Entscheidungsstichwort (Thema)
Sog. typische Vorführwagen sind in das Vergleichsvolumen einzubeziehen
Leitsatz (NV)
Im Vergleichszeitraum (1979 bis 1981) angeschaffte "typische" Vorführwagen sind in das Vergleichsvolumen (§ 46 Abs. 5 InvZulG 1982) einzubeziehen. Dem steht nicht entgegen, daß solche Wirtschaftsgüter -- bei einer Anschaffung im Begünstigungszeitraum -- wegen der meistens aus tatsächlichen Gründen nicht einzuhaltenden dreijährigen Verbleibfrist des § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c, bb, InvZulG 1982 nicht beim Begünstigungsvolumen (§ 4 b Abs. 4 InvZulG 1982) angesetzt werden können.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schaffte in den Jahren 1982 und 1983 (Streitjahre) einen Bürocomputer an und errichtete einen Werkstattanbau. Für diese Investitionen erhielt er aufgrund zweier unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheide Zulagen nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982.
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) fest, daß der Kläger zuvor, im sog. Vergleichszeitraum (1979 bis 1981), neben elf nur für zwei Tage auf ihn zugelassene auch neunundzwanzig "typische" Vorführwagen angeschafft hatte. Das FA nahm daraufhin eine Neuermittlung des Vergleichsvolumens nach § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 vor und bezog dabei auch die für die neunundzwanzig "typischen" Vorführwagen aufgewendeten Kosten ein. Auf diese Weise ergab sich für beide Streitjahre ein Vergleichsvolumen, das das jeweilige Begünstigungsvolumen (§ 4 b Abs. 4 InvZulG 1982) überstieg. Dies führte zur Zurückforderung der gewährten Investitionszulagen für 1982 und für 1983. Der gegen die Rückforderungsbescheide vom 15. Januar 1987 erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob hingegen die Einspruchsentscheidung und die Rückforderungsbescheide auf. Es begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 652 veröffentlichtes Urteil im wesentlichen wie folgt:
Das FA habe die streitigen Vorführwagen zwar zutreffend als Gegenstände des Anlagevermögens beurteilt. Doch dürften sie aus anderen Gründen nicht in das Vergleichsvolumen des § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 einbezogen werden. Zwar bestimme § 4 b Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982, daß in das Vergleichsvolumen auch solche Wirtschaftsgüter eingingen, die die Verbleibvoraussetzungen des § 4 b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1982 nicht erfüllten. Doch könne dies nicht gelten, wenn Wirtschaftsgüter -- wie hier die Vorführwagen -- die Verbleibvoraussetzungen schon der Art ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nach nicht erfüllen könnten. Denn in solchen Fällen käme bei einer Anschaffung im Begünstigungszeitraum auch keine Zuordnung zum Begünstigungsvolumen in Betracht. Dies wiederum würde die Ausgewogenheit des Gesamtrechenwerks mit den Positionen Begünstigungsvolumen und Vergleichsvolumen verletzen.
Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es rügt die Verletzung des § 4 b Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982 und führt dazu insbesondere aus:
Für die Einbeziehung von Wirtschaftsgütern in das Vergleichsvolumen genüge es, wenn die in § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung vorlägen; nachträgliche Änderungen blieben unberücksichtigt. Entgegen der vom FG vertretenen Auffassung seien Vorführwagen auch nicht generell von der Zulagengewährung nach § 4 b InvZulG 1982 ausgeschlossen. Eine Zulage könnte bei einer Anschaffung im Begünstigungszeitraum durchaus gewährt werden; doch müßte sie möglicherweise zurückgefordert werden, wenn die Behaltefrist von drei Jahren nicht eingehalten würde.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Revision des FA nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat die vom Kläger in den Jahren 1979 bis 1981 angeschafften neunundzwanzig "typischen" Vorführwagen zu Unrecht als Wirtschaftsgüter angesehen, die nicht in die Ermittlung des Vergleichsvolumens einzubeziehen seien.
Nach § 4 b Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982 gehen in das Vergleichsvolumen u. a. auch die Anschaffungskosten von in den Jahren 1979 bis 1981 angeschafften neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ein. Dies gilt nach § 4 b Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982 auch, wenn die dreijährige Verbleibfrist des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c, bb nicht eingehalten wird.
