Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine von der KG betriebene Großgärtnerei bildet Betriebsvermögen der KG.
Normenkette
BewG § 56 Abs. 1 Ziff. 7, § 97/1/5
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine im Handelsregister eingetragene KG, betreibt eine Großgärtnerei. Bei Feststellung des Einheitswerts auf den 21. Juni 1948 wurde ihr Vermögen, wie bisher, als Betriebsvermögen behandelt. Hiergegen wendet sich die Bfin. mit dem Antrag, ihr Vermögen als landwirtschaftliches Vermögen zu bewerten. Ihr Interesse hieran ergibt sich aus § 36 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG): Anwendung des Vierteljahressatzes von 1,1 v. H. bei landwirtschaftlichem Vermögen anstatt 1,7 v. H. bei Betriebsvermögen. Einspruch und Berufung sind zurückgewiesen worden. Das angefochtene Urteil stützt sich auf § 56 des Bewertungsgesetzes (BewG).
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst ohne eine solche durch Vorbescheid zu erkennen (ß 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung).
Entscheidungsgründe
Der Rechtsbeschwerde (Rb.) ist der Erfolg zu versagen.
Der Antrag der Bfin. auf mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht ist vom Finanzgericht einstimmig zurückgewiesen worden. Hierzu war das Finanzgericht berechtigt. Von einer Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs kann entgegen der Auffassung der Rb. keine Rede sein. Auch in der Sache selbst ist dem Finanzgericht zuzustimmen.
Eine Gärtnerei ist allerdings im allgemeinen kein Gewerbebetrieb. Doch können auch Gärtnereien handelsrechtlich Gewerbebetriebe darstellen (Würdinger in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB § 3 Anm. 1, 2; Staub-Bondi, HGB § 3 Anm. 1, und Reichsgericht in Juristische Wochenschrift 1930 S. 829). Hiernach könnte im Fall der Bfin. handelsrechtlich ein Gewerbebetrieb gemäß § 3 HGB vorliegen. Die Frage, ob dies der Fall ist, braucht jedoch im Streitfall nicht endgültig geklärt zu werden, da maßgebend für die hier zu treffende Entscheidung die Bestimmungen des BewG sind. Nach § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG bilden einen gewerblichen Betrieb alle Wirtschaftsgüter, die offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und ähnlichen Gesellschaften gehören, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind. Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften haben somit lediglich wegen ihrer Rechtsform Betriebsvermögen, ohne daß es entscheidend darauf ankommt, ob sie auch tatsächlich einen Gewerbebetrieb unterhalten. § 56 Abs. 1 Ziff. 1-7 a. a. O. enthält die Fiktion eines Gewerbebetriebs zwecks Vermeidung der häufig schwierigen Untersuchung über das Vorliegen eines Gewerbebetriebs. Lediglich in den Fällen des § 56 Abs. 1 Ziff. 4, 5 a. a. O. wird abgesehen von der Zweckbestimmung noch die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gefordert, und im § 56 Abs. 1 Ziff. 7 a. a. O. wird zur Charakterisierung der den offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ähnlichen Gesellschaften hervorgehoben, daß bei ihnen die Gesellschafter Unternehmer (Mitunternehmer) sein müssen. Demgemäß gilt nach § 54 Abs. 3 BewG Land- und Forstwirtschaft auch nur unbeschadet des § 56 a. a. O. nicht als Gewerbe. Auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 221/30 vom 20. November 1930 (Reichssteuerblatt 1931 S. 796) wird Bezug genommen. Das Urteil ist zwar zu § 26 Abs. 2 BewG 1925 ergangen. Jedoch deckt sich diese Bestimmung in dem hier interessierenden Punkte mit § 56 Abs. 1 des geltenden BewG. Die Bfin. beruft sich dagegen auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 146/37 vom 21. Oktober 1937 (Reichssteuerblatt 1937 S. 1248). In diesem Urteil ist ausgesprochen, daß zu den "ähnlichen Gesellschaften" im Sinne des § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG auch eine Gesellschaft des BGB gehören könne, wenn sie ein Gewerbe betreibe. Da es sich im Streitfall jedoch um eine Kommanditgesellschaft handelt, ist das erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs hier nicht analog anwendbar. Darauf, daß offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die ausschließlich Landwirtschaft betreiben, nicht als gewerbesteuerpflichtig gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 des Gewerbesteuergesetzes angesehen werden (Gewerbesteuer-Richtlinien 1955 § 2 Abschn. 16), kommt es für die hier nach dem BewG zu entscheidende Frage nicht an. Das BewG hat den Begriff des Gewerbebetriebs für seinen Anwendungsbereich erweitert, wie sich außer aus dem erwähnten § 56 a. a. O. auch aus § 55 a. a. O. (Gleichstellung der freien Berufe mit Gewerbetreibenden) ergibt. Sonach können Sonderbestimmungen des BewG zum Begriff "Gewerbebetrieb" nicht durch Bestimmungen anderer Steuergesetze beseitigt werden. Damit entfallen die hierauf hinzielenden Ausführungen der Rb.
