Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat sich jemand mit einer Eingabe, die als Beschwerde angesehen werden kann, gegen einen ablehnenden Bescheid des Finanzamts gewendet und daraufhin als Antwort einen Bescheid dieses Amtes erhalten, mit dem sein Begehren nunmehr unter ausdrücklichem Hinweis auf eine in diesem Sinne ergangene spezielle Anweisung der Oberfinanzdirektion erneut abgelehnt wird, so kann der Verwaltungsweg als ausgeschöpft angesehen werden, wenn der Betroffene daraufhin das Finanzgericht unmittelbar angerufen hat.
Normenkette
AO §§ 228, 237, 230; FGO § 33
Tatbestand
Ein im Jahre 1960 vom Bf. gestellter Antrag auf prüfungsbefreite Zulassung als Helfer in Steuersachen, nunmehr als Steuerbevollmächtigter, wurde durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 1960 rechtskräftig abgelehnt. Mit Schreiben vom 5. und 10. März 1961 beantragte der Bf. erneut prüfungsbefreite Zulassung. Das Finanzamt lehnte den Antrag unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs mit Schreiben vom 13. März 1961 ab. Dagegen wandte sich der Bf. mit Schreiben vom 14. März 1961, das das Finanzamt der Oberfinanzdirektion zur Entscheidung vorlegte. Entsprechend der daraufhin ergangenen Weisung der Oberfinanzdirektion teilte das Finanzamt durch Bescheid vom 25. März 1961 dem Bf. im Auftrage der Oberfinanzdirektion unter Hinweis auf seine frühere Ablehnung in der Verfügung vom 13. März und auf das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs mit, daß zu weitergehenden Erörterungen kein Anlaß besteht. Der Bescheid war mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, daß gegen die Verfügung die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion gegeben ist. Der Bf. erhob daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht. Von diesem wurde die Sache zuständigkeitshalber an das Finanzgericht verwiesen. Dieses verwarf die nunmehr als Berufung behandelte Klage als unzulässig, weil es an der Ausschöpfung des Verwaltungsweges fehle. Dem Hilfsantrag des Bf., die Sache an die Oberfinanzdirektion zu verweisen, gab das Finanzgericht wegen der Unzulässigkeit der Berufung nicht statt.
In der Rb. rügt der Bf., daß das Finanzgericht die Sache nicht entsprechend seinem Hilfsantrag an die Oberfinanzdirektion verwiesen habe. Im übrigen sieht er bei der Ablehnung seines Antrags einen Ermessensmißbrauch darin, daß vorläufige Zulassungen und Zweigbüros von Steuerhelfern geduldet worden seien. Er rügt ferner, daß über verschiedene Punkte im Urteil nichts gesagt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
...
Das Finanzgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Es ist dabei davon ausgegangen, daß die Oberfinanzdirektion als zuständige Behörde eine Beschwerdeentscheidung nicht getroffen habe und deshalb der Verwaltungsweg nicht ausgeschöpft gewesen sei.
Dieser rechtlichen Würdigung vermag der Senat im Hinblick auf den von der Vorinstanz festgestellten besonderen Sachverhalt des Streitfalls nicht zu folgen. Nach deren Feststellungen hat das Finanzamt das Schreiben des Bf. vom 14. März 1961, mit dem er sich gegen das Schreiben des Finanzamts vom 13. März 1961 gewandt und das das Finanzamt als Beschwerde angesehen hat, der Oberfinanzdirektion zur Entscheidung vorgelegt. Die Oberfinanzdirektion hat darauf das Finanzamt angewiesen, den Bf. erneut ablehnend zu bescheiden; sie hat dabei den Wortlaut des Bescheides vorgeschrieben. Das Finanzamt hat sodann am 25. März 1961 einen Bescheid erteilt, in dem es einleitend heißt: "Die Oberfinanzdirektion hat mich beauftragt, Ihnen auf Ihr Schreiben vom 14. März 1961 folgendes mitzuteilen:" (Es folgt der ablehnende Text.) Der Senat ist der Auffassung, daß unter diesen Umständen der Wille der Oberfinanzdirektion zu einer ablehnenden Entscheidung bereits in dem Schreiben des Finanzamts in einer auch für den Bf. klar erkennbaren Weise zum Ausdruck kam, sodaß es zur Ausschöpfung des Verwaltungsweges nicht mehr der Herbeiführung einer förmlichen Beschwerdeentscheidung bedurfte, um dem Bf. trotz der förmlichen Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen die Verfügung des Finanzamts die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion gegeben ist, den Weg zum Finanzgericht zu öffnen. Wollte man in einem so gelagerten Fall verlangen, daß eine förmliche Beschwerdeentscheidung herbeigeführt wird, deren negatives Ergebnis bereits vorher feststeht und dem Bf. bekannt ist, so würde dies nach Ansicht des Senats einen dem Rechtssuchenden unverständlichen Formalismus bedeuten.
Das Finanzgericht kann sich im Streitfall für seine Auffassung auch nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 365/59 U vom 16. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 204, Slg. Bd. 74 S. 548) berufen, denn dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. In dem dort entschiedenen Falle hatte das Finanzamt im Einvernehmen mit der Oberfinanzdirektion einen Billigkeitserlaß erstmalig abgelehnt, während im Streitfall die erneute Ablehnung des Antrags auf eine sich gegen die erste Ablehnung richtende weitere Eingabe des Bf., die als Beschwerde angesehen werden konnte, ausdrücklich im Auftrag der Oberfinanzdirektion geschehen ist.
Demnach ist der Verwaltungsweg als ausgeschöpft anzusehen. Die Berufung war unter diesen Umständen zulässig. Die Vorinstanz hat dies verkannt. Ihre Entscheidung braucht jedoch nicht aufgehoben zu werden, weil die Berufung auch sachlich nicht begründet und der Bf. daher durch die Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht beschwert ist (Hinweis auf Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 238/33 vom 26. Oktober 1933, RStBl 1933 S. 1223/1224).
Das Finanzamt hat unter Hinweis auf die ergangenen Urteile des Bundesfinanzhofs, insbesondere auf das Urteil vom 14. Dezember 1960 die prüfungsfreie Zulassung abgelehnt. Die Rechtskraft dieses Urteils steht in der Tat einer erneuten sachlichen Nachprüfung und Entscheidung entgegen; denn der Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen und des anhängigen Verfahrens sind derselbe, nämlich die Ablehnung des Antrags des Bf. auf prüfungsfreie Zulassung als Helfer in Steuersachen. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß der Bf. nunmehr vor allem einen Ermessensmißbrauch darin sieht, daß er nicht vorläufig zugelassen worden ist; denn auch darüber ist in dem Urteil vom 14. Dezember 1960 in dem Sinne entschieden worden, daß ein Anspruch auf vorläufige Zulassung nicht besteht. Es ist daher ohne Bedeutung, wenn der Bf. nunmehr auf andere vorläufig zugelassene Helfer in Steuersachen als in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren verweist.
Fundstellen
Haufe-Index 424064 |
BStBl III 1963, 411 |
BFHE 1964, 254 |
BFHE 77, 254 |