Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Zustellung bei Flucht des Zustellungsempfängers
Leitsatz (NV)
1. Wegen des Anspruchs des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör ist die Zustellungsfiktion des § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist.
2. Bei einer auf Verheimlichung des Aufenthaltsorts gerichteten Handlungsweise eines Zustellungsempfängers erscheint es unbillig und ungerechtfertigt, besonders eingehende Ermittlungen des Zustellenden zu fordern. In diesem Fall obliegt es dem Zustellungsempfänger, entweder dem Zustellenden seinen Aufenthaltsort mitzuteilen oder eine Person zu benennen, die ermächtigt ist, für ihn das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 18. März 1971 V R 25/67, BFHE 102, 20, BStBl II 1971, 555).
3. Befindet sich ein Steuerpflichtiger auf der Flucht, um sich einer Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung zu entziehen, erfüllt das FA seine Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthalt des Steuerpflichtigen allgemein unbekannt ist, wenn sie versucht, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch die Meldebehörde oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. beim Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen erkundigt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; AO 1977 § 122 Abs. 5, § 366; VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Ehefrau des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) stellte in den Jahren 1993 bis 1995 (Streitjahre) Rechnungen über Leistungen eines Güterverkehrsunternehmens aus, das auf ihren Namen angemeldet war und für das sie Umsatzsteuererklärungen beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) einreichte. Die Eheleute lebten zumindest in den Jahren 1999 und 2000 getrennt.
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Ehefrau des Klägers, die das FA zunächst als Unternehmerin angesehen hatte, gab der Kläger an, dass er der eigentliche Unternehmer sei und seine Ehefrau mit dem Unternehmen nichts zu tun gehabt habe. Sie habe nur ihren Namen zur Verfügung gestellt und diverse Unterlagen, welche er, der Kläger, ihr vorgelegt habe, ungeprüft unterschrieben. Sie habe lediglich den einen oder anderen Botengang übernommen, aber von der eigentlichen Tätigkeit nichts gewusst.
Das FA folgte diesen Angaben und erließ gegenüber dem Kläger Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es den Kläger als Unternehmer ansah, aber die zuvor bei der Ehefrau berücksichtigten Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zuließ, weil die Eingangsrechnungen nicht auf den Namen des Klägers, sondern auf den Namen seiner Ehefrau lauteten.
Gegen die Umsatzsteuerbescheide legte die vom Kläger bevollmächtigte Steuerberaterin in seinem Namen Einspruch ein. Mit Schreiben vom 12. April 2000 teilte die Steuerberaterin mit, dass das Mandat nicht mehr bestehe und die Empfangsvollmacht erloschen sei. Die aktuelle Wohnanschrift des Klägers sei ihr nicht bekannt. Der Kläger hatte sich mittlerweile seiner Verhaftung und einem durchzuführenden Steuerstrafverfahren durch Flucht entzogen. Nachdem zwei Anfragen des FA an das Einwohnermeldeamt (Mitte 1999 und im November 2000) ergeben hatten, dass der Kläger nicht mehr unter seiner alten Anschrift wohnhaft, unbekannt verzogen und von Amts wegen abgemeldet worden war und dass dem Einwohnermeldeamt die neue Anschrift des Klägers nicht bekannt war, stellte das FA die Einspruchsentscheidung vom 29. November 2000, mit der es u.a. die Einsprüche des Klägers gegen die Umsatzsteuerbescheide als unbegründet zurückwies, öffentlich zu.
Im März 2002 meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers beim FA und erkundigte sich nach dem Stand des Einspruchsverfahrens. Daraufhin übersandte ihm das FA am 2. April 2002 eine Kopie der Einspruchsentscheidung, worauf der Kläger am 2. Mai 2002 Klage erhob. Er nannte dem Finanzgericht (FG) seine Anschrift nicht, weil bei deren Offenlegung die ernsthafte Gefahr bestehe, dass er zu seiner eigenen Verhaftung beitrage.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1357 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der Kläger habe die Klagefrist nicht eingehalten. Die öffentliche Zustellung der Einspruchsentscheidung sei zulässig gewesen. Weder die getrennt lebende Ehefrau des Klägers noch der Bevollmächtigte der Ehefrau des Klägers in deren Einspruchsverfahren seien "taugliche Erkenntnismittel" gewesen, bei denen das FA hätte anfragen müssen, bevor es die Einspruchsentscheidung öffentlich zustellte. Dies gelte umso mehr, als sich der Kläger durch Flucht der Strafverfolgung entzogen habe und auf Grund eines Haftbefehls seine Anschrift nicht offenbare. Anfragen wären deshalb erfolglos geblieben. Die öffentliche Zustellung selbst sei nicht zu beanstanden. Das werde von den Beteiligten nicht bestritten.
