Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzfristiger Ausgleich von Kontokorrentschulden mit Hilfe von anderen Krediten kann rechtsmißbräuchlich sein
Leitsatz (NV)
Der vorübergehende Ausgleich eines Kontokorrentkredits zur Vermeidung von Dauerschulden durch kurzfristige Kreditaufnahme bei einer Schwester-KG ist jedenfalls dann rechtsmißbräuchlich, wenn die Schwester-KG ihrerseits den Kredit durch eine vorübergehende Kreditaufnahme refinanzieren muß.
Normenkette
StAnpG § 6; AO 1977 § 42; GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine KG, hatte in den Streitjahren 1971-1973 mehrere Schwestergesellschaften, darunter die KG Firma X und die Immobilien- und Baugesellschaft Y. An beiden KG waren dieselben Gesellschafter wie an der Klägerin jeweils im selben Verhältnis beteiligt.
Die Klägerin hatte in den Streitjahren sowohl bei der Stadtsparkasse als auch bei der . . .-bank Kontokorrentschulden. Um auf diesen Kontokorrentkonten jeweils für einige Wochen im Jahr Guthaben ausweisen zu können, nahm die Klägerin in jedem der Streitjahre in den Monaten November oder Dezember bei ihren Schwestergesellschaften X und Y vorübergehend Darlehen auf. Zur Refinanzierung dieser Darlehen mußten die Firmen X und Y ihrerseits jeweils entsprechende Kredite bei der Stadtsparkasse und der . . .-bank im Rahmen eines für alle Schwestergesellschaften einheitlichen Kreditrahmens in Anspruch nehmen.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. August 1977 IV R 57/74 (BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843) die Auffassung, bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre seien die Kontokorrentschulden der Klägerin bei der Stadtsparkasse und bei der . . .-bank trotz der auf den Konten jeweils vorübergehend ausgewiesenen Guthaben in Höhe bestimmter Mindestkredite als Dauerschulden und die dafür gezahlten Zinsen als Dauerschuldzinsen zu beurteilen, denn die vorübergehende Kreditaufnahme bei den beiden Schwestergesellschaften sei rechtsmißbräulich.
Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewerbesteuermeßbescheide für 1971 und 1973 bis 1975. Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Antrag, keine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen und Dauerschulden aus den Kontokorrentverhältnissen mit der Stadtsparkasse und der . . .-bank vorzunehmen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben, die streitgegenständlichen Schulden und Zinsen als nicht unter die Hinzurechnungsvorschriften der §§ 8 und 12 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) fallend zu erklären und dem vom FG abgewiesenen Klagebegehren stattzugeben. Die Klägerin rügt Verletzung der §§ 8 und 12 GewStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, daß die kurzfristige Unterbrechung der Kreditaufnahme der Klägerin bei der Stadtsparkasse und bei der . . .-bank durch Einsatz der von den Schwestergesellschaften der Klägerin vorübergehend zur Verfügung gestellten Mittel einen Gestaltungsmißbrauch i. S. von § 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (= § 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) darstellt und deshalb bei Anwendung des § 8 Nr. 1 und des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG außer Betracht bleiben muß; danach sind die Kontokorrentschulden der Klägerin bei den beiden Kreditinstituten in Höhe der jeweiligen Mindestschuldbeträge als Dauerschulden und die dafür gezahlten Zinsen als Dauerschuldzinsen bei der Ermittlung des Gewerbekapitals und des Gewerbeertrags hinzuzurechnen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Kontokorrentschulden nur dann Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG, wenn aus den Umständen der Kreditgewährung und -abwicklung geschlossen werden muß, daß trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs, der an sich auf die Abwicklung einzelner laufender Geschäftsvorfälle hinweist, ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen auf Dauer gewidmet werden soll; denn in diesem Falle dient der Mindestbetrag der Kontokorrentschuld der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals. Dabei ist für die Ermittlung des als Dauerschuld in Betracht kommenden Mindestbetrags von dem niedrigsten Schuldenstand auszugehen, der wegen einer nicht nur ganz kurzen Zeit, d. h. nicht nur während weniger Tage bestanden hat (z. B. BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223, m.w.N.).
Daraus folgt, daß Kontokorrentschulden in der Regel insgesamt keine Dauerschulden sind, wenn es dem Schuldner innerhalb des für die Annahme einer Mindestkreditgewährung maßgeblichen Zeitraums von einem Jahr gelingt, die Schuld gelegentlich für einen mehr als nur wenige Tage umfassenden Zeitraum, z. B. für einige Wochen voll auszugleichen. Ein derartiger Ausgleich eines Kontokorrentkreditverhältnisses muß allerdings dann außer Betracht bleiben, wenn er nur durch eine Gestaltung erreicht wird, die als rechtsmißbräuchlich i. S. von § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) zu werten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt ein Rechtsmißbrauch dann vor, wenn die gewählte Gestaltung, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen, also ungewöhnlich ist, und nur der Steuerminderung dienen soll, also nicht durch wirtschaftliche ode sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist (z. B. BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223; Urteil vom 19. Juni 1985 I R 115/82, BFHE 144, 264, BStBl II 1985, 680).
