Leitsatz (amtlich)
Das FA verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn es auf einen zuerst gestellten Antrag auf Gewährung einer Sparprämie diese ohne vorherige Rückfrage beim Antragsteller gewährt, obwohl ihm bekannt ist, daß auf Grund der später eingereichten Einkommensteuererklärung inzwischen Bausparbeiträge bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt worden sind.
Normenkette
EStG 1967 § 10 Abs. 4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute, haben am 5. März 1968 bei der X-Bank wegen Sparleistungen von 1 515 DM auf einen am 14. April 1967 abgeschlossenen Wertpapiersparvertrag die Gewährung einer Sparprämie beantragt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat mit Verfügung vom 18. November 1968 darauf eine Sparprämie von 240 DM gewährt. In der am 8. Juli 1968 beim FA eingereichten Einkommensteuererklärung für 1967 machten die Kläger Einzahlungen auf einen Bausparvertrag von 8 975, 18 DM als Sonderausgaben geltend. Im Einkommensteuerbescheid vom 9. September 1968 entsprach das FA diesem Antrag. Auf Grund einer Kontrollmitteilung der Prämienstelle an die Veranlagungsstelle, die dieser am 15. November 1968 zuging, erließ das FA am 2. Januar 1969 einen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1967, in welchem es den Sonderausgabenabzug versagte. Hierdurch ergab sich eine Steuernachholung von insgesamt 2 634 DM.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte u. a. aus: Die Kläger hätten ihr Wahlrecht (§ 10 Abs. 4 EStG, § 1 Abs. 3 SparPG) wirksam zugunsten der Sparprämie ausgeübt. In dem Vordruck 114 "Antrag auf Gewährung einer Sparprämie für 1967" hätten sie die Frage, ob sie im Kalenderjahr 1967 noch weitere Sparbeiträge, Bausparbeiträge oder andere nach dem WoPG begünstigte Aufwendungen geleistet hätten, ausdrücklich mit nein beantwortet. Für ihre Auffassung, daß sie in dem Vordruck gleichzeitig einen Antrag auf Berücksichtigung der Sparbeiträge als Sonderausgaben gestellt hätten, ergäben sich aus dem Antragsvordruck keine Anshaltspunkte. Eine Änderung der getroffenen Wahl sei nicht zulässig.
Mit der Revision beantragen die Kläger, die Prämiengewährung und den berichtigten Einkommensteuerbescheid aufzuheben. Sie tragen u. a. vor: Ein Verstoß der Prämienstelle des FA gegen Treu und Glauben liege darin, daß sie dem Antrag entsprochen habe, obwohl sie auf Grund ihrer vorherigen Rückfrage bei der Veranlagungsstelle davon Kenntnis erhalten habe, daß die Bausparbeiträge im Einkommensteuerbescheid vom 9. September 1968 zum Sonderausgabenabzug zugelassen waren. Sie (die Kläger) würden seit 20 Jahren von einem Steuerbevollmächtigten vertreten, der alle dem FA eingereichten Erklärungen mit seinem Bearbeitungsvermerk versehe, der bei dem Sparprämien-Antrag fehle. Dieser Antrag enthalte mit der Angabe des wieder durchgestrichenen Bausparvertrages mißverständliche Eintragungen. Sie hielten es für ausgeschlossen, daß die Streichung von dem klagenden Ehemann erfolgt sei, da er dies am Rande abgezeichnet haben würde. Wahrscheinlich sei der Schalterbeamte der Bank, der den Sparprämien-Antrag entgegengenommen habe, davon ausgegangen, daß alte Bausparverträge vom Kumulierungsverbot ausgenommen seien, also im Antrag nicht aufzunehmen waren. Die Kläger sehen in der Unterfertigung des Antragsvordrucks einen bankmäßigen Vorgang, davon ausgehend, daß die Bank es hätte wissen müssen, ob der Antrag an das FA einzureichen wäre. Trotz der sich hieraus ergebenden Zweifel an ihrem ernsthaften Wollen und in Kenntnis der Tatsache, daß die Bausparbeiträge bei der Einkommensteuerveranlagung als Sonderausgaben berücksichtigt wären, habe die Prämienstelle dann drei Tage später die Prämiengewährung verfügt. Wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung erkennen ließen, sehen sie einen Verfahrensverstoß des FG darin, daß es nicht im einzelnen aufgeklärt habe, inwieweit der Inhalt des Antrags auf die Mitwirkung des Kreditinstituts zurückzuführen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist nicht begründet.
Die Kläger haben einen wirksamen Antrag auf Gewährung von Sparprämie nach dem Spar-Prämiengesetz gestellt und damit ihr Wahlrecht i. S. des § 10 Abs. 4 EStG 1967 zugunsten der Sparprämie ausgeübt, so daß die Bausparbeiträge wegen des Kumulierungsverbots auf den später gestellten Antrag hin nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassen werden können. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Ausübung der Wahl allein von der Antragstellung, nicht etwa von einer im Zusammenhang mit der Antragstellung abgegebenen Erklärung über die Ausübung des Wahlrechts abhängig ist. Wenn also ein Sparer einen Antrag auf Gewährung einer Sparprämie gestellt hat und wenn dieser Antrag eindeutig und wirksam ist, dann kommt es nicht darauf an, ob er seinem Willen, im Verhältnis zwischen Sparprämie und Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen eine Wahl zu treffen, hinreichend deutlich Ausdruck verliehen hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (Urteile des BFH vom 4. Mai 1965 VI 296/64 U, BFHE 83, 29, BStBl III 1965, 511, und vom 25. Mai 1973 VI R 59/72, BFHE 109, 249, BStBl II 1973, 585). Dementsprechend ist auch ein Irrtum des Sparers über die Tragweite seines Prämienantrages unbeachtlich und seine in dem Antrag liegende Willenserklärung nicht wegen Irrtums anfechtbar. Hieran hält der Senat auch im Streitfall fest.
