Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 7 b-Absetzungen für Ein- oder Zweifamilienhaus; zum Begriff der Wohnung und seiner Auslegung
Leitsatz (NV)
1. Für die Qualifizierung eines Gebäudes als Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus i. S. d. § 7 b EStG kommt es auf den Zustand des Objekts im Zeitpunkt der Anschaffung an (ständige Rechtsprechung).
2. Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist; hierzu gehört das Vorhandensein einer Küche (Anschluß an die st. höchstrichterliche Rspr.). Bei der Auslegung des Wohnungsbegriffs ist die Verkehrsauffassung nur insoweit von Bedeutung, als es um die Beurteilung einzelner Merkmale und nicht um den Gesamtbegriff "Wohnung" geht.
Normenkette
EStG § 7b; BewG § 75 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb 1982 ein als Einfamilienhaus bewertetes Grundstück. Das am Hang gelegene Haus verfügte im Untergeschoß über Wohn- und Schlafräume, ein Bad sowie eine Waschküche und Kellerräume. Das Untergeschoß, das über einen eigenen Zugang verfügte, war über eine Treppe ohne Abschluß mit dem Erdgeschoß verbunden, in dem sich drei Wohnräume, eine Küche mit Speisekammer und ein WC befanden. Von dem Eingangsflur des Erdgeschosses führte ferner eine Treppe zum Dachgeschoß, das zum Zeitpunkt des Erwerbs der Klägerin nur eine Wohnfläche von rund 20 qm aufwies.
Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) bei der auf den 1. Januar 1983 vorgenommenen Zurechnungsfortschreibung zunächst weiterhin von einem Einfamilienhaus ausgegangen war, machte die Klägerin geltend, das Haus werde von ihr als Zweifamilienhaus genutzt; sie habe einen Abschluß der Wohnung im Untergeschoß geschaffen und das Dachgeschoß zu einer Zwei-Zimmer-Wohnung ausgebaut. Daraufhin bewertete das FA das Grundstück zum 1. Januar 1983 als Zweifamilienhaus.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1982 bis 1985 beanspruchte die Klägerin erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für ein Zweifamilienhaus. Demgegenüber berücksichtigte das FA im Ergebnis lediglich erhöhte Absetzungen für ein Einfamilienhaus, da die Räume im Dachgeschoß und im Untergeschoß zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht den Anforderungen entsprochen hätten, die an eine "Wohnung" zu stellen seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zwar müsse das Haus der Klägerin an sich als Einfamilienhaus i. S. des § 7 b EStG behandelt werden, da die Räume im Untergeschoß im Zeitpunkt des Erwerbs mangels Abgeschlossenheit und wegen fehlender Küche nicht als "Wohnung" qualifiziert werden könnten. In Anbetracht der Tatsache jedoch, daß eine gewisse bauliche Trennung gegeben sei und mit relativ geringem Aufwand eine Küche hätte eingerichtet werden können, erscheine es nach der Verkehrsauffassung noch vertretbar, die hinreichend großen Räume im Untergeschoß als "Wohnung" und damit das Objekt als Zweifamilienhaus zu beurteilen.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß eine Verletzung von § 7 b EStG.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat rechtsfehlerhaft erhöhte Absetzungen für ein Zweifamilienhaus zuerkannt.
1. Nach § 7 b Abs. 1 EStG können bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen u. a. für im Inland gelegene Ein- und Zweifamilienhäuser erhöhte Absetzungen von bis zu 5 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen werden. Während Einfamilienhäuser lediglich eine Wohnung aufweisen (§ 75 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes -- BewG --), sind Zweifamilienhäuser solche Wohngrundstücke, die zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 BewG). Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Juni 1985 III R 82/84, BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497; Beschluß vom 23. November 1988 II R 173/85, BFH/NV 1989, 771); hierzu gehört das Vorhandensein einer Küche (BFH in BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497).
Für die Qualifizierung eines Bauwerks als Ein- oder Zweifamilienhaus kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den Zustand des Objekts im Zeitpunkt der Anschaffung an (Senatsurteile vom 30. April 1985 IX R 49/84, BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513; vom 19. September 1991 IX R 69/86, BFH/NV 192, 236 m. w. N.). Die Artfeststellung im Einheitswertbescheid ist in diesem Zusammenhang nicht bindend (Senatsurteil vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210). Unerheblich ist für den Anwendungsbereich des § 7 b EStG auch die Absicht, eine Baulichkeit nach der Anschaffung in einer bestimmten Weise zu nutzen (Senatsurteil in BFH/NV 1992, 236).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG das von der Klägerin erworbene Objekt zu Unrecht als Zweifamilienhaus i. S. von § 7 b Abs. 1 EStG beurteilt.
Zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, daß bei den Räumen im Unter geschoß die Voraussetzungen für die Annahme einer Wohnung im Zeitpunkt des Erwerbs nicht vorlagen. Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG fehlte es insoweit zum einen an dem erforderlichen baulichen Abschluß gegenüber dem Wohnbereich im Erdgeschoß (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1985 III R 124/84, BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496). Zum anderen war im Untergeschoß keine Küche vorhanden.
Entgegen der Ansicht des FG kommt es bei dieser Sachlage nicht darauf an, ob die Räume im Untergeschoß nach der Verkehrs auffassung aufgrund ihrer Größe und Lage sowie wegen der vorhandenen Versorgungsanschlüsse insgesamt als Wohnung angesehen werden konnten. Abgesehen davon, daß es nicht genügt, daß in einem anderweitig genutzten Raum lediglich die Anschlüsse für die Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände einer zur Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Küche vorhanden sind (BFH in BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497), hat das FG auch verkannt, daß die Verkehrsauffassung nach der Rechtsprechung des BFH bei der Auslegung des Wohnungsbegriffs nur insoweit von Bedeutung ist, als es um die Beurteilung einzelner Merkmale des Wohnungsbegriffs geht; für den Gesamtbegriff "Wohnung" hingegen ist die Verkehrsauffassung als Beurteilungsmaßstab ungeeignet, da sie zu Unsicherheiten in der Beurteilung führen würde (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151).
3. Hiernach ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das FA das von der Klägerin erworbene Objekt zutreffend als Einfamilienhaus i. S. von § 7 b EStG behandelt hat, ist die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 420574 |
BFH/NV 1995, 774 |