Entscheidungsstichwort (Thema)
(Entgeltliche Überlassung von Hallentennisplätzen)
Leitsatz (amtlich)
Die entgeltliche Überlassung von Hallentennisplätzen an Tennisspieler ist in eine steuerfreie Vermietung von Grundstücken i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen i.S. des § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 aufzuteilen.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nrn. 12a, 12 S. 2, § 15
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 06.05.1988; Aktenzeichen 6 K 240/87) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Ihre Gesellschafter erwarben mit Erbbaurechtskaufvertrag vom 31.Oktober 1986 "als Miteigentümer zu je 1/4 Anteil" ein Erbbaurecht an einem Grundstück in D mit Tennishalle.
Der Kaufpreis betrug 1 200 000 DM zuzüglich 168 000 DM Umsatzsteuer. Der Nettokaufpreis von 1 200 000 DM sollte mit einem Teilbetrag von 150 000 DM auf bewegliche Gegenstände entfallen.
Die Tennishalle ist Teil des Sport- und Freizeitzentrums in D, zu dem außer der Tennishalle auch noch eine Eissporthalle mit Restaurant gehört. Die Eissporthalle und das Restaurant einschließlich Inventar sind verpachtet. Die Tennishalle wird von der Klägerin im eigenen Namen und für eigene Rechnung betrieben.
Nach einer Außenprüfung lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über den Erwerb der Tennishalle anteilig ab, soweit die Vermietung der Halle als steuerfreie Umsätze zu beurteilen sei. Aufgrund der Betriebskosten behandelte es 79 v.H. der Platzmieten als Entgelt für eine steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr.12 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980) und 21 v.H. der Platzmiete als Entgelt für die steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen (§ 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980). Die Vorsteuer für die beweglichen Gegenstände (21 000 DM *= 14 v.H. von 150 000 DM) rechnete es ganz den nicht vorsteuerabzugsschädlichen steuerpflichtigen Vermietungsleistungen zu, die auf das Gebäude entfallende Vorsteuer ließ das FA nicht zum Abzug zu, während es die übrigen Vorsteuern (z.B. aus Rechtsanwalts- und Notarkosten) mit den oben genannten Vomhundertsätzen der vorsteuerabzugsschädlichen Grundstücksvermietung und der nicht vorsteuerabzugsschädlichen Vermietung der Betriebsvorrichtungen zurechnete (Umsatzsteuerbescheid für 1986 vom 13.November 1987).
Die hiergegen erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 657 veröffentlicht ist, vertrat die Rechtsauffassung, die stundenweise Überlassung der Tennisplätze an Einzelspieler sei keine Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr.12 a UStG 1980, beruhe vielmehr auf einem Vertrag besonderer Art.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts sowie des § 76 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es trägt im wesentlichen vor: Die Leistung der Klägerin an die Tennisspieler, die ihre Tennishalle nutzten, sei entgegen der Auffassung des FG kein Vertrag besonderer Art. Ein Vertrag besonderer Art liege vor, wenn die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber anderen wesentlichen Leistungen zurücktrete und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstelle (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Dezember 1952 V 4/51 U, BFHE 57, 249, BStBl III 1953, 98). Im Gegensatz zur Benutzung eines Sportplatzes oder eines Schwimmbads im Rahmen des allgemeinen Sport- bzw. Badbetriebs durch Einzelpersonen sei wesentlicher Inhalt der Leistungen der Klägerin die Überlassung einer genau nach Platznummer bestimmten, abgegrenzten Grundstücksfläche samt weiterer Vorrichtungen zur ausschließlichen Nutzung durch den Mieter. Für die Dauer des abgeschlossenen Mietvertrags könne der Mieter Dritte von der Nutzung des Grundstücksteils ausschließen.
Soweit das FG auf die Dauer der Mietverträge abstelle, habe es seiner Ermittlungspflicht nicht genügt. Es hätte sich z.B. die Vordrucke der Abonnementverträge vorlegen lassen und das Ausmaß dieser Abonnementverträge am Gesamtspielbetrieb ermitteln müssen. Es hätte sich dann herausgestellt, daß die Klägerin die Tennisplätze den Mietern ganz überwiegend saisonweise und nur zum geringen Teil stundenweise zur Verfügung gestellt habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene FG-Urteil war aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
1. Nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 ist der Vorsteuerabzug für Lieferungen und sonstige Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört auch die steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980). Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs.4 UStG 1980 der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen dieser Vorschriften für den vollen Vorsteuerabzug bejaht und einen Ausschluß des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs.2 und 4 UStG 1980 verneint.
