Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung der Besteuerung der Übergeberin und Übernehmerin eines Zweifamilienhauses
Leitsatz (NV)
Erwirbt die Tochter von der Mutter ein Zweifamilienhaus unter Verpflichtung, der Mutter im Hause lebenslang ausreichende Wohnung zu geben, so errechnet sich der Nutzungswert der von der Tochter genutzten Wohnung im eigenen Haus nach dem Einheitswert des Grundstücks. Die Tochter kann deshalb nur die in § 21 a Abs. 3 EStG genannten Aufwendungen geltend machen.
Die Mutter nutzt die ihr überlassene Wohnung unentgeltlich aufgrund einer gesicherten Rechtsposition mit der Folge, daß sie den Nutzungswert dieser Wohnung nach § 21 Abs. 2 EStG zu versteuern hat.
Bei der Besteuerung der Tochter ist der Einheitswert des Hauses im Verhältnis der Wohnfläche der überlassenen Wohnung zur Gesamtfläche des Hauses aufzuteilen. Aufwendungen, die auf die Wohnung der Mutter entfallen, kann sie nicht als Werbungskosten abziehen.
Die Verpflichtung, die Mutter in alten und kranken Tagen zu pflegen, führt als Versorgungsleistung nicht zu Anschaffungskosten (Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84).
Normenkette
EStG § 21a Abs. 1, 2 i.d.F. des 2. HStruktG, § 21 Abs. 2, 1. Alternative, § 21a Abs. 5 S. 1; EStDV §§ 11d, 82a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie lebten in einem der Mutter der Ehefrau gehörenden Zweifamilienhaus. Im Oktober 1981 übertrug die Mutter das Eigentum am Hause auf ihre Tochter. Diese übernahm die das Grundstück belastenden Verbindlichkeiten. Sie verpflichtete sich auch zur lebenslänglichen Zahlung eines Geldbetrages, der dem Mietwert der Wohnung im Obergeschoß entspreche; hierfür wurden zunächst . . . DM monatlich angesetzt. Darüber hinaus verpflichtete sich die Klägerin, ihrer Mutter im Hause lebenslang ausreichende Wohnung zu geben und sie in alten und kranken Tagen zu pflegen. Sofern die Mutter keine Wohnung beanspruche, sollte die Klägerin den zur Unterbringung in einem Pflegeheim erforderlichen Differenzbetrag gegenüber den Einnahmen der Mutter aufbringen. Schließlich verpflichtete sich die Klägerin, ihrer in . . . lebenden Schwester einen Betrag von . . . DM zu zahlen; der Betrag sollte fällig sein, wenn die Schwester ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) verlegte. Für die Mutter wurde ein Leibgeding im Grundbuch eingetragen.
Im Streitjahr bewohnten die Kläger die 87 qm große Erdgeschoßwohnung, die Mutter die 64 qm große Wohnung im Obergeschoß.
In der Einkommensteuererklärung 1982 gingen die Kläger davon aus, daß sie den Mietwert beider Wohnungen zu versteuern hätten. Als Werbungskosten setzten sie Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von den Herstellungskosten und erhöhte Absetzungen nach § 82 a der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) an und berücksichtigten die Zahlungen an die Mutter der Klägerin und den Mietwert der ihr überlassenen Wohnung im Obergeschoß als dauernde Last. Das Finanzamt (- FA -) folgte dem nur teilweise. Im Einspruchsbescheid nahm das FA an, daß die Klägerin lediglich den Mietwert der Wohnung im Erdgeschoß gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 - 2. HStruktG - (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) zu versteuern habe. Die Wohnung im Obergeschoß nutze die Mutter aufgrund einer gesicherten Rechtsposition; der Nutzungswert sei deshalb allein ihr zuzurechnen. Geltend gemachte Aufwendungen nach § 82 a EStDV ließ das FA deshalb nur noch anteilig bei der Klägerin zum Abzug zu. Die monatlichen Zahlungen an die Mutter behandelte das FA als Leibrente und berücksichtigte nur den Ertragsanteil als Sonderausgabe.
Mit ihrer Klage beanspruchten die Kläger den Abzug der Leistungen an die Mutter (Zahlung und Mietwert) als dauernde Last sowie die volle Berücksichtigung der Aufwendungen nach § 82 a EStDV, da der Mutter der Klägerin kein Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung eingeräumt worden sei. Zusätzlich machten sie nunmehr erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG geltend, da die Leistungen aus dem Übergabevertrag Anschaffungskosten darstellten. Das Finanzgericht (FG) folgte dem jedoch nicht und wies die Klage ab.