Die Besonderheit des vorliegenden Rechtsstreits liegt darin, daß das FA die Sparprämie am 18. November 1968 gewährt hat, obwohl die Prämienstelle vorher von der Berücksichtigung der Bausparbeiträge als Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 Kenntnis erlangt hatte. Diese Tatsache für sich allein berührt indessen nicht die Wirksamkeit des Sparprämien-Antrags. Dieser war nämlich mit dem Eingang beim FA rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Kreditinstitut (ausweislich der Akten 19. März 1968) bereits wirksam geworden (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 83/73, BFHE 117, 130, BStBl II 1976, 16). Das Wahlrecht war also bereits zu diesem Zeitpunkt wirksam ausgeübt worden, so daß auch schon zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Kumulierungsverbots des § 10 Abs. 4 EStG 1967 der Sonderausgabenabzug nicht mehr zulässig war. Das FA hat also mit der Gewährung der Prämie unmittelbar auf das Wirksamwerden des Kumulierungsverbots nicht mehr eingewirkt.
Allerdings hat der Senat auch entschieden, daß ein zunächst wirksam gestellter Antrag unwirksam wird, wenn vor der Gewährung der Prämie durch das FA eine gesetzliche Voraussetzung für die Bewilligung der Prämie wegfällt oder ein Tatbestand verwirklicht wird, der das FA zur Rückforderung einer bereits gewährten Prämie berechtigen würde (BFH-Urteile vom 18. August 1972 VI R 320/70, BFHE 107, 335, BStBl II 1973, 90, und VI R 83/73). Wenn also z. B. die Kläger vor der Gewährung der Prämie durch das FA (in der Zeit zwischen der Antragstellung am 5. März 1968 und der Prämiengewährung am 18. November 1968) den Sparprämien-Vertrag durch Kündigung vorzeitig aufgelöst und sich die Sparbeiträge hätten auszahlen lassen, wäre der zunächst wirksam gestellte Antrag unwirksam geworden, weil die Kläger einen zur Rückforderung einer bereits gewährten Prämie berechtigenden Tatbestand verwirklicht hätten (§ 5 SparPG 1967). Tatsächlich haben jedoch die Kläger einen solchen Tatbestand nicht verwirklicht. - Es ist deshalb lediglich zu prüfen, ob etwa das FA gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen hat, weil es die Kläger nicht vor der Gewährung der Prämie auf diese Möglichkeit hingewiesen hat, und ob das FA sich deshalb nicht mehr auf die Auswirkungen des Kumulierungsverbots hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs für die Bausparbeiträge berufen kann. Der Senat verneint jedoch einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Das Kumulierungsverbot ist vom Gesetzgeber bewußt formal gestaltet worden. Es soll in einfacher Weise eine für alle Beteiligten eindeutige Ausübung des Wahlrechts sicherstellen. Angesichts des Massenverfahrens, in dem bei den FÄ Prämienanträge abgewickelt werden müssen, wäre es für die FÄ eine unzumutbare Belastung, wenn sie in Fällen eindeutiger Antragstellung zu Rechtsbelehrungen für die Antragsteller und Rückfragen bei ihnen verpflichtet würden. Eine Belehrung über die Auswirkungen der Antragstellung ist umfassend auf den Antragsvordrucken enthalten. Es muß von den Antragstellern erwartet werden, daß sie zu einer reibungslosen Abwicklung des Verfahrens dadurch beitragen, daß sie die Belehrungen auch durchlesen. Wenn sie dies, wie im Streitfall, nicht tun und dadurch eine für sie ungünstige Wahl ausüben, so kann dem FA aus diesem Grunde nicht der Vorwurf eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gemacht werden, wenn es einem solchen Antrag entspricht.
Diese Beurteilung ändert sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa deshalb, weil das Kreditinstitut, mit dem der Sparvertrag abgeschlossen worden ist, bei der Ausfüllung des Antrags, wie die Kläger vortragen, mitgewirkt hat. Denn eine unzutreffende Beratung durch das Kreditinstitut würde nur das zwischen den Klägern und dem Kreditinstitut bestehende Rechtsverhältnis berühren, den eindeutig gestellten Antrag aber nicht unwirksam machen. Auch könnte hieraus kein Verstoß des FA gegen die Grundsätze von Treu und Glauben hergeleitet werden. Deshalb kann dem FG auch kein Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht vorgeworfen werden, wenn es zu der Frage, in welcher Weise das Kreditinstitut bei der Antragstellung mitgewirkt hat, von weiteren Aufklärungsmaßnahmen abgesehen hat.
Die Tatsache, daß ein Sparprämien-Antrag vor dem Antrag auf Sonderausgabenabzug gestellt worden ist, ist der Veranlagungsstelle des FA erst nachträglich nach dem Erlaß des Einkommensteuerbescheides bekanntgeworden. Maßgebend ist die Kenntnis der Veranlagungsstelle, nicht die der Prämienstelle. Das FA durfte deshalb den Berichtigungsbescheid nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO erlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 71958 |
BStBl II 1976, 674 |
BFHE 1977, 278 |