Als rechtsmißbräuchlich hat der erkennende Senat angesehen, wenn ein Kontokorrentkredit einmal im Jahr vorübergehend mit den Valuten eines bei einer anderen Bank mit zu diesem Zwecke aufgenommenen Darlehen abgedeckt wird; der Senat hat daraus die rechtliche Folgerung gezogen, daß der im Rahmen des Kontokorrentverhältnisses in Anspruch genommene Mindestkredit durch einen nur auf diese Weise erreichten vorübergehenden Ausgleich nicht den Charakter einer Dauerschuld verliert (Urteile in BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843; in BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223). Dabei war für die Wertung der Gestaltung als rechtsmißbräuchlich entscheidend, ,,daß der Schuldner zum gelegentlichen Ausgleich des Kontokorrentkredits aus eigenen Betriebsmitteln nicht in der Lage war" (Urteil in BFHE 132, 89, 93, BStBl II 1981, 223).
2. Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Kreditaufnahme der Klägerin bei ihren Schwestergesellschaften nur dem Zwecke diente, die Kontokorrentkonten bei den beiden Kreditinstituten vorübergehend zu einem positiven Saldo kommen zu lassen und damit die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen zu umgehen. Im Gegensatz zu den bisher vom Senat entschiedenen Fällen weist der Streitfall jedoch die Besonderheit auf, daß der dem Saldoausgleich dienende kurzfristige Kredit nicht von einer Bank, sondern von einer beteiligungsidentischen Schwester-KG gewährt worden ist.
Der Senat kann offenlassen, ob für die Anwendung des § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) der kurzfristigen Kreditaufnahme bei einer anderen Bank zwecks vorübergehendem Ausgleich eines Kontokorrentkredits eine in gleicher Weise zweckgerichtete kurzfristige Kreditaufnahme bei einer Schwester-KG in jedem Falle gleichzustellen ist und demgemäß jene stets als rechtsmißbräuchlich zu beurteilen ist. Unangemessen und damit rechtsmißbräuchlich ist eine solche nur der Steuerminderung dienende Kreditaufnahme bei einer beteiligungsidentischen Schwester-KG jedenfalls dann, wenn, wie im Streitfall, die kreditgewährende KG ihrerseits den Kredit durch eine vorübergehende Kreditaufnahme refinanzieren muß, insbesondere eine Kreditaufnahme bei der Bank, deren Kontokorrentforderung vorübergehend ausgeglichen werden soll. Die Gleichwertigkeit dieser Gestaltung mit den bisher vom Senat entschiedenen Fällen ist offentsichtlich. Insbesondere greift auch im Streitfall die bisher vom Senat in den Vordergrund gestellte Erwägung ein, daß weder die Klägerin noch ihre Schwestergesellschaften in der Lage waren, die beiden Kontokorrentkredite der Klägerin ,,aus eigenen Betriebsmitteln" auszugleichen.
Danach kann auf sich beruhen, wie ein Kontokorrentausgleich zu beurteilen ist, der durch zusätzliche Eigenmittel ermöglicht wird, sei es durch zusätzliche (vorübergehende oder dauernde) Einlagen der Gesellschafter der Kontokorrentschuldnerin, sei es durch Kreditgewährung einer beteiligungsidentischen Schwester-KG, die durch zusätzliche (vorübergehende oder dauernde) Einlagen der Gesellschafter bei der kreditgewährenden Gesellschaft refinanziert wird. Immerhin ist in diesem Zusammenhang jedoch auf das Urteil des I. Senats des BFH in BFHE 144, 264, BStBl II 1985, 680 und die darin zitierte BFH-Rechtsprechung hinzuweisen. Danach kann eine Steuerumgehung auch dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger einen Kredit vorübergehend mit eigenen Mitteln abgedeckt hat.
3. Die Einwände der Revision gegen die Vorentscheidung können nicht überzeugen.
a) Es mag durchaus zutreffen, daß rechtlich und wirtschaftlich verbundene Unternehmen sich üblicherweise gegenseitig nicht benötigte liquide Mittel zur Verfügung stellen, um auf diese Weise die günstigste Finanzierung im ,,Konzern" zu ermöglichen. Der Streitfall ist damit jedoch schon im Hinblick darauf, daß die Schwestergesellschaften der Klägerin die der Klägerin darlehensweise überlassenen Mittel ihrerseits erst bei den mit der Klägerin geschäftlich verbundenen Kreditinstituten aufnehmen mußten, nicht zu vergleichen. Von einem Einsatz des Eigenkapitals im ,,Konzern", dort wo es gerade benötigt wird, kann insoweit keine Rede sein.
b) Es ist auch richtig, daß nach der BFH-Rechtsprechung jedes einzelne Kreditverhältnis für sich zu beurteilen ist. Das ändert aber nichts daran, daß, wie das FG zu Recht betont, bei der Wertung eines einzelnen Kontokorrentschuldverhältnisses ein vorübergehender Schuldausgleich, der nur durch eine als rechtsmißbräuchlich zu wertende Gestaltung ermöglicht worden ist, unberücksichtigt bleiben muß.
Fundstellen
Haufe-Index 414561 |
BFH/NV 1987, 324 |