Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorwiegender Aufenthalt in Berlin (West) als Voraussetzung für Berlin-Präferenz
Leitsatz (NV)
- Ein Steuerpflichtiger hält sich i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG vorwiegend an seinem Wohnsitz in Berlin (West) auf, wenn der Aufenthalt dort insgesamt mehr als die Hälfte des Jahres ausmacht. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der körperlichen Anwesenheit und nicht auf Anwesenheitstage als Zeiteinheiten an. Tage, an denen der Steuerpflichtige sich nicht den ganzen Tag über in Berlin (West) aufhält, können deshalb nicht voll, sondern nur anteilig in die Berechnung einbezogen werden.
- Die Zulassung der Revision durch das FG für Streitjahre, die nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde sind, ist, weil offensichtlich gesetzwidrig, für den BFH nicht bindend. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist daher insoweit abzusehen.
Normenkette
BerlinFG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GKG § 8 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Ingenieur. Er wurde in den Streitjahren (1986 bis 1988), in denen er u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielte, mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Familienwohnsitz des Klägers, seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder befand sich seinerzeit in A.
Der Kläger war in den Streitjahren Geschäftsführer der C-GmbH mit Sitz in Berlin (West). Um dieser Tätigkeit nachzugehen, reiste er in der Regel entweder am Montagmorgen oder am Dienstagmorgen von A nach Berlin und kehrte entweder ―bei Anreise am Montag― am Donnerstagabend oder ―bei Anreise am Dienstag― am Freitagabend nach A zurück. Auswärtige Termine nahm der Kläger grundsätzlich an dem Tag wahr, an dem er sich nicht mehr in Berlin aufhielt (Freitag oder Montag). Fünf Wochen im Jahr hielt er sich nur vom Morgen des Anreisetages bis zum Abend des übernächsten Tages in Berlin auf. Den Urlaub verbrachte er mit seiner Familie teils im Ausland (drei Wochen), teils in Berlin (drei Wochen im Sommer, eine Woche im Herbst). Während seiner Aufenthalte in Berlin wohnte der Kläger in einer bereits geraume Zeit vor dem Umzug nach A von ihm angemieteten und eingerichteten Wohnung, deren teilweise unentgeltliche Mitbenutzung er nach Verlegung des Familienwohnsitzes nach A einer Bekannten eingeräumt hatte. Ihm stand in den Streitjahren in dieser Wohnung ein Arbeitszimmer und ein weiteres, mit einem als "Hochbett" dienenden Zwischenboden ausgestattetes Zimmer zur Verfügung, das zum Schlafen und zur Aufbewahrung von Bekleidung und Wäsche diente. Küche und Bad wurden vom Kläger und seiner Bekannten gemeinsam genutzt. Auf den Klingel- und Briefkastenschildern waren beide Namensschilder angebracht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte, nachdem er anläßlich einer aus anderen Gründen beim Kläger durchgeführten Steuerfahndungsprüfung von den Umständen der Unterbringung des Klägers in Berlin Kenntnis erlangt hatte, die Einkommensteuer für die Streitjahre durch geänderte Bescheide, in denen er die Tarifermäßigung gemäß § 21 Abs. 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in den in den Streitjahren geltenden Fassungen nicht mehr gewährte, neu fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Vernehmung verschiedener Zeugen zu den Einzelheiten der Unterbringung des Klägers und zur Dauer seiner Aufenthalte in Berlin bezüglich des Streitjahres 1986 mangels Überzeugung davon, daß der Kläger sich mehr als die Hälfte des Jahres in Berlin aufgehalten habe, als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 437). Zur Abweisung der Klage bezüglich der Streitjahre 1987 und 1988 als unzulässig bezog es sich darauf, daß der Kläger während des Klageverfahrens ergangene Änderungsbescheide für diese Jahre nicht fristgerecht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht habe und ihm hinsichtlich der Versäumung der Frist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.
Mit der vom FG auf die nur das Streitjahr 1986 betreffende Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers für sämtliche Streitjahre zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, das Urteil des FG Köln vom 30. Oktober 1997 14 K 2070/92 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG Köln zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist, soweit sie das Streitjahr 1986 betrifft, unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Im übrigen ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
I. Das FG hat den Begriff "vorwiegend" in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG zutreffend in dem Sinne ausgelegt, daß es auf die Gesamtzeit der körperlichen Anwesenheit des Steuerpflichtigen in Berlin und nicht auf Anwesenheitstage als Zeiteinheiten ankommt. Sein Urteil ist auch insoweit ―zumindest im Ergebnis― rechtsfehlerfrei, als es die Berechnung der Aufenthaltsdauer für das Streitjahr 1986 und die Entscheidung nach den Grundsätzen der Feststellungslast betrifft.
1. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie auf Einkünfte aus Berlin (West) i.S. des § 23 BerlinFG entfällt, bei zur Einkommensteuer veranlagten Personen, die bei mehrfachem Wohnsitz während des ganzen Veranlagungszeitraums einen Wohnsitz in Berlin (West) haben und sich dort vorwiegend aufhalten. Diese Gesetzesfassung geht zurück auf das Gesetz zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes vom 20. April 1979 (BGBl I 1979, 477). Bis dahin kam es bei Personen, die einen von mehreren Wohnsitzen während des ganzen Veranlagungszeitraums in Berlin (West) hatten, darauf an, ob sie dort veranlagt wurden (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1978, BGBl I 1979, 1). Die Änderung sollte verhindern, daß ein sich vorwiegend in Berlin aufhaltender verheirateter Steuerpflichtiger mit Familienwohnsitz außerhalb von Berlin die Tarifermäßigung nur deshalb nicht erhielt, weil er nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht in Berlin zu veranlagen war (BTDrucks 8/2630, 11). Eine sachliche Änderung gegenüber der früheren Gesetzesfassung sollte damit nicht verbunden sein.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 20. April 1979 entschieden, daß sich der Steuerpflichtige, um die Präferenz gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG zu erhalten, "überwiegend" in Berlin aufhalten, d.h. dort körperlich anwesend sein muß (Urteil vom 15. Februar 1977 VIII R 34/73, BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328). Er hat im Urteil vom 5. November 1985 VIII R 103/80 (BFH/NV 1987, 160) an dieser Auslegung festgehalten. Dabei hat er ausdrücklich darauf abgestellt, daß entscheidend sein muß, in welchem zeitlichen Umfang sich eine Person in Berlin aufgehalten hat. Auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und in der Literatur wird auf dieses Kriterium abgestellt (FG München, Urteil vom 21. November 1972 II 163/68, EFG 1973, 197, und FG Berlin, Urteil vom 22. April 1986 V 404/84, EFG 1986, 544; Brüggmann, Finanz-Rundschau 1965, 263; George, Berliner Steuerpräferenzen, 6. Aufl., § 21 Rdnr. 9 f.; ders. in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 21 BerlinFG Rz. 3; Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, 1973/1995, § 21 Tz. 18 f.; Dankmeyer in Blümich, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz/Gewerbesteuergesetz, § 21 BerlinFG Rz. 31).
Das Abstellen auf den zeitlichen Umfang des Aufenthalts gebietet es, wie das FG zutreffend angenommen hat, den Aufenthalt des Steuerpflichtigen in Berlin so genau wie möglich zu berechnen, um festzustellen, ob der Aufenthalt insgesamt mehr als die Hälfte des Jahres ausmacht. Tage, an denen der Steuerpflichtige sich nicht den ganzen Tag über in Berlin aufgehalten hat, können dabei nicht als volle Tage gezählt werden.
Die Grundsätze, die für die Auslegung der dem Art. 15 Abs. 2 Buchst. a OECD-Musterabkommen aus 1977 (OECD-MustAbk) entsprechenden Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen gelten, lassen sich auf § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG nicht übertragen. Nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. a OECD-MustAbk steht das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur dann abschließend dem Staat zu, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, wenn dieser sich dort länger als 183 Tage innerhalb des maßgebenden Zeitraums aufhält. Diese Bestimmung und die ihr entsprechenden Bestimmungen der einzelnen Abkommen knüpfen ―anders als § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerlinFG― ausdrücklich an Tage als Zeiteinheiten an, verlangen zur Erfüllung dieser Zeiteinheit indes lediglich einen nicht näher bestimmten Aufenthalt während eines Tages im Tätigkeitsstaat. Ein solcher Aufenthalt liegt aber auch bei einer nur kurzfristigen Anwesenheit vor (BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 I R 4/96, BFHE 181, 158, BStBl II 1997, 15; Schieber in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 15 Rz. 94; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Januar 1994 IV C 5 -S 1300- 197/93, BStBl I 1994, 11, Nr. 2). Dieses Verständnis trägt den den entsprechenden Abkommensbestimmungen zugrunde liegenden Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen Rechnung.
Der Streitfall gibt keinen Anlaß, abschließend zu entscheiden, mit welchen kleinsten Bruchteilen Tage, die der Steuerpflichtige nicht in vollem Umfang in Berlin verbracht hat, in die Berechnung seiner Aufenthaltsdauer einzubeziehen sind, wenn der Steuerpflichtige nicht durch Aufzeichnungen oder auf andere Weise die exakten Zeitpunkte des Aufenthaltsbeginns (-endes) in Berlin nachweisen kann. Der Zweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG, die Tarifermäßigung nur Personen zu gewähren, die sich "wesentlich" am wirtschaftlichen Leben in Berlin beteiligen (BTDrucks 8/2630, 11) bzw. deren "wirtschaftliche Belange, Lebensinteressen und Schicksal räumlich aufs engste mit dem Land Berlin verbunden sind" (BTDrucks 2/1159, 23), läßt es jedenfalls nicht zu, aus Vereinfachungsgründen An- und Abreisetage als volle Tage in die Berechnung des Berlin-Aufenthalts einzubeziehen. Dieses Vorgehen hätte zur Folge, daß beispielsweise bei wöchentlicher Anreise am Montag abend und einer Abreise am Donnerstag morgen eine Aufenthaltsdauer von 4 Tagen und damit ein vorwiegender Aufenthalt in Berlin anzunehmen wäre, obwohl der Steuerpflichtige sich dort gerade nicht überwiegend aufgehalten hat.