Der Kläger legte Revision ein. Seine Anschrift gab er auch dabei nicht an. Er rügt Verletzung von § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 122 Abs. 5, § 366 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 15 Abs. 1 Buchst. a des Verwaltungszustellungsgesetzes --VwZG-- (BGBl I 1952, 379) und führt aus: Die Klage sei rechtzeitig erhoben worden, weil die Einspruchsentscheidung erst mit der Übersendung an seinen jetzigen Bevollmächtigten wirksam bekannt gegeben worden sei. Die öffentliche Zustellung sei unzulässig gewesen, weil das FA nicht alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft habe. Das FA hätte sich bei seiner, des Klägers, Ehefrau oder deren Bevollmächtigten nach seiner Wohnanschrift erkundigen können. Sein Aufenthaltsort sei seiner Ehefrau bekannt gewesen; diese habe zudem aufgrund von Haftungsbescheiden des FA ein notwendiges Eigeninteresse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens. Hieran ändere weder das Getrenntleben der Eheleute noch seine Flucht etwas.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es macht geltend, eine Nachfrage bei der getrennt lebenden Ehefrau des Klägers sei schon deshalb entbehrlich gewesen, weil sie im Rahmen einer Vernehmung am 28. Dezember 1999 eine neue Anschrift des Klägers nicht habe nennen können. Das FA habe daher angenommen, dass der Ehefrau des Klägers sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen sei. Außerdem sei für den Fall, dass jemandem daran gelegen sei, seinen Aufenthaltsort zu verschleiern, und deshalb unbekannt verziehe, nicht davon auszugehen, dass dessen Ehefrau die neue Anschrift den Behörden preisgebe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage verspätet eingelegt wurde.
1. Die Frist für die Erhebung einer Klage beträgt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung kann nach § 366, § 122 Abs. 5 AO 1977 auf Anordnung des FA durch Zustellung nach den Vorschriften des VwZG erfolgen.
Bei Erhebung der Klage war die Klagefrist bereits abgelaufen. Das FA hat die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung der Einspruchsentscheidung i.S. des § 15 Abs. 2 VwZG am 29. November 2000 ausgehängt. Den formalen Erfordernissen des § 15 Abs. 2 und 3 VwZG, von denen die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung abhängig ist (§ 15 Abs. 5 Satz 3 VwZG), ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG genügt. Enthält das zuzustellende Schriftstück --wie im Streitfall-- keine Ladung, so ist es an dem Tage als zugestellt anzusehen, an dem seit dem Tage des Aushängens zwei Wochen verstrichen sind (§ 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG). Die Einspruchsentscheidung gilt danach am 13. Dezember 2000 als zugestellt (§ 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG, § 122 Abs. 5 AO 1977). Die Klagefrist begann am 14. Dezember 2000 (§ 47 Abs. 1 und § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--, § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) und endete am 15. Januar 2001 (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB).
2. Die öffentliche Zustellung war wirksam. Das FA durfte die Einspruchsentscheidung an den Kläger öffentlich zustellen, weil sein Aufenthaltsort unbekannt war.
a) Nach § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG i.V.m. § 122 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 kann "durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist …".
