Leitsatz (amtlich)
1. Hat eine OHG vor ihrer Auflösung Rechtsmittel eingelegt, so wird das anhängige Prozeßverfahren durch die Auflösung der Gesellschaft weder unterbrochen noch beendet. Partei des Verfahrens sind die bei Auflösung der Gesellschaft vorhandenen Gesellschafter.
2. Der Ablauf der Verjährung einer Steuerforderung wird nicht dadurch gehemmt, daß wegen der Ablehnung ihres Erlasses ein Rechtsstreit vor den Finanzgerichten geführt wird.
2. Tritt die Verjährung einer Steuerforderung ganz oder teilweise im Laufe eines Rechtsstreits ein, der wegen Ablehnung des Erlasses dieser Steuerforderung vom Antragsteller geführt wird, so ist insoweit das Verfahren in der Hauptsache erledigt.
Normenkette
AO §§ 146a, 148 S. 1; FGO §§ 118, 155; ZPO § 239
Tatbestand
Die Klägerin, eine OHG, hatte vom Juli 1959 bis Februar 1960 Gütertransporte im ungenehmigten Güterfernverkehr ausgeführt, ohne die hierfür zu entrichtende Beförderungsteuer zu bezahlen. Da ungeachtet der mehrfachen Aufforderungen des FA von der OHG weder Voranmeldungen noch Steuererklärungen eingereicht wurden, setzte das FA die im Schätzungswege ermittelte Beförderungsteuer für das Kalenderjahr 1959 zuzüglich Verspätungszuschlag (durch Einspruchsentscheidung) und für Januar bis April 1960 fest. Die Steuerfestsetzungen wurden unanfechtbar.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1960 stellte die Klägerin Antrag auf Erlaß der festgesetzten Beförderungsteuer, der von der OFD mit Verfügung vom 12. Januar 1961 abgelehnt wurde.
Mit einem an den Beklagten und Revisionsbeklagten (BdF) gerichteten Schreiben vom 18. Mai 1961 bat daraufhin die Klägerin um erneute Prüfung ihres Erlaßantrags.
Auch der BdF lehnte jedoch nach Einholung eines Berichts der OFD den begehrten Erlaß der Beförderungsteuer für 1959 und 1960 ab.
Die Klägerin legte dagegen mit Schriftsatz vom 3. April 1962 Berufung ein.
Das FG, das die Entscheidung des BdF als Beschwerdeentscheidung behandelte, wies unter Berücksichtigung des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme die Berufung nach mündlicher Verhandlung als unbegründet zurück.
Gegen das Urteil des FG legte die Klägerin Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ein, mit der sie erneut geltend macht, daß ein Erlaß aus Billigkeitsgründen wegen der schlechten finanziellen Lage ihrer Firma durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Zu dem Erlaßhindernis der Erlaßunwürdigkeit sei die Klägerin vor Erlaß der Beschwerdeentscheidung des BdF überhaupt nicht gehört worden. Wenn das Gericht schließlich festgestellt habe, daß eine Härte in der Sache nicht vorliege, so müsse dem entgegengehalten werden, daß der Gesetzgeber die hier zu entscheidende Frage, wenn er sie geregelt hätte, im Sinne einer Steuerbefreiung der Klägerin behandelt haben würde. Denn auch die Klägerin würde wie jeder andere Antragsteller aufgrund der Sonderstellung des Saarlandes nach dem Anschluß an die Bundesrepublik die Erteilung einer vorläufigen Genehmigung für den Güterfernverkehr erreicht haben, wenn man ihren Gesellschafter nicht ungenügend bzw. unrichtig über die bestehenden Möglichkeiten zur Erlangung einer solchen Genehmigung unterrichtet hätte. In der mündlichen Verhandlung machte der frühere Gesellschafter ergänzend geltend, daß der Betrieb der Klägerin hätte aufrecht erhalten werden können, wenn nicht der Zusammenbruch der OHG durch rigorose Vollstreckungsmaßnahmen des FA herbeigeführt worden wäre. Er sei im übrigen der Meinung, daß die Befördungsteuerforderung des FA in der Zwischenzeit verjährt sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Die rechtzeitig beim FG eingelegte Revision ist zulässig, obwohl die Begründung erst nach Ablauf der in § 289 Abs. 2 AO a. F. hierfür vorgesehenen Frist beim BFH eingegangen ist. Denn nach den damals geltenden gesetzlichen Vorschriften der AO war eine Begründung der Rechtsbeschwerde nicht zwingend vorgeschrieben. Mit der Versäumung der in § 289 Abs. 2 AO a. F. bestimmten Frist ging lediglich die Möglichkeit, Verfahrensrügen zu erheben, verloren.
