherige rechtsgrundlose Erfüllung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis voraus (BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488, 489). Für die Beurteilung, wer Schuldner eines Rückforderungsanspruchs ist, kommt es allein darauf an, zu wessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die Gegenstand des Rückforderungsanspruchs ist (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 31, m.w.N.; zu den entsprechenden Zurechnungskriterien im umgekehrten Fall des Erstattungsanspruchs: BFH-Urteile vom 9. April 1986 I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565, 566; in BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704, 705; Tipke/Kruse, a.a.O., Tz 19 ff., m.w.N.).
Entscheidend dafür, ob das FA im Rückforderungsbescheid vom 7. April 1981 zu Recht die Klägerin in Anspruch genommen hat, ist allein die mangelnde Identität des erklärten und des tatsächlichen Zahlungsempfängers. Daraus allein, daß die in Frage stehenden Überweisungen in Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Steuerbescheiden (§ 218 Abs. 1 und Abs. 2 AO 1977), zu denen auch die vom FA anerkannten Voranmeldungen zählen (§§ 168, 218 Abs. 1 Satz 2 AO 1977; BFH-Urteile vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776, und vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702), erkennbar für die Tochter der Klägerin bestimmt waren, tatsächlich aber an die hiernach nicht betroffene Klägerin geleistet wurden, ergibt sich die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin.
Ob in den zugrunde liegenden Bescheiden die Tochter der Klägerin zu Recht allein als Steuerschuldnerin angesehen worden ist, kann und muß in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben. Dies folgt aus § 218 Abs. 1 AO 1977, wonach sich die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 AO 1977 nach den Steuerbescheiden (Satz 1) bzw. den Steueranmeldungen (Satz 2 i.V.m. § 168 AO 1977) richtet.
Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, daß in Wahrheit auch sie selbst an dem in Frage stehenden Steuerrechtsverhältnis beteiligt sei. Soweit sich die Klägerin auf zivilrechtliche (Auseinandersetzungs-) Ansprüche beruft, sind diese im Rahmen des hier allein interessierenden Steuerrechtsverhältnisses ohne Bedeutung. Soweit schließlich Aufrechnung geltend gemacht wird, steht § 226 Abs. 3 AO 1977 entgegen, wonach Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (also auch gegenüber Rückforderungsansprüchen i.S. des § 37 Abs. 2 AO 1977) nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen können.
Der Senat brauchte nicht auf den Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren einzugehen, wonach die Überweisungen nicht an die Steuerschuldnerin, die Tochter, sondern an sie, die Klägerin, gerichtet gewesen seien. Dieses Vorbringen ist verspätet.
Fundstellen