Leitsatz (amtlich)
Nettolohnvereinbarungen, die die Berlin-Zulagen einschließen, sind steuerrechtlich anzuerkennen, wenn sie vom Arbeitgeber eindeutig nachgewiesen werden und die Vorschriften über den Lohnsteuerabzug und die des BerlinFG beachtet wurden.
Orientierungssatz
1. Hat ein Berliner Arbeitgeber die von ihm abzuführende Lohnsteuer um eine in Wirklichkeit nicht gezahlte Berlinzulage gekürzt, so kann das FA den Rückforderungsanspruch nicht durch Haftungsbescheid geltend machen, sondern nur durch einen auf § 37 Abs. 2 AO 1977 gestützten Rückforderungsbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 26.4.1985 VI R 144/81).
2. Hat ein Berliner Arbeitgeber, der mit Arbeitnehmern Nettolohnvereinbarungen getroffen hat, die die Berlin-Zulage einschließen, wegen unzutreffender Berechnung zuviel an Berlin-Zulage geleistet, so ist dieser Vorteil als zusätzlicher, der Lohnsteuer zu unterwerfender Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG anzusehen, der zu Lohnsteuernachforderungen seitens des Berliner Arbeitgebers führt. Ausführungen zur Berechnung der Berlin-Zulage bei Nettolohnvereinbarungen.
3. NV: Eine Prozeßvertretung durch eine andere Behörde ist nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nicht möglich, weil diese Vorschrift nur eine Prozeßvertretung durch natürliche Personen zuläßt (vgl. BFH-Beschluß vom 5.8.1976 VI B 48/76).
Normenkette
BerlinFG § 28 Fassung: 1970-10-29, § 29 Fassung: 1970-10-29, § 28 Fassung: 1974-12-21, § 29 Fassung: 1974-12-21; AO 1977 § 37 Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1, § 40 Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in Berlin (West) in den Jahren 1974 bis 1977 mehrere Einzelhandelsgeschäfte und beschäftigte dort zahlreiche Aushilfskräfte, die ihr keine Lohnsteuerkarten vorgelegt hatten. Sie hat nach ihrem Vorbringen mit den Aushilfskräften Nettolohnvereinbarungen in dem Sinne geschlossen, daß ihnen ein bestimmter Nettobetrag als Stundenlohn ausbezahlt wird, der die darauf entfallene Berlin- Zulage mitenthalten soll. Die "Pauschalbesteuerungsbelege" enthielten u.a. folgende Angaben:
"Stundenlohn (brutto für netto) z.B. 6,-- DM
-------------------------------------------------------------
(einschl. Berlinzulage = BZ)
24 Stunden a 6,-- DM = 144,-- DM
erhalten am
Unterschrift
... .... Enth. BZ: 11,52 DM."
Anläßlich einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, bei einer Nettolohnvereinbarung sei die Berlin-Zulage von dem zugesagten Betrag zuzüglich (vom Arbeitgeber zu tragender) Lohn- und Lohnkirchensteuer zu errechnen und zusätzlich auszuzahlen. Die Klägerin habe neben dem Nettolohn keine Berlin- Zulage zusätzlich ausgezahlt und zudem die Berlin-Zulage unrichtigerweise mit 8 v.H. des Auszahlungsbetrages berechnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ deshalb gegen die Klägerin einen Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer nach § 40 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und über die Rückforderung von ersetzten Berlin-Zulagen nach § 37 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Zeit vom 1.Januar 1974 bis 31.Dezember 1977, durch den das FA Lohnsteuer von 678,03 DM und Berlin-Zulagen von 21 143,95 DM von der Klägerin anforderte. Bei der nachgeforderten Lohnsteuer handelte es sich um Lohnsteuer auf die von der Klägerin als Berlin-Zulage deklarierten, vom FA aber als Lohn angesehenen Beträge. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus:
1. Der vom FA nur auf § 37 AO 1977 gestützte Bescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung seien aufzuheben, soweit sie die Berlin-Zulagen beträfen.
