Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Unterschrift unter der Revisionsbegründung; Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung bei Beteiligung von Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Zu einer ordnungsgemäßen Unterschrift unter der Revisionsbegründung gehört, daß mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind.
2. Ist an der Betriebsgesellschaft nur der eine Ehegatte beteiligt und gehören die an diesen verpachteten Wirtschaftsgüter allein dem anderen Ehegatten (sog. Wiesbadener Modell), so ist die Zusammenrechnung der Anteile der Ehegatten mit der sich daraus ergebenden personellen Verflechtung nicht möglich. In einem solchen Fall kann aber die Betriebsaufspaltung unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Beherrschung in Betracht kommen.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1980 Inhaber eines Baustoffhandels. Zum 1. Juli 1980 veräußerte er die Wirtschaftsgüter des Betriebs mit Ausnahme des Lagerplatzes und der Gebäude an eine neugegründete KG. Der KG, die den Baustoffhandel fortführte, verpachtete der Kläger die zurückbehaltenen Gegenstände für monatlich ca. 6 000 DM. Komplementärin der KG ist eine am 13. Juni 1980 ins Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); einzige Kommanditistin ist die Ehefrau des Klägers. Seit dem 17. November 1980 gehören ihr auch sämtliche Anteile an der GmbH. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH und zugleich der KG ist der Kläger.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzam - FA -) nahm eine echte Betriebsaufspaltung mit einem Besitzunternehmen des Klägers und einem Betriebsunternehmen der KG an und rechnete bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags den Überschuß aus den Pachteinnahmen dem bis zum 30. Juni 1980 erzielten laufenden Betriebsergebnis hinzu.
Die - nach erfolglosem Einspruchsverfahren - erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Zur Begründung führte es aus, es seien sowohl die sachlichen als auch die personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt. Zwar sei der Kläger am Betriebsunternehmen rechtlich nicht beteiligt. Gleichwohl ergebe sich aus dem gemeinsamen Interesse der Eheleute aus einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft die - im Streitfall nicht widerlegte - Vermutung einer Übereinstimmung auch in geschäftlichen Dingen. Im Hinblick darauf könne im Streitfall offenbleiben, ob auch eine faktische Beherrschung des Betriebsunternehmens durch den Kläger (Fachkenntnisse i.V. mit Geschäftsführung) gegeben sei.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der - für frühere Zeiten sicher berechtigte - Erfahrungssatz, wonach Familienangehörige gleiche Interessen verträten, erscheine aus heutiger Sicht zweifelhaft. Er beantragt, das Urteil des FG sowie den Gewerbesteuermeßbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung des FG sei zutreffend. Davon abgesehen bestünden erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Revision, weil sowohl die Revision selbst als auch die Revisionsbegründung lediglich mit einem Kürzel unterzeichnet worden seien (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Januar 1986 III R 50/84, BFHE 147, 199, BStBl II 1986, 489).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Sie kann nicht, wie das FA meint, mit der Begründung als unzulässig verworfen werden (§§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), daß die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Revisionsschrift des Klägers keine ordnungsgemäße Unterschrift trage und folglich nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform (§ 120 Abs. 1 FGO) entspreche. Für eine ordnungsgemäße Unterschrift (Erfordernis der Schriftform) unter bestimmenden Schriftsätzen bestehen nach der Rechtsprechung folgende Anforderungen:
Die Unterschrift muß nicht lesbar sein. Es muß sich aber um einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug handeln, der charakteristische Merkmale aufweist und sich nach dem gesamten Schriftbild als Unterschrift eines Namens darstellt. Dazu gehört, daß mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Eine Paraphe an Stelle der erforderlichen Unterschrift genügt nicht (vgl. Beschluß des BFH in BFHE 147, 199, BStBl II 1986, 489, m.w.N.).
Der Senat sieht, gemessen an diesen Anforderungen, die im Streitfall zu beurteilende Unterschrift des Steuerberaters A als für die Schriftform ausreichend an. Es handelt sich um einen individuellen Schriftzug mit charakteristischen Merkmalen, der nach dem Umfang des Schriftbildes über ein bloßes Handzeichen (Paraphe) hinausreicht, sich gegenüber anderen Unterschriften deutlich unterscheidet und auch schwer nachahmbar ist. Insbesondere läßt sich noch eine Folge von Buchstaben erkennen, die ersichtlich den ganzen Namen des Prozeßbevollmächtigten darstellen soll. In dem in BFHE 147, 199, BStBl II 1986, 489 entschiedenen Fall konnten dagegen die Schriftzeichen jeweils nur als ein Buchstabe gedeutet werden.
Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Verpachtung des Lagerplatzes und der Gebäude kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Gewerbebetrieb darstellen, der der Gewerbesteuerpflicht unterliegt (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in den für die Streitjahre maßgebenden Fassungen).
1. Die bloße Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist grundsätzlich Vermögensverwaltung und kein Gewerbebetrieb. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH zur Betriebsaufspaltung (BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) dann, wenn die von einer Einzelperson, einer Gemeinschaft oder einer Personengesellschaft betriebene Vermietung oder Verpachtung (Besitzunternehmen) die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft (Betriebsgesellschaft) zum Gegenstand hat - sachliche Verflechtung - und eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in dem Sinne beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen - personelle Verflechtung -. Liegen die Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vor, so ist die Vermietung und Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Vermietung und Verpachtung; das Besitzunternehmen ist ein Gewerbebetrieb.
2. Die bisherigen Feststellungen des FG lassen im Streitfall eine abschließende Beurteilung nicht zu.
Nach den unbestrittenen Feststellungen des FG haben zwar die an die KG verpachteten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der KG gehört, so daß die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung gegeben sind.
Offen ist aber, ob auch die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung mit der Rechtsfolge eines Gewerbebetriebs des Klägers aufgrund einer personellen Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft erfüllt sind.
Nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH kommt die Zusammenrechnung der Anteile (Stimmen) der Ehegatten mit der sich daraus ergebenden personellen Verflechtung nicht in Betracht, wenn - wie im Streitfall - an der Betriebsgesellschaft nur die Ehefrau des Klägers beteiligt ist und die an diese verpachteten Wirtschaftsgüter allein dem Kläger (Besitzunternehmen) gehören (sog. Wiesbadener Modell, vgl. dazu BFH-Urteile vom 30. Juli 1985 VIII R 263/81, BFHE 145, 129, BStBl II 1986, 359, und vom 9. September 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in BFHE 145, 129, BStBl II 1986, 359 verwiesen.
Allerdings kann in einem solchen Fall eine Betriebsaufspaltung unter dem Gesichtspunkt einer sog. faktischen Beherrschung in Betracht kommen. Diese hält die Rechtsprechung des BFH - unabhängig von den (rechtlichen) Beteiligungsverhältnissen - in besonderen Fällen für möglich, wenn die das Besitzunternehmen beherrschende Person ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft aufgrund einer ,,tatsächlichen Machtstellung" ausüben kann (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 1976 IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750, und vom 16. Juni 1982 I R 118/80, BFHE 136, 287, BStBl II 1982, 662). Einen solchen Ausnahmefall hat der BFH im Urteil in BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750 unter anderem darin gesehen, daß die nicht fachkundigen Ehefrauen ein bisher von ihren Ehemännern betriebenes gewerbliches Unternehmen formal durch Gründung einer neuen Gesellschaft übernahmen, die Ehemänner aber das Anlagevermögen zurückbehielten und an die aus den Ehefrauen bestehende neue Gesellschaft verpachteten und außerdem aufgrund von als Anstellungsverträgen bezeichneten Vereinbarungen auch weiterhin die Geschäfte des Unternehmens führten. Für diese Entscheidung war wesentlich, daß die Ehefrauen auf die Fachkenntnisse der Ehemänner angewiesen waren.
Ob im Streitfall der Ehefrau des Klägers die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen und sie sich auch tatsächlich den Vorstellungen des ihr nahestehenden - mit der Geschäftsführung betrauten - Ehemannes (des Klägers als Inhaber des Besitzunternehmens) unterordnet, lassen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht erkennen. Das FG hat die Frage ausdrücklich offengelassen. Es wird die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachholen müssen.
Ob im Streitfall möglicherweise die Voraussetzungen einer (verdeckten) Mitunternehmerschaft erfüllt sind, kann nur im Feststellungsverfahren der KG entschieden werden.
Fundstellen
Haufe-Index 415324 |
BFH/NV 1989, 252 |