2. Der Senat läßt dahingestellt, ob die Klägerin das Erbbaurecht mit der Tennishalle gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 für ihr Unternehmen erworben hat, obwohl ihre Gesellschafter das Erbbaurecht nicht als Gesellschaftsvermögen zur gesamten Hand, sondern als Bruchteilsgemeinschaft erworben haben.
3. In jedem Fall hat das FG zu Unrecht eine steuerfreie (vorsteuerabzugsschädliche) Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 verneint.
Nach dieser Vorschrift ist u.a. die Vermietung von Grundstücken und von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, steuerfrei. Dabei ist der Begriff der Grundstücksvermietung bürgerlich-rechtlich zu bestimmen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8.Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209).
Vermietung bedeutet die Gebrauchsüberlassung und Gebrauchserhaltung der vermieteten Sache (§§ 535, 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--).
a) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 gilt nicht nur für die Vermietung von ganzen Grundstücken, sondern auch für die Vermietung von Grundstücksteilen. Hierzu gehören auch Gebäude und Gebäudeteile (Urteil in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209) sowie sonstige mit dem Grundstück fest verbundene Sachen, gleichgültig ob sie dem Grundstückseigentümer (vgl. § 94 BGB) oder dem Erbbauberechtigten (vgl. § 12 der Verordnung über das Erbbaurecht --ErbbauV--) gehören.
Dementsprechend ist auch die Vermietung von Tennisfeldern in einer Tennishalle nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 steuerfrei.
b) Es ist nicht erforderlich, daß die vermietete Sache bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmt ist. Schuldrechtliche Verträge können auch über unbestimmte, aber bestimmbare Leistungen geschlossen werden. Dabei kann die spätere Konkretisierung der Leistung durch beide Parteien, durch eine Partei oder durch einen Dritten erfolgen (§§ 315, 317 BGB). Es kommt nicht darauf an, ob sich der Mieter die Mietfläche selbst aussuchen kann (Urteil in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209).
Es ist deshalb gleichgültig, ob die Spieler aufgrund eines Abonnementvertrags oder eines Einzelvertrags spielten, ob ihnen ein bestimmter Platz bereits bei Abschluß des Abonnementvertrags zugewiesen wurde, oder ob sie den Platz bei Bedarf wechselten. In jedem Fall wurde ihnen jeweils vor Spielbeginn ein bestimmter Platz für die vereinbarte Spieldauer zum Bespielen überlassen.
c) Gebrauchsüberlassung liegt vor, wenn der Vermieter dem Mieter die Sache in einer Weise zur Verfügung stellt, die es diesem erlaubt, ohne weiteres den vertragsgemäßen Gebrauch auszuüben. § 868 BGB geht davon aus, daß der Mieter die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt. Wesensbestimmend für den Mietvertrag ist aber die Einräumung des Gebrauchs. Besitz ist nur insoweit erforderlich, als der Gebrauch ihn voraussetzt. Der Gebrauch des Mieters braucht kein ausschließlicher zu sein, wenn nur die Gebrauchsberechtigungen verschiedener Personen nicht miteinander unvereinbar sind. Auch ein bloßer Mitgebrauch kann den Tatbestand der Miete erfüllen (BFH-Urteil vom 8.Oktober 1991 V R 46/88, BFHE 167, BStBl II 1992, 368).
Es kommen deshalb auch zwei oder vier Spieler als Mieter eines Tennisplatzes in Betracht.
