Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden Wirtschaftsgüter durch einen Kaufmann im Tauschwege erworben, so bemessen sich ihre Anschaffungskosten nach dem gemeinen Wert der hingegebenen Gegenstände.
Verwendet ein Kaufmann bei der Herstellung von Wirtschaftsgütern eigenes Material, so ist es bei der Berechnung der Herstellungskosten mit seinem Buchwert anzusetzen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 1, § 6/1/2
Tatbestand
Die Bfin., eine OHG, betreibt ein Zementwerk. Sie hat durch eine Baufirma für ihren Betrieb Bauwerke errichten lassen. Streitig ist, mit welchem Betrag diese Bauwerke zu aktivieren sind.
Das Finanzgericht stellt den Tatbestand wie folgt dar: "Streitig ist, wie die von der Bfin. hergestellten und an diese andere Firma zur Verwertung bei den für DIE Bfin. errichteten Bauwerken gegebenen und mit den Baukosten verrechneten 55 t Zement innerhalb der Anschaffungskosten der Bauwerke zu bewerten sind, ob mit den der Bfin. entstandenen Herstellungskosten von 35 DM je t - wie die Bfin. meint - oder mit dem durchschnittlichen Verkaufspreis von 50 DM je t, den das Finanzamt angesetzt hat".
Abweichend hiervon wird im Schriftsatz der OHG im Berufungsverfahren vom 18. März 1959 ausgeführt:
"Im Jahre 1955 sind von der Firma X. aktivierungspflichtige Bauleistungen erstellt worden, die mit 55 t Zement aus eigener Produktion bezahlt worden sind. Als Wertansatz für den hingegebenen Zement wurden die Herstellungskosten zugrunde gelegt, die von der finanzamtlichen Betriebsprüfung mit 35 DM je t ermittelt worden sind. Im Feststellungsbescheid ... ist hingegen vom Finanzamt der Zement mit 50 DM je t bewertet worden, was dem durchschnittlichen Verkaufspreis entspricht. ... Die bei Ausbau und Erhaltung eines Betriebsgebäudes notwendigen Bauleistungen bezahlte die OHG mit Zement, den sie dadurch größtenteils zusätzlich zu den bereits verkauften Mengen absetzt".
Das Finanzgericht war im Berufungsverfahren der Ansicht, daß es sich um ein Tauschgeschäft handle, bei dem der Zement mit dem gemeinen Wert von 50 DM, also nicht mit dem Teilwert von 35 DM anzusetzen sei. Es stütze sich hierbei in der Hauptsache auf das Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 30, insbesondere S. 32, Slg. Bd. 68 S. 78). Es sei zutreffend, daß unter bestimmten Verhältnissen (Zwangstausch, wirtschaftliche Identität der Tauschgegenstände) keine Gewinnrealisierung beim Tausch eintrete. Im Streitfall sei aber eine Funktionsgleichheit der getauschten Güter nicht gegeben. Es müsse deshalb der gemeine Wert von 50 DM pro Tonne bei Berechnung der Anschaffungskosten der Betriebsgebäude angesetzt werden. Im einzelnen ist das Urteil des Finanzgerichts im Mitteilungsblatt der Steuerberater 1960 S. 76 wiedergegeben (siehe auch Finanz-Rundschau 1960 S. 495).
Die Rb. der OHG wiederholt ihr Vorbringen im bisherigen Verfahren und stützt sich für ihre Ansicht insbesondere auch auf die Beurteilung in den Kommentaren zum Handelsrecht.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. der OHG ergibt folgendes:
Der Senat geht zunächst von dem Tatbestand aus, wie er sich aus der Darstellung der OHG ergibt und vermutlich auch der Wirklichkeit entspricht. Er nimmt an, daß der Preis für die Bauvorhaben durch Lieferung von Zement abgedeckt worden ist. Hierbei läßt er es dahingestellt, ob es sich bei derartigen Vorgängen bürgerlich-rechtlich um einen Tausch (ß 515 BGB) oder um eine Leistung an Erfüllungs Statt (ß 364 BGB) handelt. Steuerlich kommt dieser Unterscheidung für das Streitproblem keine Bedeutung zu.