Das Rechtsmittel der als Klägerin aufgetretenen OHG scheitert auch nicht daran, daß Zweifel an der Entstehung der OHG bestehen. Zwar war die OHG nicht im Handelsregister eingetragen. Auf die Eintragung der OHG im Handelsregister kommt es aber dann nicht an, wenn die OHG ein Grundhandelsgewerbe im Sinne des § 1 HGB betreibt (vgl. Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., Bd. II Tz. 47 zu § 105; Fischer in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Bd. II/1, Anm. 11 und 14 zu § 105; Urteil des BGH vom 13. Januar 1958 II ZR 135/56 in Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 3 zu § 133 HGB). Ein solches Grundhandelsgewerbe stellt aber sowohl der nach § 2 des Gesellschaftsvertrages zunächst unterhaltene Betrieb einer Einzelhandlung mit Kohlen und Brennholz als auch das nach der Umstellung des Betriebes im Jahre 1959 von der OHG geführte Transportunternehmen der Autofrächterei dar. Da der geltend gemachte Erlaßanspruch nur als Ausfluß des in den Jahren 1959 und 1960 von der OHG betriebenen Transportgeschäftes hätte entstehen können, konnte der Erlaßantrag von der Klägerin selbst dann noch gestellt und das Rechtsmittelverfahren von ihr eingeleitet werden, wenn die OHG ihren Betrieb schon 1963 eingestellt und über ihr Vermögen durch formlose Liquidation verfügt haben sollte. Im übrigen führt die in der Folgezeit tatsächlich eingetretene Auflösung der OHG nicht zu einer Unterbrechung oder gar Beendigung des von ihr eingeleiteten Rechtsmittelverfahrens, sondern bewirkt nur, daß als Partei an Stelle der erloschenen OHG nunmehr ihre Gesellschafter getreten sind. Das führt zwar zu einer Änderung der Parteibezeichnung von Amts wegen; sachliche Folgen ergeben sich hieraus aber nicht (vgl. hierzu Urteil des RG vom 19. Februar 1929 II 296/28, RGZ 124, 146 ff.). Da im Streitfall die klagende OHG bei Beginn des von ihr geführten Rechtsstreits ohne Zweifel noch existent war, muß deshalb auch nach ihrer Auflösung das von ihr eingeleitete Rechtsmittelverfahren ohne Unterbrechung fortgesetzt und über die von dem früheren Gesellschafter zugleich in Vollmacht seines Bruders erhobene Revision sachlich entschieden werden.
2. Die Verjährungsfrage, auf die die Revisionskläger in der mündlichen Verhandlung besonders hinwiesen, war auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten, weil es sich dabei um einen rein rechtlichen Einwand gegen den Fortbestand derjenigen Steuerforderungen handelt, deren Erlaß im Streitfall begehrt wird. Der Einwand ist auch rechtlich erheblich. Sollte nämlich die Verjährung tatsächlich eingetreten sein, so hätte dies nach § 148 AO n. F. ohne weiteres das Erlöschen der verjährten Steuerforderungen zur Folge, so daß sich insoweit eine Entscheidung über das Erlaßbegehren der Kläger erübrigen würde, der Streit um den Erlaß der Forderungen vielmehr in der Hauptsache als erledigt zu betrachten wäre. Der Einwand ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil seit Festsetzung der im Streit befangenen Steuerforderungen etwa 14 Jahre vergangen sind und weil die letzten aus den vorliegenden Akten ersichtlichen Maßnahmen zur Einziehung oder Beitreibung der unanfechtbar gewordenen Steuerforderungen aus dem Jahre 1962 datieren, also ebenfalls mehr als 10 Jahre zurückliegen. Auch wenn diese nach der früheren Fassung der AO zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung der AO und anderer Gesetze vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643) über das Inkrafttreten der Neufassung der AO hinaus wirksam bleiben, weil es sich hier um die Verjährung von Abgabeansprüchen aus der Zeit vor 1965 handelt, so würde ihre Unterbrechungswirkung doch inzwischen beendet sein, wenn nicht in der Zwischenzeit neue bis in die Gegenwart wirkende Unterbrechungshandlungen seitens der Finanzbehörde durchgeführt worden sind. Dazu enthält jedoch das bereits 1964 ergangene Urteil des FG keine Feststellungen.
Entgegen der vom FG Berlin in dem Urteil vom 25. Juni 1968 IV 99/67 (EFG 1968, 593) vertretenen Auffassung wird der Ablauf der Verjährungsfrist durch das anhängige Rechtsmittelverfahren wegen Ablehnung des Erlaßantrags nicht gehemmt. Denn nach § 146a AO n. F. tritt eine Hemmung der Verjährung nur im Falle der Anfechtung der Abgabenforderung selbst ein; eine analoge Anwendung des sich auf einen anderen Tatbestand beziehenden § 212 BGB ist nicht möglich (ebenso Tipke-Kruse, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 6. Aufl., Tz. 2 Abs. 2 zu § 146a AO; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 4 zu § 146a AO). Deshalb bedarf die Frage, ob in dem Zeitraum nach 1962 eine weitere bis in die Gegenwart wirkende Unterbrechung der Verjährung stattgefunden hat, weiterer Klärung.
Die Sache geht nach Aufhebung des angefochtenen Urteils zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück, das in erster Linie die Frage der Verjährung zu prüfen haben wird. Sollte sich dabei ergeben, daß die Beförderungsteuerforderungen des FA ganz oder teilweise verjährt sind, so wäre insoweit das anhängige Erlaßverfahren als in der Hauptsache erledigt zu behandeln. Soweit eine solche Verjährung nicht eingetreten sein sollte, wird das FG erneut über das Erlaßbegehren der Kläger zu entscheiden haben, wobei auch das Vorbringen der Kläger in der Revisionsinstanz und insbesondere der von ihnen in der mündlichen Verhandlung überreichte Schriftsatz zu berücksichtigen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 70985 |
BStBl II 1974, 620 |
BFHE 1974, 449 |