a) Soweit das FA damit zum Ausdruck gebracht haben sollte, daß die Klägerin nach § 29 Abs.4 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG), § 218 Abs.1, § 191 AO 1977 als Arbeitgeberin für zu Unrecht gezahlte Berlin-Zulagen hafte, sei die Aufhebung des Bescheids schon deshalb gerechtfertigt, weil das FA sein Auswahlermessen nicht erkennbar ausgeübt und die Gründe für die Inanspruchnahme der Klägerin nicht spätestens in der Einspruchsentscheidung dargelegt habe. Schuldner der zurückgeforderten Arbeitnehmerzulage sei in erster Linie der Arbeitnehmer, dem die Zulage zu Unrecht ausgezahlt worden sei. Der Arbeitgeber hafte daneben nach § 29 Abs.4 BerlinFG. Das FA müsse nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, an welchen der beiden Gesamtschuldner es sich halte. Dies habe es unterlassen.
b) Soweit das FA mit der Berufung auf "§ 37 AO" davon ausgehe, daß die Klägerin keine Zulagen ausgezahlt, sondern zu Unrecht Zulagebeträge von der von ihr geschuldeten Lohnsteuer abgesetzt habe, habe es in Wahrheit Lohnsteuer angefordert. Die Nachforderung von Lohnsteuer (Rückforderung der von der Klägerin ausgezahlten und ihr ersetzten Zulagen) verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil im Streitfall rechtswirksame, die Berlin- Zulage einschließende Nettolohn-Vereinbarungen bestanden hätten.
Das Gericht erkenne derartige Vereinbarungen in ständiger Rechtsprechung an, wenn der Arbeitgeber nachweise, daß sie getroffen und Arbeitslohn und Zulage auf der dem Arbeitnehmer zu erteilenden Lohnabrechnung getrennt ausgewiesen worden seien (so schon FG-Urteil vom 23.April 1976 III 220/74, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1976, 430). Die Zulage müsse mithin nicht stets zusätzlich zum Nettolohn gezahlt werden.
Die Klägerin habe im Streitfall Nettolohn-Verträge dieses Inhalts nachgewiesen. Nach den zahlreichen "Pauschalbesteuerungsbelegen" (*= Lohnabrechnungen), die dem Prüfer vorgelegen hätten, und den von der Klägerin eingereichten Erklärungen von 17 Aushilfskräften sei ein Nettolohn "einschließlich Berlinzulage" vereinbart worden und es sei den Arbeitnehmern bekannt gewesen, "daß in dem ausgezahlten Lohn Berlinzulage" enthalten gewesen sei. Die Tatsache, daß schriftliche Arbeitsverträge mit den Aushilfskräften nicht existierten und daß einige langfristig beschäftigte Arbeitnehmer unbar entlohnt worden seien, die Arbeitnehmer die Lohnabrechnung in solchen Fällen also nicht unterschrieben hätten, falle nicht ins Gewicht. Das FA und der Prüfer hätten das Bestehen derartiger Vereinbarungen nicht bestritten. Entsprechend dem Erfordernis des § 28 Abs.5 (§ 28 Abs.6) BerlinFG sei die Zulage getrennt ausgewiesen worden.
Die Klägerin habe die Zulage allerdings falsch berechnet. Sie hätte als Bemessungsgrundlage nicht von den ausgezahlten Beträgen ausgehen dürfen, sondern der Bemessung der Berlin-Zulage einen geringeren Betrag zuzüglich der von ihr zu tragenden Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer zugrunde legen müssen. Sie habe mithin von der von ihr geschuldeten Lohnsteuer zu hohe Zulagen abgesetzt. Diese falsche Berechnung könne aber nicht zu einer Nichtanerkennung der von ihr getroffenen Nettolohn-Vereinbarungen führen.
Soweit die Klägerin aufgrund der falschen Berechnung (8 v.H. des ausgezahlten Betrages) erhöhte Zulagen abgesetzt habe, habe das FA einen geringen Rückforderungsanspruch. Die angefochtenen Bescheide seien nach § 100 Abs.2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben, ohne daß das Gericht die Höhe des Nachforderungsbetrags selbst festsetze. Es überlasse dem FA den Erlaß neuer Bescheide, da das Gericht die Höhe der Nachforderung, insbesondere wegen der im Hinblick auf die Aufrundungsvorschriften erforderlichen Feststellungen nicht selbst errechnen könne.