Auch bei erneuter Prüfung der Frage bleibt der Senat bei der Ansicht, daß beim Tausch von Wirtschaftsgütern der gemeine Wert den Tauschwert darstellt und in Höhe des Unterschiedsbetrages zum Buchansatz Gewinn realisiert wird. Gemeiner Wert ist der Betrag, der sich für das hingegebene Wirtschaftsgut als Preis bei einem Bargeschäft zwischen den Vertragsparteien ergeben hätte. Es ist somit ein Unterschied, ob Abnehmer ein Großhändler, ein Detaillist oder ein Verbraucher ist, des weiteren ob größere oder kleinere Mengen abgenommen werden. Es mag zutreffen, daß bei Anlagegütern der gemeine Wert im Sinne dieser Ausführungen sich meist mit dem Teilwert deckt. Bei Waren eines Fabrikationsbetriebes liegt aber der Teilwert um die Gewinnspanne unter dem gemeinen Wert. Die Vorinstanz hat zutreffend nicht den Teilwert von 35 DM je Tonne, sondern den gemeinen Wert von 50 DM der Berechnung der Herstellungskosten der Betriebsgebäude zugrunde gelegt.
Wie die Bfin. ausführt, werden in der Literatur für das Handelsrecht abweichende Auffassungen vertreten, so z. B. in den Kommentaren zum Aktienrecht von Adler-Düring-Schmaltz (ß 133 Randziffer 36), Teichmann-Koehler, 3. Aufl. (ß 133 Anm. 2 a), Godin-Wilhelmi, 2. Aufl. (ß 133 Anm. 2 a). Bei Berechnung der Anschaffungskosten des eingetauschten Wirtschaftsgutes dürften höchstens die Anschaffungskosten des vertauschten Wirtschaftsgutes zugrunde gelegt werden.
Die Streitfrage war bereits beim Reichsfinanzhof Gegenstand umfangreicher Erörterungen. Im einzelnen siehe hierzu Wetter, Deutsches Steuerblatt 1930 Sp. 107, 110 ff., sowie insbesondere Becker, Erläuterungsbuch zum Einkommensteuergesetz 1925, §§ 19 bis 21, Bem. 139 a (S. 916 II). Nach Becker muß selbst dann, wenn für die Berechnung der Anschaffungskosten des eingetauschten Gutes die Ansetzung des gemeinen Wertes des weggegebenen Gegenstandes handelsrechtlich für unzulässig erklärt werden sollte, steuerlich an der Gewinnrealisierung festgehalten werden. Wenn die vertauschten Gegenstände nichts miteinander zu tun hätten, dürfe der eingetauschte Gegenstand nicht als bereits am Schlusse des vorangegangenen Steuerabschnitts zum Betriebsvermögen gehörig betrachtet werden. Als Anschaffungspreis des übernommenen Gegenstandes könne nur, wenn man nicht zu gewaltsam gekünstelter Auslegung kommen wolle, der gemeine Wert (Teilwert) des weggegebenen Gegenstandes in Frage kommen. Aber auch wenn man dieser Wortauslegung kein Gewicht beimesse, sei das Ergebnis steuerrechtlich durch den Satz genügend begründet, daß der Gewinn mit seiner Realisierung erfaßt werden müsse.