Hiergegen richtet sich die vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision der Kläger, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
1. Zu Recht hat das FG allerdings der Klägerin den Abzug der gesamten für das Haus angefallenen Aufwendungen versagt.
Die Klägerin hat das Grundstück im Oktober 1981 durch Vertrag unter Lebenden erworben. Sie hat den Nutzungswert der Familienwohnung im eigenen Hause bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern (§ 21 Abs. 2, 1. Alternative EStG). Obwohl die Wohnung in einem Zweifamilienhaus besteht, errechnet sich der Nutzungswert in ihrem Fall aufgrund des Einheitswerts des Grundstücks (§ 21 a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG i. d. F. des 2. HStruktG); eine der in § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG i. d. F. des 2. HStruktG genannten Ausnahmen ist nicht gegeben. Die Klägerin kann deswegen nur die in § 21 a Abs. 3 EStG i. d. F. des 2. HStruktG genannten Aufwendungen geltend machen, soweit sie auf die eigengenutzte Wohnung entfallen.
Dagegen nutzt die Mutter der Klägerin die zweite Wohnung aufgrund eines ihr im Übergabevertrag eingeräumten Nutzungsrechts. Hierin ist entsprechend der Beurteilung durch das FA eine unentgeltliche Überlassung seitens der Klägerin zu sehen. An dieser Einschätzung hat sich durch den BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) nichts geändert; der Große Senat hat vielmehr bestätigt, daß es sich bei der Überlassung des übergebenen Grundstücks zur Nutzung durch den Vermögensübergeber nicht um eine Gegenleistung handelt.
Die Mutter der Klägerin hat aufgrund der Einräumung des Nutzungsrechts im Übergabevertrag eine gesicherte Rechtsposition erlangt (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327; vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366). Ihre unentgeltliche Nutzung aufgrund der gesicherten Rechtsposition hat zur Folge, daß sie den Nutzungswert der ihr überlassenen Wohnung nach § 21 Abs. 2 EStG zu versteuern hat (BFH-Urteile in BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327; vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390); bei der Nutzungswertbesteuerung der Klägerin ist deshalb der Einheitswert des Hauses analog § 21 a Abs. 5 Satz 1 EStG 1983 im Verhältnis der Wohnfläche der überlassenen Wohnung zur Gesamtwohnfläche des Hauses aufzuteilen (Abschn. 164 Abs. 14 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 - EStR 1984 -). Aufwendungen, die auf die Wohnung der Mutter entfallen, kann die Klägerin nicht als Werbungskosten abziehen, weil sie hinsichtlich der von der Mutter genutzten Wohnung nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllt; auch ein Abzug als vorab entstandene Werbungskosten im Hinblick auf eine spätere Eigennutzung kommt nicht in Betracht (BFH in BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327; BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390).
2. Die Klägerin hat allerdings ein gesichertes Nutzungsrecht ihrer Mutter in Abrede gestellt, um dadurch zu erreichen, daß sie den Nutzungswert der überlassenen Wohnung nach § 21 Abs. 1, 1. Alternative EStG selbst versteuert und die entstandenen Aufwendungen, insbesondere die erhöhten Absetzungen, in vollem Umfang als Werbungskosten geltend machen kann.
Im Übergabevertrag ist in der Tat nicht festgelegt, daß der Mutter der Klägerin das Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung zustehen sollte. Das FG ist jedoch im Wege der Auslegung und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handhabung durch die Vertragsbeteiligten zu dem Ergebnis gekommen, daß der Mutter weiterhin die Nutzung der bereits innegehabten Wohnung im Obergeschoß habe zustehen sollen. Die Kläger hatten den beurkundenden Notar als Zeugen dafür benannt, daß der Mutter nicht die Nutzung einer bestimmten Wohnung habe zugewiesen werden sollen. Das FG hat den Beweis nicht erhoben, weil es auch angesichts einer derartigen Absicht auf die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung ankomme. Dem ist zumindest im Ergebnis zuzustimmen. Denn selbst wenn die Vereinbarung nicht dahin ausgelegt werden kann, daß der Mutter das dinglich gesicherte Wohnrecht am Obergeschoß zustehen sollte, besagt sie doch, daß die Vertragsbeteiligten die Ausübung des Wohnrechts im einzelnen festzulegen hätten. Dies ist in der Folge durch Überlassung der Wohnung im Obergeschoß zur weiteren Nutzung geschehen; hierdurch ist das im Übergabevertrag vorgesehene Wohnrecht konkretisiert worden. Da die Klägerin nicht die Möglichkeit hatte, diese Nutzung jederzeit einzuschränken oder überhaupt zu beenden, stand der Mutter auch eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoß zu (vgl. BFH in BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366). Auf den gerügten Verfahrensmangel kommt es daher nicht an.