2. Die Anforderung von insgesamt 678,03 DM Lohnsteuer nach § 40a Abs.4 i.V.m. § 40 Abs.3 Satz 2 EStG, § 218 Abs.1 AO 1977 verletze die Klägerin ebenfalls in ihren Rechten. Denn es handle sich um Lohnsteuer auf die als Berlin-Zulage deklarierten, vom FA zu Unrecht als Lohn angesehenen Beträge. Die Klägerin habe die Berlin-Zulage jedoch, wie ausgeführt, wirksam gezahlt und von der von ihr geschuldeten Lohnsteuer abgesetzt. Auch hier ergebe sich eine geringe Nachforderung, weil die Klägerin zu viel Arbeitnehmerzulage abgesetzt habe.
Das FA hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.
Es bringt u.a. vor:
Die Rückforderung der Berlin-Zulage sei nicht wegen fehlender bzw. nicht erkennbarer Ausübung des Auswahlermessens fehlerhaft. Man habe die Klägerin nicht aufgrund einer Arbeitgeberhaftung für zu Unrecht gezahlte Zulagen in Anspruch genommen. Da die Klägerin keine Berlin-Zulagen gezahlt habe, sei der von ihr aus der abzuführenden Lohnsteuer entnommene Betrag vielmehr nach § 37 Abs.2 AO 1977 zurückgefordert worden. Dabei sei kein Auswahlermessen auszuüben.
Die Vorentscheidung verletze § 40 Abs.3, § 40a EStG, § 28 Abs.1 und 5 BerlinFG. Denn eine Nettolohn-Vereinbarung unter Einschluß der Berlin-Zulage sei rechtlich nicht zulässig. Nach § 28 Abs.5 bzw. Abs.6 BerlinFG habe der Arbeitgeber die Zulagen zu errechnen und den Arbeitnehmern mit dem Arbeitslohn auszuzahlen. In den Lohnabrechnungen seien der Arbeitslohn und die Zulagen getrennt auszuweisen. Aus diesen Regelungen ergebe sich, daß die Zulage zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht dispositionsfähig sei. Es müsse ihre Errechnung und Höhe für den Arbeitnehmer klar erkennbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn ein Stundenlohn "brutto für netto einschließlich Berlinzulage" vereinbart werde. Aus den "Pauschalbesteuerungsbelegen" der Klägerin ergebe sich, daß der auszuzahlende Betrag durch Multiplikation der Stundenzahl und des Stundenlohns errechnet worden sei. Die Zulage sei von dem so ermittelten Auszahlungsbetrag mit 8 v.H. auf dem Beleg ausgewiesen worden, ohne daß die Klägerin den Auszahlungsbetrag erhöht habe. Die Aushilfskräfte, vorwiegend Hausfrauen und Schüler, dürften nicht in der Lage gewesen sein, die Abrechnungen der Klägerin hinsichtlich der Berechnung und Auszahlung der Zulage zu prüfen. Sie hätten somit in Unkenntnis der Zusammenhänge und der finanziellen Auswirkungen den Erhalt der ausgewiesenen Zulage bestätigt.
Es könne dahingestellt bleiben, ob eine Handhabung der hier vorliegenden Art bei exakter Errechnung der Zulage in eindeutigen schriftlichen Nettolohn-Vereinbarungen und bei getrenntem zutreffenden Ausweis in den Lohnabrechnungen anzuerkennen sei. Denn im Streitfall lägen keine schriftlichen Arbeitsverträge vor.
Die Vorentscheidung verletze auch § 40 Abs.3 i.V.m. § 40a EStG bezüglich der Nachforderung von Lohnsteuer. Denn die Klägerin habe entsprechend den vorstehenden Grundsätzen keine Berlin-Zulage ausgezahlt und hätte somit für die angeblichen Zulagebeträge Lohnsteuer entrichten müssen.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
Im Streitfall geht es um die Anwendung der §§ 28 und 29 BerlinFG in der für die Streitjahre 1974 bis 1977 geltenden Fassung, und zwar für das Jahr 1974 i.d.F. vom 29.Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) --BerlinFG a.F.-- und für die Jahre 1975 bis 1977 i.d.F. des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21.Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3656, BStBl I 1975, 2) --BerlinFG n.F.--.