1. Zutreffend hat das FG zwar die hier in Betracht kommenden Vorführwagen dem Anlagevermögen des Klägers zugerechnet. Für das Ertragsteuerrecht ist diese Beurteilung inzwischen allgemeine Meinung (s. insbesondere das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH -- vom 17. November 1981 VIII R 86/78, BFHE 135, 35, BStBl II 1982, 344; ebenso u. a. nunmehr auch Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 6 Rz. 23). Der erkennende Senat hat die ertragsteuerrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen aber auch schon wiederholt für das Zulagenrecht als maßgeblich angesehen (s. z. B. das Urteil vom 2. Februar 1990 III R 165/85, BFHE 160, 361, BStBl II 1990, 706).
2. Zu Unrecht hat sich das FG in seiner Entscheidung dann jedoch über die eindeutige Vorschrift des § 4 b Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982 hinweggesetzt. Die von ihm aufgezeigte und in einer Vielzahl von Fällen der Anschaffung von Vorführwagen wohl auch tatsächlich bestehende Inkongruenz zwischen Vergleichsvolumen und Begünstigungsvolumen ist hinzunehmen.
Der erkennende Senat hat zum Bedeutungsinhalt des Vergleichsvolumens und des Begünstigungsvolumens im Verhältnis zueinander in seinem Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 72/86 (BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244) ausführlich Stellung genommen. Danach besteht zwischen beiden Volumen lediglich hinsichtlich der "begünstigten Investitionen" eine weitgehende Kongruenz. Ansonsten sind aber die Regelungen über das Vergleichsvolumen und das Begünstigungsvolumen unterschiedlich gestaltet (so auch das Senatsurteil vom 9. Dezember 1988 III R 167/85, BFHE 155, 441, BStBl II 1989, 241). Das gilt insbesondere für Anschaffungs- oder Herstellungs- sowie Verbleibfristen. So ist im Rahmen des Vergleichsvolumens gerade die Einhaltung der Verbleibfrist (sogar) ausdrücklich von Gesetzes wegen ausgeschlossen worden (§ 4 b Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982).
Dies führt bei Vorführwagen sicher in vielen Fällen dazu, daß sie zwar -- bei einer Anschaffung im Vergleichszeitraum -- im Rahmen des Vergleichsvolumens zu berücksichtigen sind, hingegen -- bei einer Anschaffung im Begünstigungszeitraum -- wegen der meistens aus tatsächlichen Gründen nicht einzuhaltenden dreijährigen Verbleibfrist nicht beim Begünstigungsvolumen angesetzt werden können. Der Senat hatte in seinem o. g. Urteil in BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244 über einen vergleichbaren Fall der Inkongruenz zwischen Begünstigungs- und Vergleichsvolumen zu befinden. Er hat das dortige Ergebnis, die Einbeziehung von selbst aufgezogenen weiblichen Zuchtrindern in das Vergleichsvolumen, obwohl weibliche Zuchtrinder aus biologischen Gründen in keinem Fall im Begünstigungsvolumen berücksichtigt werden können, zwar als "hart" bezeichnet, aber gleichwohl als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Er ist dabei davon ausgegangen, daß der Gesetzgeber bei Subventionsnormen einen weiten Ermessensspielraum habe und daß eine sich zum Teil nachteilig auswirkende Regelung um so mehr in Kauf zu nehmen sei als sie nur für eine kurze Zeit gelte.
Diese Grundsätze sind auch im Streitfall anzuwenden. Sie gelten um so mehr, als der Erwerber von Vorführwagen -- im Gegensatz zum o. g. Züchter von weiblichen Rindern -- immerhin die (wenn auch meist nur theoretische) Möglichkeit hat, die für die Einbeziehung in das Begünstigungsvolumen erforderlichen Voraussetzungen (hier die Einhaltung der dreijährigen Verbleibfrist) zu erfüllen.
3. Das FG ist von anderen Rechtsgrund sätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Fundstellen
Haufe-Index 421492 |
BFH/NV 1997, 148 |