Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorsteuerabzug und Verwendungseigenverbrauch bei einem auch zu eigenen Wohnzwecken genutzten Muster-Solarhaus
Leitsatz (NV)
1. Wird eine Leistung von Anbeginn an sowohl für den unternehmerischen Bereich als auch für den nichtunternehmerischen Bereich genutzt und ist die bezogene Leistung nicht teilbar, so ist einheitlich zu entscheiden, ob ein Bezug für das Unternehmen vorliegt. In diesen Fällen der gemischt genutzten Verwendung steht dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu. Das Zuordnungswahlrecht findet dort seine Grenze, wo von vornherein keinerlei wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen besteht.
2. Ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ausgeschlossen, so ist die Vorsteuer aufzuteilen.
3. Der Wert eines Verwendungseigenverbrauchs durch Gebäudenutzung ist nach den entstandenen (vorsteuerbelasteten) Kosten, nicht nach einem Mietwert zu bemessen.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen, das Solar- Häuser konzipiert, plant und baut. In den Jahren 1983 und 1984 errichtete die Klägerin ein Forschungs- und Musterhaus. Das Gebäude hat eine Nutzfläche von ca. 213 qm; 69 qm entfallen auf einen ausschließlich für unternehmerische Zwecke genutzten Büroteil. Der übrige Gebäudeteil wird von der Klägerin und ihrer Familie bewohnt. Mit dem Gebäude nahm die Klägerin an einem von dem X-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung durch geführten Meßprogramm teil. Bei diesem Projekt zur Energieeinsparung und Sonnenenergienutzung in Eigenheimen werden Untersuchungen in bewohnten Gebäuden unter Einbeziehung eines realen Nutzerverhaltens durchgeführt. Die Projektkosten in Höhe von ... DM wurden vollständig vom Bundesforschungsministerium getragen. Außerdem erhielt die Klägerin vom Land ... einen Zuschuß von ... DM für die Untersuchung der technischen Funktionsfähigkeit, der sozialen Akzeptanz und der Marktnähe eines Systemhauses zur passiven Nutzung der Solarenergie.
In den Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin die im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes angefallene Umsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 geltend, für 1983 ... DM und für 1984 ... DM. Die Vorsteuerbeträge für 1984 entfielen in Höhe von ... DM auf einen Schutzraum, in Höhe von ... DM auf die Gartenanlage, in Höhe von ... DM auf die Einrichtung des Wohnbereichs und in Höhe von ... DM auf geringwertige Wirtschaftsgüter im Wohnbereich. Für die private Mitbenutzung des Hauses erklärte die Klägerin für 1984 einen steuerpflichtigen Eigenverbrauch in Höhe von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gewährte den Vorsteuerabzug nur hinsichtlich des Büroteils. Der übrige Gebäudeteil gehöre zum Privatbereich, weil das Bewohnen einer eigenen Wohnung stets privat veranlaßt sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Gebäudes gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 zu. Es handele sich um die Herstellung eines einheitlichen Gegenstandes, für den die Frage nach dem Umfang des Vorsteuerabzugs nur einheitlich entschieden werden könne. Neben dem Büro werde auch der übrige Teil des Gebäudes unternehmerisch genutzt. Diese Nutzung bestehe in der Gewinnung von Daten zur technisch-wirtschaftlichen Analyse von energiesparenden Investitionen und in der Nutzung des Gebäudes als Demonstrationsobjekt. Die Verwendung des gesamten Gebäudes für das Unternehmen sei von nicht untergeordneter Bedeutung. Der Vorsteuerabzug sei nicht gemäß § 15 Abs. 2--4 UStG 1980 ausgeschlossen. Soweit die Klägerin das Gebäude mit ihrer Familie bewohne, komme zwar eine nichtunternehmerisch bedingte Mitbenutzung in Betracht, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 als steuerbarer Eigenverbrauch der Umsatzsteuer unterliege. Dieser Eigenverbrauch sei jedoch nicht von der Umsatzsteuer befreit und führe nicht zum Vorsteuerausschluß. Auch eine Gebäudevermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 liege nicht vor. Der Eigenverbrauch sei gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 zu bemessen; die Kosten könnten anhand des Nutzungsvorteils geschätzt werden. Der Senat halte die wertmäßige Ermittlung durch die Klägerin für zutreffend.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts:
1. Das FG gehe zu Unrecht davon aus, daß die Klägerin den Wohnteil für unternehmerische Zwecke verwende. Der Wohnteil sei seiner Art nach nicht unternehmerisch nutzbar. Die Beeinträchtigung durch das Forschungsprogramm sei nicht so intensiv, daß das Wohnen überlagert werde. Die Zuordnung von Leistungsbezügen zum Unternehmen finde dort ihre Grenze, wo der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen nur eine so unwesentliche Bedeutung zukomme, daß der Gegenstand insgesamt als Teil des unternehmensfremden Bereichs anzusehen sei.