In den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs und in der Literatur zu dem Rechtsproblem wird häufig der gemeine Wert mit dem Teilwert gleichgesetzt. Es muß hierbei beachtet werden, daß die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zum EStG 1925 ergangen und der "Teilwert" von der Rechtsprechung zur Auslegung des Gesetzesbegriffes "gemeiner Wert" (ß 19 EStG 1925) entwickelt worden ist. Entscheidend war der Grundsatz der Gewinnverwirklichung bei Tauschgeschäften. Weder die Anschaffungskosten (Herstellungskosten) des vertauschten Gutes noch sein Buchwert können hiernach der Berechnung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des eingetauschten Wirtschaftsgutes zugrunde gelegt werden. Der Gewinn wird in Höhe des Unterschiedes des Buchansatzes des vertauschten Gegenstandes zu seinem Tauschwert (Barwert) im Rahmen des getätigten Geschäftes realisiert. Es muß deshalb für das EStG 1934 zwischen dem Teilwert und dem gemeinen Wert im Sinne der oben gemachten Ausführungen unterschieden werden. Der Teilwert kann vom gemeinen Wert nach oben (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 207/53 U vom 19. Juni 1956, BStBl 1956 III S. 224, Slg. Bd. 63 S. 70, Gebrauchtwarenmarkt für Kraftwagen) und nach unten (Waren, die ein Fabrikationsbetrieb erzeugt, als Tauschgut) abweichen.
Daß die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bei der Frage der Gewinnrealisierung im Ergebnis auch vom Tauschwert (Barwert) des vertauschten Wirtschaftsgutes ausgegangen ist, wird man nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1100/25 vom 20. Januar 1926, RStBl 1926 S. 192, und ihrer Besprechung von Wetter a. a. O. annehmen müssen. Auch Becker erwähnt sie in den oben mitgeteilten Ausführungen. Die Entscheidung legt der Berechnung der Gewinnrealisierung den tatsächlichen Wert des abgeholzten Waldes zugrunde. Auch der Oberste Finanzgerichtshof geht in seiner Entscheidung I 11/48 S vom 28. Juli 1948 (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1948 S. 264, Slg. Bd. 54 S. 254) von gleichartigen Grundsätzen aus.
Die Vorinstanzen haben deshalb zutreffend den Tauschwert der Berechnung der Gewinnrealisierung zugrunde gelegt. Liegt somit ein Tauschgeschäft (Leistung an Erfüllungs Statt) im oben dargestellten Sinne vor, so ist die Rb. unbegründet.
Anders ist jedoch die Rechtslage, wenn der Zement ganz oder teilweise bei den durch die Firma errichteten Bauten verwertet und der Baupreis der Herstellerfirma um die Kosten für den Zement verringert worden ist. In diesem Fall gehört der Zement zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Bauherrn. Es handelt sich dann um kein Tauschgeschäft. Die Firma verwertet ihren Zement im Betriebe selbst. Die Kosten des Bauwerkes setzen sich aus dem eigenen unmittelbaren Aufwand (Zement) und den Baukosten in Form der Leistungen an die Baufirma zusammen. Wie in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 14/55 U vom 16. August 1955 (BStBl 1955 III S. 306, Slg. Bd. 61 S. 283) und I 111/54 U vom 31. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 86, Slg. Bd. 62 S. 230) ausgeführt wird, tritt in derartigen Fällen keine Gewinnrealisierung gegenüber dem Buchansatz ein. Siehe auch die Rechtsprechung des Umsatzsteuersenates des Bundesfinanzhofs zur Frage der Materialbeistellung im Umsatzsteuerrecht, so Entscheidung V 116/52 U vom 17. September 1953 (BStBl 1953 III S. 347, Slg. Bd. 58 S. 147). Da der Zement in der Bilanz mit seinen Anschaffungskosten (35 DM je Tonne) angesetzt ist, könnte er nur in dieser Höhe die Herstellungskosten des Bauwerkes erhöhen.
Der Tatbestand, wie er sich aus den Akten und aus der Vorentscheidung ergibt, ist nicht vollkommen eindeutig. Es erscheint deshalb notwendig, zur Nachprüfung dieser auf tatsächlichem Gebiet liegenden Frage die Sache an das Finanzamt zurückzugeben. Es hat auf Grund seiner Ermittlungen unter Berücksichtigung der oben dargelegten Rechtsgrundsätze zu entscheiden.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung werden deshalb aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409825 |
BStBl III 1960, 492 |
BFHE 1961, 649 |
BFHE 71, 649 |
BB 1960, 1316 |
DB 1960, 1380 |