Leitsatz (amtlich)
Zur einkommensteuerrechtlichen Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Eltern und Kindern nach vorheriger "Schenkung".
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Veranlagungszeiträume 1969 bis 1971 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden; sie haben einen Sohn, der am 10. Oktober 1943, und eine Tochter, die am 30. Oktober 1950 geboren ist.
Am 25. Juni 1965 schloß der Kläger mit seiner damals minderjährigen Tochter einen notariellen Schenkungsvertrag über 30 000 DM. Dabei nahm der zum Ergänzungspfleger der Tochter bestellte Steuerberater des Klägers die Schenkung für die Tochter an. Am 29. Juni 1965 schlossen der Kläger und seine Tochter, diese wiederum vertreten durch ihren Ergänzungspfleger, einen privatschriftlichen Vertrag, nach dem die Tochter ihrem damals 52 Jahre alten Vater ein Darlehen in Höhe von ebenfalls 30 000 DM bis 31. Dezember 1980 zu einem jährlichen Zinssatz von 6 % gewährte. Die Tochter kann das Darlehen während der gesamten Laufzeit nicht kündigen. In den Bilanzen seines Einzelunternehmens wies der Kläger eine Darlehensschuld von 30 000 DM aus und verbuchte jährlich einen Zinsbetrag von 1 800 DM als Betriebsausgaben.
Am 16. März 1970 schlossen die Klägerin und ihre noch minderjährige Tochter einen notariellen Schenkungsvertrag gleichfalls über 30 000 DM. Auch beim Abschluß dieses Vertrags nahm der Ergänzungspfleger der Tochter für diese das Schenkungsversprechen an. In einem gesonderten Vertrag vom selben Tage bekannte die damals 49 Jahre alte Klägerin, ihrer Tochter einen Betrag von 30 000 DM zu einem jährlichen Zinssatz von 7 % ab 1. Januar 1970 bei einer Laufzeit von 20 Jahren ohne Kündigungsrecht der Tochter als Darlehen zu schulden. Einen ebensolchen Schenkungs- wie auch Darlehensvertrag über 30 000 DM schloß die Klägerin an demselben Tag mit ihrem bereits volljährigen Sohn, der sich wie seine Schwester noch in der Berufsausbildung befand. Die Beträge von jeweils 30 000 DM wurden am 13. März 1970 vom Bankkonto der Mutter zugunsten der Kinder abgebucht und noch am selben Tage im Namen der Kinder wieder auf das Konto der Mutter eingezahlt. Die Kläger machten in den folgenden Jahren die Zinsbeträge von jeweils 4 200 DM als Sonderausgaben geltend.
Nach einer Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den Darlehensverträgen der Kläger die steuerliche Anerkennung und ließ die in den Jahren 1969 bis 1971 angefallenen Zinsen nicht als Betriebsausgaben und Sonderausgaben zum Abzug zu.
Die hiergegen unmittelbar zum FG eingereichten Klagen, die das FG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hatten keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Schenkungs- und Darlehensverträge seien bürgerlich-rechtlich wirksam. Auch wirtschaftlich gesehen sei durch die Verträge eine Änderung eingetreten. Die Kinder hätten echte Forderungen gegen ihre Eltern erlangt. Sie hätten Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen und versteuert. Die gezahlten Zinsen seien nicht auf Unterhaltszahlungen der Kläger an die Kinder angerechnet worden. Die Kinder hätten aus den gezahlten Zinsen weiteres Vermögen angesammelt, was aus den Vermögenserklärungen der Kinder hervorgehe. Sie - die Kläger - könnten für den Erbfall nicht mehr über die geschenkten Beträge verfügen; sie müßten einkalkulieren, daß sie es im Falle des Todes eines ihrer Kinder mit dessen Erben - z. B. Ehegatten - als Gläubiger zu tun hätten. Das von den Beteiligten Gewollte und die von ihnen gewählte bürgerlich-rechtliche Form fielen zusammen. Auf eine besondere Absicherung des Darlehens sei verzichtet worden, weil dem Ergänzungspfleger als langjährigem Steuerberater der Kläger bekanntgewesen sei, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger als gut und krisenfest anzusehen seien. Die Darlehensschuld des Klägers habe nicht auf privaten Erwägungen beruht, vielmehr habe der Kläger den Betrag zur Verstärkung seiner betrieblichen Mittel benötigt und auch verwendet.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide dahin abzuändern, daß in allen Streitjahren zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von 1 800 DM und in den Jahren 1970 und 1971 erhöhte Sonderausgaben von je 4 200 DM anerkannt werden, hilfsweise, den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zinszahlungen von Eltern an Kinder können bei der Ermittlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Nr. 1 EStG) als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder bei der Ermittlung des Einkommens als Schuldzinsen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. d. F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1973, BGBl I 676, BStBl I 545) zum Abzug zugelassen werden, wenn ihnen einkommensteuerrechtlich anzuerkennende Vereinbarungen zugrunde liegen und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die