Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand
Leitsatz (NV)
Die für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand entwickelten Grundsätze (BFH-Urteile vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374, HFR 1991, 426, und vom 6. September 1995 II R 76/92, BFHE 178, 235, BStBl II 1995, 799, HFR 1996, 25) gelten auch für die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Dementsprechend liegen im Fall des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung u. a. dann nicht vor, wenn entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringert.
Normenkette
GrEStG 1983 § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 2. November 1988 einen aus mehreren Teileigentumseinheiten bestehenden Grundbesitz zu einem Kaufpreis von ... DM. Verkäuferin der Grundstücke war die A-GmbH & Co. KG (A-KG). Gesellschafter der Klägerin und der A-KG waren die A-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin ohne kapital mäßige Beteiligung sowie als Kommanditisten die B-GmbH, die C-GmbH sowie die D-GmbH; die Kommanditistinnen waren im Erwerbszeitpunkt (2. November 1988) am Vermögen beider Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 15. August 1988 sollte Zweck der Klägerin der Erwerb, der Betrieb sowie die Verwertung von Verbrauchermärkten, Einkaufszentren und SB-Warenhäusern sein. Die Hafteinlage der o. g. Kommanditisten sollte ... DM betragen.
Die von der Klägerin erworbenen Teileigentumseinheiten waren Teile eines größeren Einkaufszentrums mit Büroflächen und Parkhaus. Die gesamte vermietbare Nutzfläche beträgt ... qm. Das Parkhaus umfaßt ca. ... Stellplätze. Der Erwerb dieser Teileigentumseinheiten sollte durch die Neuaufnahme von Kommanditisten in die Klägerin, die als Fonds-Gesellschaft fungieren sollte, erfolgen. Nach dem hierzu von der A-GmbH herausgegebenen Angebotsprospekt vom November 1988 sollte das Gesamtinvestitionsvolumen ... DM betragen und durch eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals auf ... DM sowie durch Bankdarlehen in Höhe von ... DM aufgebracht werden. Das von neu aufzunehmenden Gesellschaftern aufzubringende Kapital (Zeichnungskapital) sollte ... DM betragen.
Durch Bescheid vom 23. November 1988 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für den Erwerb aufgrund des Vertrages vom 2. November 1988 Grunderwerbsteuer fest. Bei der Ermittlung der Höhe der Gegenleistung zog es von dem vereinbarten Kaufpreis einen Betrag von ... DM wegen des gleichzeitigen Erwerbs von Betriebsvorrichtungen ab und stellte einen Anteil von ... gemäß § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 steuerfrei. Die von der Klägerin beantragte vollständige Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 lehnte es ab. Auch der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Befreiungsbegehren der Klägerin nach § 6 Abs. 3 GrEStG 1983. Unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Hamburg vom 25. März 1993 II 102/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1994, 53) hat das FG ausgeführt, die restriktiven Auslegungsregeln, die der Bundesfinanzhof (BFH) zu § 15 GrEStG 1983 entwickelt habe, seien auf die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 nicht übertragbar. Anders als in den Fällen des § 5 GrEStG 1983 sei in den Fällen des § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 das Grundstück bereits vor der Übertragung einem Gesamthandsvermögen zugeordnet, so daß bereits vor der Übertragung des Grundstücks die Möglichkeit bestehe, Anteile an der das Grundstück besitzenden Gesamthand ohne Grunderwerbsteuerbelastung zu übertragen. Im übrigen sei die den § 5 GrEStG 1983 einengend interpretierende Rechtsprechung des BFH auch deshalb nicht auf § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 übertragbar, weil § 6 GrEStG 1983 in seinem Abs. 4 bereits eine einschränkende Regelung enthalte, durch die bezweckt werde, objektiven Steuerumgehungen vorzubeugen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA.
Dieses rügt fehlerhafte Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Finanzministerium (FinMin) des Bundeslandes, das dem Verfahren beigetreten ist, hat sich dem Revisionsbegehren des FA angeschlossen und ausgeführt, die Rechtsprechung des BFH zu § 5 GrEStG 1983 beruhe auf dem Gedanken, daß eine -- anteilige -- Befreiung eines Erwerbs durch eine Gesamthandsgemeinschaft nur insoweit gerechtfertigt sei, als eine dingliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen jedenfalls im Zeitpunkt des Erwerbs dauerhaft gewollt sei. Dieser Gedanke gründe nicht auf einer wie auch immer gearbeiteten Umgehungsgefahr, sondern auf einer Auslegung der §§ 5 bis 7 GrEStG 1983, die der zivilrechtlichen Zuordnung des Gesamthandsvermögens Rechnung trage. Sie sei deshalb nicht auf den Erwerb von einem Alleineigentümer beschränkt, sondern in gleicher Weise beim Erwerb von einem Bruchteilseigentümer oder von einer anderen Gesamthandsgemeinschaft heranzuziehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der Senat vermag der Auffassung des FG nicht zu folgen, daß der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin aufgrund des Vertrages vom 2. November 1988 insgesamt gemäß § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sei.
Der erkennende Senat hat für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand durch Auslegung des Gesetzes nach seinem Sinn und Zweck entschieden, daß die Steuerbefreiung nur dann gewährt werden könne, wenn sich das bisherige Alleineigentum auch tatsächlich am Gesamthandseigentum fortsetze, insbesondere die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen den einbringenden Gesellschafter -- wenn auch nur anteilig -- als Gesamthandsberechtigten treffen. Begünstigungsfähig ist danach der Erwerb durch die Gesamthand nur in dem Ausmaß, in dem der Einbringende (Veräußerer) am Wert des Grundstücks beteiligt bleibt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn und soweit der einbringende Gesellschafter entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeit lichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138; vom 20. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).
Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983, denn die Begünstigung des Erwerbs von Grundstücken beim Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, soweit die Berechtigung der Gesamthänder am gesamthänderisch gebundenen Vermögen in beiden Gesamthandsgemeinschaften übereinstimmt, beruht -- wie die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 -- auf der Erwägung, daß trotz des Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit die bisherigen Gesamthänder über ihre Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleiben (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1996 II R 52/93, BFHE 180, 472).
Dementsprechend liegen im Fall des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung u. a. dann nicht vor, wenn entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringert.
Das auf anderen rechtlichen Überlegungen beruhende Urteil des FG ist aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat auf Grund seiner im Urteil vertretenen Rechtsauffassung nicht geprüft, ob die einzuschränkenden, auch für § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 geltenden Voraussetzungen, unter denen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG 1983 gewährt werden kann, im Streitfall vorliegen, und die insoweit notwendigen Feststellungen nicht getroffen. Dies hat das FG nunmehr nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 421557 |
BFH/NV 1997, 146 |