Unschädlich ist ferner ein gelegentliches Überlaufen oder Überspielen des eigenen Spielfelds oder das Auflesen von Bällen im eigenen Spielfeld durch fremde Spieler. Solche Beschränkungen des eigenen Gebrauchs sind vom Mieter im Rahmen des Üblichen hinzunehmen und eröffnen noch keinen allgemeinen Gebrauch an dem Spielplatz.
d) Keine mietweise Überlassung einer bestimmten oder bestimmbaren --vgl. oben unter b)-- Grundstücksfläche zum ausschließlichen Gebrauch oder Mitgebrauch durch einen Mieter oder mehrere Mieter liegt hingegen vor, wenn dem Besucher einer Sportstätte deren Nutzung im Rahmen der allgemeinen Benutzerordnung ohne Ausschluß weiterer Besucher gestattet wird. So ist es nach dem BFH-Urteil vom 9.April 1987 V R 150/78 (BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659) wenn einem clubfremden Golfspieler gegen Entrichtung von Greenfee die Benutzung des Golfplatzes gestattet wird. Dasselbe gilt für den Besucher eines Schwimmbads, der dieses im Rahmen der allgemeinen Badeordnung nutzt. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Schwimmbadbesucher (ohne besonderen Mietvertrag) im Schwimmbad einen Liegestuhl oder Liegeplatz belegt. Er macht insoweit nur von einem grundsätzlich allen Besuchern der Badeanstalt offenstehenden Möglichkeit Gebrauch; er hat mit dem Betreiber der Badeanstalt keinen Vertrag über einen bestimmten oder bestimmbaren Liegeplatz oder Liegestuhl geschlossen, durch den andere Besucher der Badeanstalt von der Benutzung des Liegestuhls oder des Liegeplatzes ausgeschlossen werden. Anders ist es bei dem Mieter oder den Mietern eines Tennisplatzes; für die vereinbarte Spieldauer steht ihnen das ausschließliche Recht zu, auf dem gemieteten Platz zu spielen.
e) Schließlich kann die Grundstücksvermietung nicht mit der Erwägung verneint werden, im Vordergrund stehe nicht die Grundstücksbenutzung, sondern die Benutzung der dem eigentlichen Spielbetrieb dienenden Einrichtungen (Bodenbelag, Netze, Beleuchtung sowie Nebenanlagen wie Duschen usw.).
Es handelt sich hierbei überwiegend um Betriebsvorrichtungen i.S. des § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 (vgl. speziell zu den Betriebsvorrichtungen bei Tennisplätzen und Tennishallen Abschn.86 Abs.1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- unter Nr.3). Auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind, ist ihre Vermietung ausdrücklich nicht von der Umsatzsteuer befreit. Hieraus folgt, daß die Vermietung dieser Vorrichtungen die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung im übrigen nicht hindert. Gegenüber dieser klaren Aussage des Gesetzes muß auch die vom FG behauptete entgegengesetzte Verkehrsauffassung unbeachtlich bleiben.
f) Das Bereithalten der sanitären Anlagen (wie z.B. der Duschen) ist eine Nebenleistung zu den Vermietungsleistungen. Eine Nebenleistung teilt das Schicksal der Hauptleistung, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit der Hauptleistung in engem Zusammenhang steht und in deren Gefolge üblicherweise vorkommt (Urteil in BFHE 167, BStBl II 1992, 368).
4. Wie sich aus den Ausführungen zu 3. ergibt, ist unerheblich, inwieweit die Klägerin die Tennisplätze den Spielern aufgrund von Abonnements- oder Einzelverträgen überlassen hat. In jedem Fall liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung vor. Auf die vom FA insoweit vorsorglich erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.
5. Die vom FA vorgenommene Aufteilung der Platzmieten auf das Grundstück und die Betriebsvorrichtungen entsprechend dem Verhältnis der Kosten (vgl. Abschn.86 Abs.2 UStR) läßt keine Rechtsfehler erkennen und ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Dasselbe gilt für die Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu der steuerfreien (vorsteuerabzugsschädlichen) Grundstücksvermietung und der steuerpflichtigen (nicht vorsteuerabzugsschädlichen) Vermietung der Betriebsvorrichtungen nach § 15 Abs.2 und 4 UStG 1980.
Fundstellen
Haufe-Index 64270 |
BFH/NV 1992, 63 |
BStBl II 1992, 758 |
BFHE 168, 198 |
BFHE 1993, 198 |
BB 1992, 1482 (L) |
DB 1992, 1764 (L) |
DStR 1992, 1059 (KT) |
HFR 1992, 489 (LT) |
StE 1992, 426 (K) |