einkommensteuerrechtliche Anerkennung der Vereinbarungen hängt u. a. von der Voraussetzung ab, daß sie auch zwischen einander fremden Personen getroffen worden wären (vgl. Urteil des BFH vom 25. Mai 1976 IV R 226-227/71, BFHE 119, 161, BStBl II 1976, 561, mit weiteren Hinweisen). Diese Voraussetzung findet ihre gesetzliche Rechtfertigung darin, daß Zahlungen von Eltern an ihre Kinder häufig nach dem wirtschaftlichen Kern der zugrunde liegenden Vereinbarungen (§ 1 Abs. 3 StAnpG) Schenkungen an die Kinder sind, insbesondere dann, wenn - wie im Streitfall - die Zahlungen als Gegenleistungen für die Überlassung von Mitteln deklariert werden, die unmittelbar zuvor von den Eltern an die Kinder geschenkt worden sein sollen. Schenkungen von Eltern an Kinder sind nach § 12 Nr. 2 EStG einkommensteuerrechtlich nicht abzugsfähig. Dem steht auch § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG für Sonderausgaben nicht entgegen. Die Vorschrift des § 12 Nr. 2 EStG hat Vorrang vor der Abzugsvergünstigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (BFH-Urteile vom 6. November 1970 VI R 94/69, BFHE 100, 456, BStBl II 1971, 99; vom 18. Oktober 1974 VI R 175/72, BFHE 114, 205, BStBl II 1975, 502). Diesen Grundsätzen entspricht es, wenn der BfH im Urteil vom 22. November 1963 VI 178/62 U (BFHE 78, 184, BStBl III 1964, 74) in einem Fall, in dem Großeltern ihrem Enkel und Alleinerben Beträge "geschenkt" hatten, diese aber als "Darlehen" zugleich wieder zurückgewährt wurden, die darauf gezahlten Zinsen als Schenkungen der Großeltern nach § 12 Nr. 2 EStG beurteilt hat. Diese rechtliche Würdigung trifft um so mehr zu, als selbst bürgerlich-rechtlich in einem solchen Falle fraglich ist, ob von einem echten Darlehen gesprochen werden kann, und ob der "Darlehensgeber" einen Anspruch auf die "Darlehenszinsen" gerichtlich durchsetzen könnte (vgl. Pawlowski, BB 1977, 253, 254 f.).
2. Das FG ist nach diesen Grundsätzen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß bei Würdigung des im Streitfall tatsächlich Geschehenen von einem Übergang der Verfügungsmacht über die angeblich geschenkten Beträge auf die Kinder nicht gesprochen werden kann.
a) Bereits der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den "Schenkungen" einerseits und der Rückgewähr der "geschenkten" Beträge an die Eltern andererseits spricht gegen eine ernst gemeinte Übertragung einer Einkunftsquelle auf die Kinder derart, daß die Eltern sich der Verfügungsmacht über die letztlich ihnen verbliebenen Mittel bereits bei Abschluß der Verträge entäußern wollten. Der Auffassung des FG, es habe niemand etwas zu verschenken, was zugleich wieder benötigt werde, ist grundsätzlich zuzustimmen; sie wird im Streitfall noch zusätzlich durch die Modalitäten der sog. Darlehensverträge bestätigt. Die Darlehen sind erst zu einem Zeitpunkt kündbar, in dem die Eltern bereits das 68. und 69. Lebensjahr erreicht haben. Das ist ein gewichtiges Indiz dafür, daß die Eltern das Kapital solange wie möglich selbst nutzen wollten. Schließlich kommt noch hinzu, daß die Darlehen ungesichert geblieben sind. Ein fremder Dritter würde sich zur Gewährung langfristiger Darlehen in der Regel nicht ohne ausreichende Sicherungen bereitfinden. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, von Sicherungen habe man wegen der günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern abgesehen. Die Vermögensverhältnisse lassen sich - das gilt insbesondere für betriebliche Darlehen, aber auch für Darlehen im privaten Vermögensbereich - nicht auf die Zeitdauer von 15 bis 20 Jahren zuverlässig voraussehen.
b) Der Einwand, daß die Kinder mit den als Zinsen deklarierten Zahlungen Vermögen angesammelt hätten, spricht nicht für eine Begründung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Kinder über die den Eltern verbliebenen Beträge. Denn ein solches Vermögen ließ sich auch aus laufenden Schenkungen der Eltern bilden. Ebensowenig läßt sich mit Erfolg einwenden, der Kläger habe die aus einem "Darlehen" der Tochter empfangenen Beträge in seinem Unternehmen benötigt. Dieser Umstand spricht eher gegen die Absicht des Vaters, die Verfügungsmacht über die Mittel bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses endgültig aufzugeben. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil die Kläger möglicherweise im Falle des vorzeitigen Todes der Kinder nach Eintritt der Kündbarkeit und Kündigung der Darlehen tatsächlich an die Erben auszubezahlen hätten oder weil sie sich im Falle der Abtretung der Darlehensforderungen fremden Gläubigern gegenübersehen würden. Wirtschaftlich würde sich durch diese Vorgänge weder an der Möglichkeit der Eltern, das Kapital über lange Zeit selbst zu nutzen, noch an der ungesicherten Rechtslage der Gläubiger etwas ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 72280 |
BStBl II 1977, 414 |
BFHE 1977, 458 |
NJW 1977, 2183 |