aa) Wegen des Anspruchs des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) ist die Zustellungsfiktion des § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 26. Oktober 1987 1 BvR 198/87, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1988, 2361; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. Dezember 2001 VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311). § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG setzt deshalb voraus, dass nicht nur die betreffende Behörde die Anschrift nicht kennt, sondern der Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers allgemein unbekannt ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juni 2000 VII R 55/99, BFHE 192, 200, BStBl II 2000, 560; vom 18. März 1971 V R 25/67, BFHE 102, 20, BStBl II 1971, 555; Nr. 19 Abs. 2 Buchst. a der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungszustellungsgesetz vom 13. Dezember 1966, BStBl I 1966, 969). Sie ist nur als "letztes Mittel" zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1991 VII B 25/91, BFH/NV 1992, 610; BGH-Urteil vom 6. April 1992 II ZR 242/91, BGHZ 118, 45).
bb) Die Anforderungen an die Behörde dürfen jedoch im Einzelfall nicht überspannt werden. Unzumutbare Anforderungen sind an den Zustellenden nicht zu stellen; es genügt der Nachweis, dass er alle der Sache nach möglichen und geeigneten Nachforschungen angestellt hat (Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 20. März 1997 22 W 374/97, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1998, 124, 125, m.w.N.). Die Behörde genügt ihrer Prüfungspflicht in aller Regel, wenn sie versucht, die Anschrift des Adressaten durch das Einwohnermeldeamt oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. bei einem Bevollmächtigten erkundigt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 2001 VI S 25/00, BFH/NV 2001, 802; vom 4. August 1992 VII B 93/92, BFH/NV 1993, 701; vom 26. Juni 1986 IV R 202/84, BFH/NV 1987, 98; vom 17. Oktober 1985 IV B 67/85, BFH/NV 1986, 576); die öffentliche Zustellung ist zulässig, wenn die Behörde durch unrichtige Auskünfte Dritter, die sie nicht durchschauen konnte, zu der Annahme verleitet wird, der Empfänger sei unbekannten Aufenthaltsortes (vgl. BFH-Beschluss vom 13. März 2003 VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609, m.w.N.). Dass ein Angehöriger den Aufenthaltsort des Empfängers dennoch kennt, ist unerheblich und reicht nicht aus, um das Vorliegen der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung in Frage zu stellen; denn die Möglichkeit, dass der Aufenthaltsort einer Person irgend jemandem bekannt ist, liegt stets vor.
b) Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die öffentliche Zustellung wirksam ist. Das FA hat seinen (regelmäßigen) Ermittlungspflichten im Streitfall genügt. Eine zweimalige Nachfrage beim Einwohnermeldeamt, zuletzt unmittelbar vor der öffentlichen Zustellung, ergab, dass der Aufenthaltsort des Klägers unbekannt und der Kläger unbekannt verzogen war. Die Bevollmächtigte des Klägers im Einspruchsverfahren hatte dem FA mitgeteilt, dass die Empfangsvollmacht nicht mehr besteht, und wusste ebenfalls nicht, wo sich der Kläger aufhält. Eine Nachfrage des FA bei der Polizeibehörde war schon deshalb entbehrlich, weil dem FA bekannt war, dass der Kläger erfolglos mit Haftbefehl gesucht wurde. Zu weiteren Ermittlungen war das FA deshalb nicht verpflichtet.
c) Soweit der Kläger einwendet, dem FA habe sich darüber hinaus eine Nachfrage bei seiner getrennt lebenden Ehefrau aufdrängen müssen, greift dieser Einwand im Streitfall nicht durch.
aa) Das FG hat insoweit die Nachfrage bei der Ehefrau des Klägers für entbehrlich erachtet, weil die Eheleute getrennt lebten. Das FG hat überdies ausdrücklich festgestellt, dass Anfragen bei der Ehefrau des Klägers erfolglos geblieben wären.
