Leitsatz (amtlich)
1. Betreibt ein Architekt gewerblichen Grundstückshandel, gehören in der Regel alle Grundstücke zum Umlaufvermögen. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Grundstücke, die er eindeutig zum Zweck der Vermögensanlage bebaut hat.
2. Von zum Umlaufvermögen gehörenden Gebäuden sind, abgesehen von Kaufeigenheimen, Absetzungen für Abnutzung nach § 7 oder 7b EStG nicht zulässig.
Normenkette
EStG 1958 und 1961 § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 7, 7b; EStDV 1958 und 1961 § 16 Abs. 1-2; II. WoBauG § 9 Abs. 2
Tatbestand
Zu entscheiden ist in der Einkommensteuersache 1960 und 1961 der Revisionskläger (Steuerpflichtigen), ob der Revisionsbeklagte (FA) zu Recht annahm, die vom Steuerpflichtigen aus der Nutzung und den Verkäufen von Grundstücken erzielten Einkünfte seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Grundstücke gehörten zum Umlaufvermögen mit der Folge, daß keine AfA vorgenommen werden dürfe.
Der Steuerpflichtige war freischaffender Architekt und seit 1953 Mitunternehmer einer Wohnungsbau-KG.
Von 1950 bis 1959 ließ der Steuerpflichtige nach eigenen Entwürfen, auf eigene Rechnung und ausschließlich fremdfinanziert 93 Wohnhäuser mit 293 Wohnungseinheiten, darunter 32 Kaufeigenheime, errichten. Von diesen Häusern, die er zunächst durch Vermietung nutzte, verkaufte er von 1958 bis 1962 52 Wohnhäuser mit 119 Wohnungseinheiten. Hierbei handelte es sich 1958, 1959 und 1960 um Kaufeigenheime und ab 1961 um Miethäuser.
Bis 1959 einschließlich erklärte der Steuerpflichtige die Einkünfte aus dem gesamten Grundbesitz als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nahm die erhöhte AfA nach § 7b EStG in Anspruch. Dementsprechend führte das FA die Einkommensteuerveranlagungen durch.
Bei den Veranlagungen für die Streitjahre vertrat das FA die Auffassung, daß die Einkünfte aus den Nutzungen und Verkäufen der Grundstücke als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen seien. Zur Ermittlung dieser Einkünfte wurden den erklärten Mieteinkünften die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen und, ausgehend von der Annahme, daß sämtliche Grundstücke zum Umlaufvermögen gehörten, die für 1960 und 1961 in Anspruch genommene AfA nach § 7 und § 7b EStG zugerechnet.
Die von den Steuerpflichtigen statt des Einspruchs eingelegte Berufung (§ 261 AO a. F.) führte zur Aufhebung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Sie hatte u. a. insoweit Erfolg, als das FG für die Kaufeigenheime die erhöhte AfA nach § 7b Abs. 3 EStG zuließ.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG sah die Einkünfte des Steuerpflichtigen, die er aus der Vermietung und der Veräußerung seines Grundvermögens bezog, zu Recht als gewerbliche Einkünfte im Sinn des § 15 EStG an. Denn bei der Tätigkeit des Steuerpflichtigen handelte es sich um eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wurde und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellte (§ 1 GewStDV). Die vorinstanzliche Entscheidung entspricht der vor allem in neuerer Zeit zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des BFH (vgl. BFH-Urteile IV R 153/66 vom 16. Februar 1967, BFH 88, 207, BStBl III 1967, 337; VI 199/65 vom 7. April 1967, BFH 88, 450, BStBl III 1967, 467; VI 294/65 vom 7. April 1967, BFH 89, 130, BStBl III 1967, 559, und IV R 17/67 vom 25. Juli 1968, BFH 92, 566, BStBl II 1968, 655). Zwar begründet auch die in größerem Umfang und mit Fremdmitteln betriebene Errichtung von Häusern durch Architekten für sich allein keinen Gewerbebetrieb, wenn die Häuser zur späteren Vermietung bestimmt sind (Urteil des Senats IV 136/61 S vom 12. März 1964, BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364). Anders ist es aber, wenn die Häuser in der Absicht errichtet werden, sie später zu veräußern. In diesem Fall ist der Architekt von dem Zeitpunkt an, in dem er mit den hierfür notwendigen Vorarbeiten, z. B. Ankauf der Grundstücke und Parzellierung, beginnt, Gewerbetreibender. Da die hierbei ausschlaggebende subjektive Willensrichtung nur schwer nachweisbar ist, kommt den objektiven Beweisanzeichen besondere Bedeutung zu. Hat der Steuerpflichtige eine Anzahl von Tätigkeiten entfaltet, die die objektiven Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit erfüllen, so müssen schon besonders gewichtige Gründe nachgewiesen werden, die dafür sprechen, daß bestimmte Tätigkeiten nicht im Hinblick auf den schließlich realisierten Erfolg entfaltet wurden (Urteil des Senats IV R 17/67). Nach diesen Grundsätzen ist der Steuerpflichtige spätestens von dem Zeitpunkt an, in dem er mit den Vorarbeiten für die unter Verkaufsauflage errichteten Kaufeigenheime begann, als Gewerbetreibender anzusehen.