3. Zu Unrecht hat das FG der Klägerin jedoch Absetzungen nach § 7 b EStG versagt. Wie der Große Senat im Beschluß vom 5. Juli 1990 ausgeführt hat, stellt sich eine Vermögensübertragung insoweit als entgeltliches Geschäft dar, als der Vermögensübernehmer Grundstücksverbindlichkeiten übernimmt oder Gleichstellungsgelder an Geschwister zusagt. Die Klägerin hat damit allerdings nur ein Teilentgelt geleistet. Die Teilentgeltlichkeit führt nicht zur Kürzung der Höchstbemessungsgrundlage des § 7 b Abs. 1 Satz 3 EStG (BFH-Urteil vom 21. März 1989 IX R 58/86, BFHE 156, 201, BStBl II 1989, 778). Zur Berechnung der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG müssen die Anschaffungskosten entsprechend den Grundsätzen im BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83 (BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252) auf das Gebäude und den Grund und Boden aufgeteilt werden. Da die Anschaffungskosten das gesamte Gebäude betrafen, können die Absetzungen von der Klägerin nur für die von ihr genutzte Wohnung beansprucht werden. Der Umfang der übernommenen Verbindlichkeiten steht nicht fest, ebenso nicht der Wert der der Schwester der Klägerin versprochenen Ausgleichszahlung. Stand die Zahlungsverpflichtung unter der aufschiebenden Bedingung der ungewissen Übersiedlung der Schwester in die Bundesrepublik, kann sie allerdings erst nach Bedingungseintritt berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423 unter 3.). War dafür ein bestimmter Zeitpunkt ins Auge gefaßt, kommt auch eine Abzinsung der Verpflichtung und eine Berücksichtigung des abgezinsten Betrags als Werbungskosten in Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601; vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160).
Soweit sich der Übergabevertrag als unentgeltliches Geschäft darstellt, könnte die Klägerin gemäß § 11 d EStDV an die ihrer Mutter als Übergeberin zustehenden Absetzungen anknüpfen. Hinsichtlich der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist ihr dies im Hinblick auf § 21 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EStG i. d. F. des 2. HStruktG versagt. Absetzungen nach § 82 a EStDV a. F. werden nach Abs. 3 dieser Vorschrift vom Abzugsverbot des § 21 a Abs. 3 EStG i. d. F. des 2. HStruktG jedoch nicht erfaßt; die Klägerin kann daher diese Absetzungen fortsetzen, jedoch nur anteilig für die selbst genutzte Wohnung.
4. Die im Übergabevertrag von der Klägerin zusätzlich übernommenen laufenden Zahlungen bilden eine Leibrente und können daher nach bisheriger Rechtsprechung mit dem Ertragsanteil als Sonderausgaben abgezogen werden (vgl. im einzelnen BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Soweit sich hierin aufgrund des Vorlagebeschlusses vom 25. April 1990 X R 38/86 (BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625) eine Änderung der Rechtsprechung ergeben sollte, wird das FG dies ungeachtet der Vorschrift des § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beachten haben (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 126 Rdnr. 23). Dagegen kann die Klägerin den Nutzungswert der überlassenen Wohnung nicht als dauernde Last absetzen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Auch ein Abzug von AfA kommt nicht in Betracht, wohl aber von Reparaturaufwendungen sowie der Aufwendungen für Wasser, Strom und Heizung (BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610); sie sind vom FG nicht festgestellt.
5. Die Sache geht an das FG zurück, damit es die nach Ziff. 3 und 4 erforderlichen Feststellungen trifft.
Fundstellen
Haufe-Index 417742 |
BFH/NV 1991, 673 |