Darauf, ob in X bei der Bewertung sonstiger Gärtnereibetriebe in Gesellschaftsform anders verfahren worden ist, kommt es nicht an. Sollte dies geschehen, und die Bewertung nach vorstehenden Ausführungen sonach unrichtig erfolgt sein, könnte die Bfin. nicht mit Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dieselbe unrichtige Bewertung für sich fordern. Die Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes vom 5. September 1955 (Bundesgesetzblatt 1955 Teil I S. 565 ff.) sind für die hier zu treffende Entscheidung nicht maßgebend.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Vorbescheid Bezug genommen. Die Vertreter der Beschwerdeführerin (Bfin.) haben in der mündlichen Verhandlung unter Anführung von handelsrechtlicher Literatur und Rechtsprechung insbesondere darauf hingewiesen, daß die Begriffe "Gärtnerei und Landwirtschaft", "OHG und KG" und "Auswirkung einer Eintragung als OHG bzw. KG ins Handelsregister" in erster Linie handelsrechtliche Begriffe seien und daher nach den Bestimmungen des Handelsrechts, nicht nach den formalen Bestimmungen des Bewertungsgesetzes (BewG) beurteilt werden müßten. § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG finde auf den Streitfall keine Anwendung. Das Vermögen der Bfin. sei danach als landwirtschaftliches Vermögen zu bewerten. Der Vertreter des Finanzamts hat ausgeführt, daß das Unternehmen nach Umfang und Organisation mehr nach einem gewerblichen Betrieb als nach einem landwirtschaftlichen Betrieb hin orientiert sei. Es sei zu Recht im Handelsregister als KG eingetragen. Die Bfin. habe auch bisher aus der von ihr behaupteten Unrichtigkeit der Eintragung im Handelsregister keine Folgerungen gezogen, weil sie in Wirklichkeit KG sei und es auch bleiben wolle. Im übrigen sei sie auch den Finanzbehörden gegenüber stets als KG aufgetreten.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann nicht zum Erfolg führen.
Maßgebend für die Entscheidung ist § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG. Die Gegenteilige Auffassung der Bfin., daß es auf die Bestimmungen des HGB ankomme, nicht auf diejenigen des BewG, insbesondere nicht auf § 56 Abs. 1 Ziff. 7 a. a. O., ist rechtsirrtümlich. Es ist zutreffend, daß zum Begriff der OHG - entsprechendes gilt für die KG - nach § 105 HGB der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gehört. Schon nach handelsrechtlichen Bestimmungen kann es zweifelhaft sein, ob im Streitfall ein Handelsgewerbe oder ein landwirtschaftlicher (gärtnerischer) Betrieb vorliegt. Auf Würdinger in RGR Komm. zum HGB 2. Auflage § 3 Anm. 2, Staub-Bondi, HGB § 3 Anm. 1 wird Bezug genommen. Die Bfin. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß ihr Betrieb zu 95 v. H. der Urerzeugung und nur zu 5 v. H. gewerblichen Zwecken diene. Dieser Umstand, seine Richtigkeit unterstellt, würde zwar für die Annahme eines landwirtschaftlichen (gärtnerischen) Betriebs sprechen. Indessen handelt es sich bei diesem Vorbringen um eine neue tatsächliche Behauptung, die in der der Rechtsbeschwerdeinstanz wegen der beschränkten Natur dieses Rechtsmittels (ß 288 der Reichsabgabenordnung - AO -) nicht berücksichtigt werden kann. Im übrigen kommt es hierauf auch nicht entscheidend an. Die Bfin. ist 1922 ins Handelsregister als KG eingetragen worden. Seitdem besteht die Eintragung fort. Irgendwelche Schritte zur Beseitigung der ihrer Ansicht nach unzutreffenden Eintragung, etwa eine Anregung an das Registergericht zur Löschung der Eintragung (ß 142 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) hat die Bfin. nicht unternommen. Damit hat sie den Rechtsschein entstehen und fortbestehen lassen, daß sie eine KG ist. Sie muß sich daher im Rechtsverkehr auch als solche behandeln lassen (Schlegelberger, HGB, 3. ergänzte Auflage 2. Bd. § 123 Anm. 15, Weipert in RGR Komm. zum HGB 2. Auflage 2. Bd. § 123 Anm. 18, sowie Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 51 S. 33, Bd. 76 S. 439, Bd. 89 S. 97, Bd. 93 S. 227, Bd. 142 S. 98 ff., besonders S. 104 und Bd. 145 S. 155 ff., besonders S. 158). Nun hat die Bfin. allerdings geltend gemacht, daß sich die Lehre über die