Nach § 28 Abs.1 BerlinFG erhalten Arbeitnehmer, die Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beziehen, eine Vergünstigung durch Gewährung von Zulagen. Nach Abs.2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Bemessungsgrundlage für die Zulage der aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis bezogene Arbeitslohn i.S. des § 23 Nr.4 Buchst.a BerlinFG des Lohnabrechnungszeitraums. Die Zulage betrug in den Streitjahren nach § 28 Abs.4 BerlinFG a.F., § 28 Abs.5 BerlinFG n.F. 8 v.H. der Bemessungsgrundlage zuzüglich Kinderzuschläge. Nach Abs.5 Sätze 1 und 2 bzw. Abs.6 Sätze 1 und 2 dieser Vorschriften hatte der Arbeitgeber die Zulage zu errechnen und sie zusammen mit dem Arbeitslohn auszuzahlen. Nach Satz 3 dieser Vorschriften mußte der Arbeitgeber in den den Arbeitnehmern erteilten Lohnabrechnungen den Arbeitslohn und die Zulage getrennt ausweisen, nach Satz 4 hatte er die Summe der Zulagen dem Betrag zu entnehmen, den er für seine Arbeitnehmer insgesamt an Lohnsteuer einbehalten hatte, und bei der nächsten Lohnsteueranmeldung in einer Summe abzusetzen. Aufgrund des § 29 Abs.4 Satz 1 BerlinFG haftete der Arbeitgeber für zu Unrecht gezahlte Zulagen. Nach Abs.5 Satz 1 der letztgenannten Vorschrift hatte er die Zulagen bei jeder Lohnabrechnung im Lohnkonto des Arbeitnehmers, oder sofern ein Lohnkonto nicht zu führen ist, in entsprechenden Aufzeichnungen voneinander getrennt einzutragen.
Bei Anwendung dieser Vorschriften auf den Streitfall kommt der Senat zu folgendem Ergebnis:
1. Entgegen der Auffassung des FG ist der zur Berlin-Zulage ergangene Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil es sich angeblich um einen Haftungsbescheid handelt und weder dieser noch die Einspruchsentscheidung Ermessenserwägungen enthält. Denn ein Haftungsbescheid liegt hier nicht vor.
Der angefochtene Bescheid enthält nicht das Wort "Haftungsbescheid" oder den Begriff "haften". Es ist in ihm auch nicht auf § 29 Abs.4 Satz 1 BerlinFG Bezug genommen worden. Das FA hat den angefochtenen Verwaltungsakt insoweit als "Bescheid über die Rückforderung von ersetzten Berlinzulagen nach § 37 der Abgabenordnung (AO 1977)" bezeichnet. Einen solchen Rückforderungsbescheid wollte das FA aufgrund des von ihm vertretenen Rechtsstandpunktes auch erlassen, da es der Ansicht war, die Klägerin habe ihren Arbeitnehmern in Wahrheit keine Berlin-Zulage gezahlt und daher zu Unrecht die auf diese Zulage entfallenden Beträge nach § 28 Abs.5 Satz 4 BerlinFG a.F., § 28 Abs.6 Satz 4 BerlinFG n.F. der von ihr an das FA abzuführenden Lohnsteuer entnommen. Das FA meint, es habe deshalb einen öffentlich-rechtlichen Anspruch nach § 37 Abs.2 AO 1977 auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Berlin-Zulage, weil die Arbeitnehmer in Wirklichkeit nicht in den Genuß der Berlin-Zulage gelangt seien. Würde die Ansicht des FA zutreffen, so hätte das FA mit dem Erlaß eines auf § 37 Abs.2 AO 1977 gestützten Rückforderungsbescheids formell den richtigen Weg beschritten. Es wird insoweit Bezug genommen auf das zum gleichen Sachverhalt ergangene Urteil des Senats vom 26.April 1985 VI R 144/81 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 1985, 9). Erwägungen zum Auswahlermessen brauchte das FA bezüglich der Rückforderung von Berlin-Zulage weder im Bescheid noch in der Einspruchsentscheidung anzustellen, da aus der Sicht des FA ein Rückforderungsanspruch zugleich gegen die Arbeitnehmer nicht bestehen konnte. Denn das FA geht --wie dargelegt-- davon aus, daß die Klägerin ihren Aushilfskräften überhaupt keine Berlin-Zulagen gewährt hatte.
Erwägungen zum Auswahlermessen brauchte das FA auch nicht bezüglich der im Bescheid angeforderten Lohnsteuerbeträge vorzunehmen. Denn es hatte durch Festsetzung von Lohnsteuer nach § 40 Abs.1 Nr.2 EStG 1980 von der Klägerin als alleiniger Steuerschuldnerin (§ 40 Abs.3 EStG) pauschale Lohnsteuer angefordert. Diese Anforderung geschah --formell zu Recht-- ebenfalls nicht durch Haftungsbescheid, sondern durch Erlaß eines Steuerbescheids (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472).