bb) Diese Schlussfolgerung des FG hält vorliegend einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger seinerzeit auf der Flucht befand, um sich einer Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung zu entziehen, und deshalb daran interessiert war, den Behörden seinen Aufenthaltsort nicht bekannt zu geben. Bei einer solchen, auf Verheimlichung des Wohnsitzes gerichteten Handlungsweise eines Steuerpflichtigen erscheint es unbillig und ungerechtfertigt, besonders eingehende Ermittlungen des FA zu fordern, die im Regelfall notwendig sind (BFH-Urteil in BFHE 102, 20, 22, BStBl II 1971, 555, 556 f.; vgl. BGH-Beschlüsse vom 14. Februar 2003 IXa ZB 56/03, Höchstrichterliche Rechtsprechung --HFR-- 2003, 818, unter II. 3. a a.E.; Sadler, Verwaltungszustellungsgesetz, § 15 Rz. 7; Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 56 Rz. 66; a.A. Linssen in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, VwZG § 15 Rz. 5; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 15 VwZG Tz. 2; offen lassend BFH-Urteil vom 15. Januar 1991 VII R 86/89, BFH/NV 1992, 81, unter II.). Es oblag vielmehr dem Kläger, der aufgrund der von ihm abgegebenen Erklärungen in der Schlussbesprechung, der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide des FA und des daraufhin von ihm eingelegten Einspruchs mit der Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung rechnen musste, nach Niederlegung des Mandats durch seine frühere Steuerberaterin dem FA entweder seinen Aufenthaltsort mitzuteilen oder eine neue Person zu benennen, die ermächtigt war, für ihn die Einspruchsentscheidung in Empfang zu nehmen.
Außerdem musste sich dem FA eine Nachfrage bei der vom Kläger jedenfalls in den Jahren 1999 und 2000 getrennt lebenden Ehefrau nicht aufdrängen, weil sie nach den tatsächlichen, mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG aus Sicht des FA nicht zum Erfolg geführt hätte; eine Anfrage wäre mithin auf eine bloße Förmelei hinausgelaufen. Im Streitfall war --worauf das FA zu Recht hinweist-- von vorneherein nicht damit zu rechnen, dass die Ehefrau des Klägers, die aufgrund desselben Sachverhalts durch Urteil des Amtsgerichts (AG) … vom 24. März 2000 wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt worden war, die Anschrift des flüchtigen Klägers offenbaren werde, selbst wenn --was nicht feststeht und vom FA bestritten wird-- der Ehefrau des Klägers sein Aufenthaltsort bekannt gewesen wäre. Die Kausalitätserwägungen des FG und des FA werden im vorliegenden Verfahren im Nachhinein objektiv bestätigt: Der Aufenthaltsort des Klägers ist trotz des mittlerweile bestehenden Kontakts mit dem Kläger über dessen Prozessbevollmächtigten noch im Entscheidungszeitpunkt unbekannt.
cc) Zuletzt erforderte es auch nicht der Anspruch der Ehefrau des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), bei ihr wegen des Aufenthaltsorts des Klägers nachzufragen. Die Ehefrau des Klägers hatte --entgegen der Auffassung des Klägers-- trotz der Existenz von Haftungsbescheiden kein eigenes rechtliches Interesse am Nichteintritt der Bestandskraft der angefochtenen Bescheide.
Die Ehefrau des Klägers hat nach den Angaben des Klägers gegen die Haftungsbescheide des FA wegen Umsatzsteuer Klage erhoben, weil sie Unternehmerin sei. Mit dieser Einwendung, die sich gegen die Steuerschuld richtet, für die sie als Haftende in Anspruch genommen wird (sog. Primärschuld), kann sie im Rahmen ihrer Anfechtungsklage gehört werden; denn ein Haftungsschuldner kann rügen, die Primärschuld bestehe dem Grunde oder der Höhe nach nicht, selbst wenn die Bescheide gegen den Steuerschuldner bestandskräftig geworden sind (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1987 II R 35/86, BFHE 149, 267, BStBl II 1987, 419; vom 16. Dezember 1997 VII R 30/97, BFHE 185, 105, BStBl II 1998, 319; s. auch BVerfG-Beschluss vom 29. November 1996 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415). Eine Drittwirkung der Steuerfestsetzung (§ 166 AO 1977) ist im Streitfall nicht ersichtlich und die Ehefrau des Klägers wurde nicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO zum vorliegenden Verfahren beigeladen.
d) Auch eine Nachfrage beim jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers und damaligen Bevollmächtigten der Ehefrau musste sich dem FA nicht aufdrängen. Er war zur damaligen Zeit allenfalls von der (getrennt lebenden) Ehefrau des Klägers und nicht vom Kläger bevollmächtigt.
Fundstellen