Bedeutung des Rechtsscheins bzw. den Vertrauensschutz anderer Personen nur auf die privatrechtliche Haftung gegenüber Dritten beziehe, für das steuerliche Verhältnis zu den Finanzbehörden und Steuergerichten aber ohne Bedeutung sei. Dem mag handelsrechtlich zuzustimmen sein. Indessen hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs für den Bereich des Steuerrechts den ähnlichen Rechtsgrundsatz aufgestellt, daß ein Unternehmen, das als OHG bzw. KG auftrete, sich auch für das Steuerrecht als OHG oder KG behandeln lassen müsse (Urteile des Reichsfinanzhofs I A b 262/29 vom 31. Oktober 1929, Reichssteuerblatt - RStBl - 1930 S. 30; III A 49/28 vom 20. Dezember 1929, Slg. Bd. 26 S. 173; III A 386/29 vom 20. März 1930, RStBl 1930 S. 297; III A 575/30 vom 9. Juli 1931 - Steuer und Wirtschaft 1932 Teil II Nr. 312 -). Der Senat trägt keine Bedenken, dieser Rechtsprechung zu folgen. Die Voraussetzung für ihre Anwendung ist auch im Streitfall erfüllt. Dabei kommt es nicht maßgebend darauf an, ob die Bfin. auf ihrem Briefbogen den Aufdruck oder Zusatz KG trägt, was sie verneint. Maßgebend ist jedoch, daß sich die Bfin. bisher gegenüber den Steuerbehörden in ihren Steuererklärungen insbesondere den Vermögensteuererklärungen als KG bezeichnet hat und sich unwidersprochen als solche hat behandeln lassen. Der Umstand allein, daß sie im Interesse niedrigerer Bemessung der Vierteljahreszahlungen auf die Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz nunmehr einen anderen Standpunkt vertritt, kann ihrem bisherigen Verhalten gegenüber den Steuerbehörden nicht die Grundlage entziehen. Im übrigen wird auch bei Beachtung des Gesamteindrucks von dem Unternehmen der Bfin. dem Vertreter des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung darin zuzustimmen sein, daß sich das Unternehmen nach dem Umfang seiner Geschäftstätigkeit und seiner Betriebsorganisation mehr dem Bild eines Gewerbebetriebs als eines landwirtschaftlichen (gärtnerischen) Betriebs nähert. Dies muß selbst dann gelten, wenn man mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U vom 17. Februar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 262, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 102) davon ausgeht, daß sich in neuerer Zeit die traditionelle bäuerliche Haltung teilweise geändert und vielfach ein mehr kaufmännisches Denken an ihre Stelle getreten ist.
Hiernach ist die Bfin. im Streitfall als KG und ihr Vermögen gemäß § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG als Betriebsvermögen zu behandeln. Aus dem zu den §§ 5, 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und zu § 15 Ziff. 2, 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1939 ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951 (Slg. Bd. 55 S. 449, BStBl 1951 III S. 181) folgt nichts anderes für den hier zu entscheidenden Fall. In dem genannten Urteil ist ausgesprochen, daß einer OHG (KG) die steuerliche Anerkennung nicht lediglich mit der Begründung versagt werden könne, daß außerbetriebliche Gesichtspunkte den Abschluß des Gesellschaftsvertrags veranlaßt haben. Wenn in den Gründen dieses Urteils ausgeführt wird, daß der Reichsfinanzhof die Anerkennung einer OHG (KG) im Gewerbesteuerrecht bei freien Berufen und bei der Landwirtschaft abgelehnt habe, weil hier die Voraussetzungen der §§ 105, 161 HGB nicht erfüllt seien, so ist zu beachten, daß das BewG einen erweiterten Gewerbebegriff kennt. Gemäß § 55 Abs. 1 BewG steht auch die Ausübung eines freien Berufs dem Betrieb eines Gewerbes gleich, und nach § 54 Abs. 3 a. a. O. gilt selbst die Land- und Forstwirtschaft auch nur unbeschadet des § 56 a. a. O. nicht als Gewerbebetrieb. Da nach § 56 Abs. 1 Ziff. 7 a. a. O. alle Wirtschaftsgüter, die Kommanditgesellschaften gehören, einen gewerblichen Betrieb bilden und da im Streitfall das Unternehmen, selbst wenn es handelsrechtlich keine KG sein sollte, mindestens für das BewG als KG zu behandeln ist, ist ihr gesamtes Vermögen mit Recht gemäß der angeführten Bestimmung des BewG als Betriebsvermögen bewertet worden.
Fundstellen
Haufe-Index 408611 |
BStBl III 1957, 14 |
BFHE 64, 36 |