2. Der Entscheidung des FG ist jedoch im Ergebnis beizutreten, weil es zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Klägerin ihren Arbeitskräften zu Recht Berlin-Zulagen gezahlt hat.
Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß die Klägerin mit ihren Arbeitnehmern Netto-Lohnvereinbarungen getroffen hat, die nach ihrem Vorbringen auch die Gewährung der Berlin-Zulage in einer Weise mit einschloß, daß der allein vereinbarte und tatsächlich ausgezahlte Nettobetrag sich aus einem Nettolohnbetrag zuzüglich Berlin-Zulage zusammensetzen sollte.
Die Rechtswirksamkeit solcher Vereinbarungen ist umstritten. Während das FG in der Vorentscheidung ihre Zulässigkeit bejaht hat, wird dies u.a. von Lukas (Arbeitnehmerzulage in Berlin, 1980, 53, und in Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- Berlin, Fach 6, S.85), Sönksen/Söffing (Berlinförderungsgesetz, Abt.K, § 28 Rdnr.61) sowie von der Finanzverwaltung Berlin (Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Berlin Nr.212/76 vom 14.Dezember 1976, zitiert bei Sönksen/Söffing, a.a.O.) verneint. Der Senat hatte diese Frage im Urteil vom 12.Dezember 1979 VI R 118/76 (BFHE 129, 377, BStBl II 1980, 257) offengelassen. Er stellte damals darauf ab, daß die Anerkennung einer solchen Nettolohnvereinbarung jedenfalls nur in Betracht käme, wenn der Abschluß einer derartigen Abrede klar und einwandfrei feststellbar sei. Das FG hatte dort solche eindeutigen Feststellungen in seinem in den EFG 1976, 430 veröffentlichten Urteil nicht treffen können.
Im vorliegenden Streitfall hat das FG den Sachverhalt dahin gewürdigt, die Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, daß sie mit ihren Aushilfskräften Nettolohnvereinbarungen des Inhalts getroffen habe, ihre Arbeitnehmer sollten einen Betrag netto erhalten, der den Nettolohn einschließlich Berlin-Zulage umfaßt. An diese Würdigung ist der Senat nach § 118 Abs.2 FGO gebunden, weil das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat. Der Umstand, daß keine schriftlichen Arbeitsverträge vorlagen, hat das FG zu Recht nicht daran gehindert, den Sachverhalt näher aufzuklären. Nach dem Urteil des Senats in BFHE 129, 377, BStBl II 1980, 257 traf die Klägerin als Arbeitgeberin für das Vorliegen solcher Abreden die alleinige Feststellungslast. Das FG konnte die Nachweispflicht der Klägerin ohne Rechtsverstoß als erfüllt ansehen, weil sie eine Vielzahl entsprechender Lohnabrechnungen und Erklärungen ihrer Arbeitnehmer dem Gericht vorgelegt hatte und das FA im finanzgerichtlichen Verfahren das Bestehen derartiger Verträge auch nicht bestritten hatte.
Der Senat folgt der Ansicht des FG, daß solche Nettolohnvereinbarungen einschließlich Berlin-Zulage bei einem entsprechenden eindeutigen Nachweis steuerlich anzuerkennen sind, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Vorschriften über den Lohnsteuerabzug und die Normen des BerlinFG beachtet haben.