2. Hätte die Klägerin den Wohnteil an einen Dritten vermietet und hätte dieser die Besichtigung zu dulden, wäre der Vertrag gleichwohl ein Mietvertrag. Die Leistung der Klägerin wäre nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei; der Vorsteuerabzug wäre ausgeschlossen.
3. Zu diesem Ergebnis komme man auch, wenn man ein gemischt genutztes Gebäude nach Maßgabe der nebeneinander für unternehmerische und für nichtunternehmerische Zwecke verwendeten Teile als teilbaren Leistungsgegenstand ansehe. Ein Bezug für das Unternehmen liege nicht vor. Die Eingangsleistung werde nicht unternehmerisch genutzt. Selbst wenn man der Auffassung des FG folge, daß auch Wohnraum für ein Unternehmen bezogen werden könne, führe dies nicht zum Vorsteuerabzug, da eine unternehmerische Verwendung nur in der -- unwesentlichen -- Duldung der Besichtigung bestehen könne.
4. Hilfsweise werde die falsche Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 gerügt. Das FG hätte nicht den von der Klägerin ermittelten Wertansatz übernehmen dürfen, ohne sich mit der Ermittlung des Werts auseinanderzusetzen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, daß das Gebäude für das Unternehmen der Klägerin errichtet worden ist; die tatsächlichen Feststellungen tragen aber nicht seine Entscheidung, daß der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen und Eigenverbrauch gegeben ist.
1. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 liegen vor. Nach dieser Regelung kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Das Merkmal "für das Unternehmen" dient der Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich, für den ein Vorsteuerabzug nicht zulässig ist. Wird eine Leistung von Anbeginn an sowohl für den unternehmerischen Bereich als auch für den nichtunternehmerischen Bereich genutzt und ist die bezogene Leistung nicht -- weder räumlich-real noch zeitlich -- teilbar, so ist einheitlich zu entscheiden, ob ein Bezug für das Unternehmen vorliegt. In diesen Fällen der gemischt genutzten Verwendung steht dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu; er kann entscheiden, ob die Leistung für das Unternehmen oder für den nichtunternehmerischen Bereich ausgeführt sein soll (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649, und vom 11. November 1993 V R 52/91, BFHE 173, 239, BStBl II 1994, 335). Das Zuordnungswahlrecht findet dort seine Grenze, wo von vornherein keinerlei wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen besteht (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1988 V R 115/83, BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916 unter 2. a, bb).
Im Streitfall wurde das Gebäude zu Wohnzwecken, aber auch ganz wesentlich als Forschungs- und Demonstrationsobjekt für das Unternehmen genutzt. Nach den Feststellungen des FG wurden in dem Haus mehrfach täglich die Raumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit gemessen, die nutzungsbedingten "Einflußgrößen" wurden erfaßt und das Haus diente zusätzlich als Demonstrationsobjekt. Der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen kam daher erhebliche Bedeutung zu, so daß das Gebäude nicht insgesamt dem unternehmensfremden Bereich zugeordnet werden mußte.
2. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ausgeschlossen ist. Es ist möglich, daß die Klägerin die empfangenen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980) verwendet hat. Die Verwendung für nichtunternehmerische Zwecke ist ebenfalls nach dieser Regelung zu behandeln, weil sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 als sog. Verwendungseigenverbrauch einen Umsatz darstellt, auf den die Regelungen der Umsatzsteuerfreiheit (§ 4 UStG 1980) anwendbar sind (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter B I. 1. b). Ob eine Grundstücksvermietung vorliegt, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH nach bürgerlichem Recht (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209; vom 30. Juni 1993 XI R 62/90, BFHE 172, 178, BStBl II 1993, 808). Vermietung bedeutet sonach die Gebrauchsüberlassung und Gebrauchserhaltung der vermieteten Sache (§§ 535, 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Gebrauchsüberlassung wiederum bedeutet, daß der Vermieter dem Mieter die Sache in einer Weise zur Verfügung stellt, die es diesem erlaubt, ohne weiteres den vertragsgemäßen Gebrauch auszuüben (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. November 1967 VIII ZR 92/65, Der Betrieb 1968, 213; BFH-Urteil in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209).
Im Streitfall hat das FG zwar festgestellt, daß das Haus als Demonstrationsobjekt genutzt wird und in dem Haus mehrfach täglich die Raumtemperatur sowie die Luftfeuchtigkeit gemessen und die nutzungsbedingten "Einflußgrößen" erfaßt werden. Diese Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um zu beurteilen, ob eine Gebrauchsüberlassung im dargestellten Sinne gegeben ist. In dem Fall des BFH-Urteils vom 9. September 1993 V R 42/91 (BFHE 173, 231, BStBl II 1994, 269), der ein zu Wohnzwecken vermietetes Musterhaus betraf, ist der V. Senat ohne nähere Prüfung von einer Vermietung ausgegangen. Der Streitfall könnte anders zu beurteilen sein, insbesondere wenn z. B. die täglichen Messungen nicht von den "Mietern", sondern von Technikern vorgenommen werden mußten. In diesem Fall könnte die Nutzung in einem Ausmaß beschränkt sein, daß nicht mehr von einer Gebrauchsüberlassung gesprochen werden kann.
3. Erfüllt die Verwendung des Hauses den Tatbestand des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980, so ist die Vorsteuer aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 173, 231, BStBl II 1994, 269). Ist die nichtunternehmerische Nutzung des Gebäudes dagegen keine "Vermietung", dann darf die Klägerin zwar die Vorsteuer in voller Höhe abziehen, muß allerdings die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes als umsatzsteuerbaren Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 besteuern.
4. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 ist der Eigenverbrauch nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten zu bemessen. Demgegenüber hat die Klägerin als Bemessungsgrundlage einen -- ihrer Meinung nach ortsangemessenen -- Mietwert von 7 DM pro qm und Monat angesetzt und diesen Wert wegen der durch das Unternehmen verursachten Beeinträchtigungen um 2 DM auf 5 DM herabgesetzt. Das FG hat diese Berechnung übernommen. Diese Berechnung entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, die verlangt, daß von den entstandenen Kosten auszugehen ist. Zur Bemessung des Wertes des Eigenverbrauchs hätten daher die durch die nichtunternehmerische Abgabe verursachten vorsteuerbelasteten Kosten (ins besondere die -- auf die Dauer der Nutzung entfallenden -- Anschaffungs- oder Herstellungskosten, also die Absetzungen für Ab nutzung) angesetzt werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 X R 8/80, BFHE 154, 255, BStBl II 1988, 1012, unter 4. b; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Mai 1993 Rs. C--193/91, BStBl II 1993, 813, Umsatzsteuer-Rundschau 1993, 309).
5. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG auch im einzelnen zu prüfen haben, ob die Aufwendungen für den Schutzraum, die Gartenanlage und für Einrichtungsgegenstände dem Unternehmen zugeordnet werden durften.
Fundstellen
Haufe-Index 420259 |
BFH/NV 1995, 645 |