2. Das FG nahm zu Recht an, daß die vom Steuerpflichtigen mit Verkaufsabsicht errichteten Gebäude zu seinem Betriebsvermögen, und zwar zu seinem Umlaufvermögen gehörten (vgl. Urteil des RFH VI 640/37 vom 2. Februar 1938, RStBl 1938, 485). Da der Steuerpflichtige gewerblichen Grundstückshandel betrieb, ist daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß er alle seine Grundstücke, abgesehen von dem von ihm bewohnten Einfamilienhaus, bei günstiger Gelegenheit verkauft hätte. Eine Ausnahme kann nur für diejenigen Grundstücke gelten, die der Steuerpflichtige nachweisbar zum Zweck der Vermögensanlage errichtete. Trägt der Steuerpflichtige konkrete und nachprüfbare Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, daß einzelne Häuser zum Zweck der Vermögensanlage erbaut wurden, sind diese als sein Privatvermögen anzusehen. An die Nachweispflicht des Steuerpflichtigen in diesem Punkt sind angesichts des Umfangs seiner Bau- und Verkaufstätigkeit sehr strenge Anforderungen zu stellen.
Für die zum Umlaufvermögen des Steuerpflichtigen gehörenden Gebäude, bei denen es sich nicht um Kaufeigenheime handelte, versagte das FG zutreffend die AfA nach § 7 und nach § 7b EStG. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ist eine AfA nur auf Anlagevermögen zulässig. Bei Umlaufvermögen kommt nur eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert in Betracht (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Anhaltspunkte dafür, daß die Teilwerte der Grundstücke unter die Anschaffungskosten oder die der Gebäude unter die Herstellungskosten gesunken waren, sind nicht ersichtlich.
Bei Kaufeigenheimen ist dagegen die erhöhte AfA nach § 7b EStG auch dann zulässig, wenn sie zum Umlaufvermögen gehören. Denn bei Gebäuden, die als Kaufeigenheime mit der Verpflichtung errichtet wurden, sie an natürliche Personen zu Eigentum zu übertragen, ist auch der Hersteller berechtigt, die erhöhte AfA vorzunehmen (§ 7b Abs. 1 und 3 EStG 1958 und 1961, § 16 Abs. 1 und 2 EStDV 1958 und 1961 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes). Bei dem Hersteller von Kaufeigenheimen handelt es sich in aller Regel um einen Gewerbetreibenden. Das ergibt sich auch aus § 7b Abs. 6 Satz 3 EStG in der ab 1965 geltenden Fassung, wonach der Bauherr von Kaufeigenheimen, Trägerkleinsiedlungen und Kaufeigentumswohnungen für alle von ihm erstellten Kaufeigenheime, Trägerkleinsiedlungen und Kaufeigentumswohnungen im Jahre der Fertigstellung und im folgenden Jahr erhöhte Absetzungen geltend machen kann. Auch in den Fällen der sogenannten Baupaten ging der BFH davon aus, daß für zum Umlaufvermögen gehörende Kaufeigenheime die erhöhte AfA nach § 7b EStG in Anspruch genommen werden durfte, obwohl er die Baupaten als Gewerbetreibende behandelte (vgl. BFH-Urteil VI 199/65).
3. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG es nicht dahingestellt sein lassen durfte, ab wann die Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist. Nach dem Zeitpunkt des Beginns der gewerblichen Tätigkeit richtet sich der Teilwert der Grundstücke und Gebäude im Zeitpunkt der Einbringung in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Von der Höhe der bei der Einbringung einzubuchenden Teilwerte hängt die Höhe der vom Steuerpflichtigen bei den Veräußerungen erzielten Gewinne ab. Das FG wird deshalb prüfen müssen, ob der Steuerpflichtige erst vom Beginn der Vorarbeiten für die Kaufeigenheime an oder schon früher gewerblich tätig war. Es muß dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, die für einen früheren Beginn des Gewerbebetriebes sprechende Vermutung zu widerlegen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 375 |
BFHE 1969, 219 |