Es ist grundsätzlich Sache der Arbeitsvertragsparteien, die Höhe und die Art von Lohnzahlungen verbindlich festzulegen. Die Finanzverwaltung und die Steuergerichte haben dem bei der Lohnbesteuerung und der Gewährung von Berlin-Zulagen im allgemeinen zu folgen. Das gilt auch für die Vereinbarung von Nettolöhnen. Die Auszahlung eines Nettolohns besagt in der Regel, daß der Arbeitnehmer den vereinbarten Lohn brutto gleich netto ausbezahlt bekommt, der Arbeitgeber also zusätzlich die hierauf entfallende Lohnsteuer --und ggf. auch Lohnkirchensteuer und Sozialabgaben-- zu übernehmen und abzuführen hat. Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis, so hat er Anspruch auf Berlin-Zulage nach dem vorgenannten § 28 Abs.1 BerlinFG auch dann, wenn als Arbeitslohn Nettolohn gezahlt wird. Wie sich aus der Verweisung in § 28 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 23 Nr.4 Buchst.a BerlinFG ergibt, versteht der Gesetzgeber unter dem Begriff des Arbeitslohns Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG. Soweit nichts anderes vereinbart ist, hat der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zu dem vereinbarten Nettolohn die hierauf entfallende Berlin-Zulage gesondert zuzuwenden. Sie ist nach dem Betrag zu berechnen, der sich ergibt, wenn dem Nettolohn die vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer und ggf. die von ihm mitübernommene Lohnkirchensteuer und Sozialabgaben hinzugerechnet werden. Denn die übernommenen Beträge sind ein Teil des nach dem BerlinFG begünstigten Arbeitslohns (Sönksen/Söffing, a.a.O., Abt.K, § 28 Tz.61).
§ 28 BerlinFG enthält keine Vorschrift, die es Arbeitgebern und Arbeitnehmern verbietet, eine Nettolohnvereinbarung auch in der Weise zu treffen, daß sie den Endbetrag gemeinschaftlich festlegen, den der Arbeitnehmer als Nettolohn einschließlich Berlin-Zulage erhalten soll. Damit disponieren die Vertragsparteien nicht über die Berlin-Zulage, sondern über den Nettolohn.
Bei Vereinbarungen dieser Art ist jedoch im besonderen Maß zu beachten, daß in der den Arbeitnehmern erteilten Lohnabrechnung Arbeitslohn und Zulagen nach § 28 Abs.5 Satz 3 BerlinFG a.F., § 28 Abs.6 Satz 3 BerlinFG n.F. getrennt auszuweisen sind. Diese gesetzlichen Anforderungen sind (auch) zum Schutze des Arbeitnehmers geschaffen worden, damit dieser erkennt, ob der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen ist, bei Auszahlung von Arbeitslöhnen für Beschäftigung in Berlin (West) Berlin-Zulagen zu gewähren. Sind aber in den den Arbeitnehmern erteilten Lohnabrechnungen Arbeitslohn und Zulagen vom Arbeitgeber getrennt ausgewiesen, und hat der Arbeitnehmer mithin die Möglichkeit, sich so durch Einsichtnahme von der Zahlung von Zulagen in der angegebenen Höhe zu überzeugen, so ist nach Auffassung des Senats kein Grund ersichtlich, das Gesetz abweichend vom Wortlaut auszulegen. Es ist dann nicht Sache der Steuergerichte, den solche Lohnabrechnungen nicht beachtenden Arbeitnehmer vor einer eventuellen Übervorteilung durch den Arbeitgeber bei Abschluß einer Nettolohnvereinbarung unter Einschluß von Berlin-Zulagen zu schützen. Das gilt um so mehr, als den in Berlin (West) tätigen Arbeitnehmern ihr Anspruch auf Auszahlung von Berlin-Zulage auch schon in den Streitjahren 1974 bis 1977 hinreichend bekannt gewesen sein dürfte.
Im Streitfall hat das FG in einer dem Senat nach § 118 Abs.2 FGO bindenden Weise festgestellt, daß in den den Arbeitnehmern im Regelfall ausgehändigten Lohnabrechnungen der Arbeitslohn und die Zulagen getrennt ausgewiesen waren. Das finanzgerichtliche Urteil enthält zwar keine Feststellungen dazu, ob die Zulagen auch nach § 29 Abs.5 BerlinFG auf den Lohnkonten der Arbeitnehmer oder in entsprechenden sonstigen Aufzeichnungen gesondert eingetragen worden sind. Besondere Feststellungen hierzu brauchte das FG im Streitfall jedoch nicht zu treffen, da sich entsprechende Beanstandungen aus dem Bericht des Lohnsteueraußenprüfers nicht ergeben haben und vom FA auch nicht im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht worden waren.
Nach den zutreffenden Ausführungen des FG kann die Rechtswirksamkeit der im Streitfall getroffenen Nettolohnvereinbarungen unter Einschluß der Berlin-Zulage und ihre steuerliche Anerkennung auch nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil die Klägerin sich bei der Errechnung der Berlin-Zulage insoweit geirrt hat, als sie die Zulage nicht nach dem Nettolohn einschließlich übernommener Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer, sondern in der Weise ermittelt hat, daß sie hierfür den ausgezahlten Nettobetrag zugrunde gelegt hat. Geht man von dem im Tatbestand angeführten Beispiel von 6 DM Stundenlohn brutto für netto einschließlich Berlin-Zulage aus, so ergeben sich durch die falsche Berechnungsweise der Klägerin folgende Unterschiede:
Gezahlt wurden von der Klägerin
z.B. 6 DM Stundenlohn brutto für
netto einschließlich Berlin-Zulage = 6,-- DM
24 Stunden a 6 DM = 144,-- DM
darin enthalten Berlin-Zulage
8 v.H. von 144 DM = 11,52 DM.
Richtig hätte die Klägerin wie
folgt rechnen müssen:
Ausgezahlt 6 DM x 24 Stunden = 144,-- DM
Nettolohn 5,52 DM x 24 Stunden = 132,48 DM
6,5 v.H. Lohnsteuer von 132,48 DM
für 1974 = 8,61 DM
12,5 v.H. Lohnkirchensteuer für
1974 = 1,08 DM
---------
zusammen 142,17 DM
8 v.H. von 142,17 DM = 11,37 DM
Nettolohn wie vorstehend = 132,48 DM
---------
zusammen 143,85 DM
aufgerundet 144,-- DM.
Die Klägerin hat nach diesem Beispiel 0,15 DM (11,52 ./. 11,37 DM) zuviel Berlin-Zulage gewährt. Solche Fehler bei der Berechnung der Berlin-Zulage hätten in gleicher Weise auch auftreten können, wenn die Klägerin ihren Arbeitnehmern die Berlin-Zulage zusätzlich zum Nettolohn ausgezahlt hätte.
Besteht mithin nach den zutreffenden Ausführungen des FG kein Anspruch auf Rückforderung von Berlin-Zulage bis auf geringe, nach vorstehendem Beispiel sich ergebende Beträge wegen falscher Berechnungsweise, so ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG den auf § 37 Abs.2 AO 1977 gestützten Rückforderungsbescheid bezüglich Berlin-Zulage bis auf diese Restbeträge für rechtswidrig erachtet und den Bescheid nach § 100 Abs.2 Satz 1 FGO aufgehoben hat.
3. Das FG hat aus den gleichen Gründen auch zu Recht den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid für den Prüfungszeitraum beanstandet. Es handelte sich bei den vom FA der Lohnsteuer unterworfenen Beträgen insoweit nicht um zusätzlichen Arbeitslohn, sondern um rechtswirksam gewährte Berlin-Zulagen, die ihrerseits nicht lohnsteuerpflichtig sind.
Lohnsteuernachforderungen in geringer Höhe bestehen nach den zutreffenden Darlegungen des FG nur insoweit, als diese sich auf Beträge beziehen, die die Klägerin wegen unzutreffender Berechnung zu viel an Berlin-Zulage geleistet hat. Dieser Vorteil ist als zusätzlicher, der Lohnsteuer zu unterwerfender Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG anzusehen, weil er aus dem Arbeitsverhältnis den Arbeitnehmern zugeflossen ist und von der Klägerin auch nicht von diesen zurückgefordert werden kann; denn über den auszuzahlenden Endbetrag war eine Nettolohnvereinbarung unter Einschluß der Berlin-Zulage getroffen worden, demzufolge die Klägerin die auf den Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer generell übernommen hat.
++/ Die Klägerin hat auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Der Senat hält es für zweckmäßig, nach § 121 i.V.m. § 90 Abs.3 FGO einen Vorbescheid zu erlassen.
Der Senat stellt den Vorbescheid dem beklagten FA X und nicht dem FA Y zu, das vom beklagten FA X nach Einlegung und Begründung der Revision zum Prozeßvertreter bestellt worden war. Denn eine Prozeßvertretung durch eine andere Behörde ist nach Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht möglich, weil diese Vorschrift nur eine Prozeßvertretung durch natürliche Personen zuläßt (BFH-Beschluß vom 5.August 1976 VI B 48/76, BFHE 119, 390, BStBl II 1976, 709). /++
Fundstellen
BStBl II 1986, 886 |
BFHE 147, 91 |
BFHE 1987, 91 |
BB 1986, 1632-1634 (ST) |
DB 1986, 2004-2005 (ST) |
HFR 1986, 510-511 (ST) |