Die Zielsetzung, nur Steuerpflichtige zu entlasten, die durch ihren vorwiegenden Aufenthalt in Berlin eine besonders enge Beziehung zu diesem Land aufweisen, ist auch nicht dadurch erfüllt, daß sie an Tagen, die sie nicht in vollem Umfang in Berlin verbringen, dort Geschäftsabschlüsse tätigen. Die Bestimmung der begünstigten Einkünfte ist Gegenstand der Regelungen in § 23 BerlinFG. § 21 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG verlangt für die Gewährung der Präferenz ohne Rücksicht auf eine spezifische Beziehung der Einkünfte zu Berlin eine über die Einkünfteerzielung hinausgehende Verbundenheit mit dieser Stadt.
Es ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das FG mangels Aufklärbarkeit der exakten Aufenthaltsdauer des Klägers in Berlin an den An- und Abreisetagen diese nur als halbe Tage in die Berechnung einbezogen hat.
2. Die auf das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützte Annahme des FG, daß sich der Kläger nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen 1986 nicht mehr als die Hälfte des Jahres in Berlin aufgehalten habe bzw. sich ein Aufenthalt des Klägers von mehr als der Hälfte des Jahres jedenfalls nicht sicher feststellen lasse, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
Allerdings läßt die Vorentscheidung, worauf auch der Kläger hinweist, nicht erkennen, weshalb das FG für die Wochen, in denen der Kläger den Urlaub in Berlin verbracht hat, lediglich 5 Aufenthaltstage angesetzt hat. Das FG hat insoweit selbst eingeräumt, daß für diese Zeit die Wochenendaufenthalte des Klägers in A entfielen, er vielmehr auch an den Wochenenden in Berlin war. Der Vorentscheidung ist auch nicht zu entnehmen, daß die Kürzung dieser Aufenthalte um jeweils 2 Tage je Woche beruflichen oder privaten Aufenthalten des Klägers außerhalb Berlins Rechnung tragen soll.
Ein etwaiger mit dieser Berechnung verbundener sachlicher Fehler wirkt sich indes nicht in der Weise aus, daß deshalb die Vorentscheidung im Ergebnis unzutreffend wäre; denn auch bei einem Ansatz von 7 Aufenthaltstagen pro Woche während der Urlaube in Berlin würde sich der vom FG ermittelte Aufenthalt des Klägers um nicht mehr als 8 Tage erhöhen. Er würde sich dann auf 180,5 Tage belaufen. Selbst dann, wenn der regelmäßige 3 1/2tägige Aufenthalt des Klägers während einer Arbeitswoche für 42 statt 40 Wochen anzusetzen wäre, weil dies eher einem Wert von 80 v.H. der Jahreswochenzahl entspricht, würde sich nur eine weitere Erhöhung um 2 Tage ergeben ([42 x 3,5 Tage + 3 x 2,5 Tage = 154,5 Tage] ./. [40 x 3,5 Tage + 5 x 2,5 Tage = 152,5 Tage] = 2 Tage).
Das Vorbringen des Klägers, auch die Tage vor und nach den Urlauben in Berlin seien bei der Berechnung des überwiegenden Aufenthalts einzubeziehen, läßt es dagegen nicht zu, eine weitere einen rechnerischen Aufenthalt von mindestens 183 Tagen begründende Erhöhung der Anwesenheitszeit vorzunehmen. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Kläger in den Arbeitswochen vor dem Urlaubsbeginn über den Donnerstag oder den Freitag als letzten Arbeitstag hinaus den Aufenthalt in Berlin fortgesetzt hat. Ebenso fehlt es an Feststellungen, daß der Kläger im Anschluß an die jeweiligen Urlaubsaufenthalte zunächst in Berlin geblieben und erst zum Ende der sich anschließenden Arbeitswochen nach A zurückgekehrt ist. Vorstellbar ist auch, daß die Aufenthalte des Klägers in Berlin vor und nach den dort verbrachten Urlauben nicht unmittelbar mit dem Urlaubsaufenthalt verknüpft waren. Da die Zeugen keine Aussagen gemacht haben, die das Vorbringen des Klägers in dieser Hinsicht bestätigen, begegnet es keinen Bedenken, daß das FG insoweit keine weiteren Aufenthaltstage zugunsten des Klägers angesetzt hat.
Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das FG die Feststellungslast für einen Aufenthalt in Berlin von mehr als der Hälfte des Jahres dem Kläger zugewiesen hat. Diese Verteilung der Feststellungslast steht vielmehr im Einklang mit den BFH-Urteilen in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 und in BFH/NV 1987, 160. Das FG hätte deshalb die Klage selbst dann als unbegründet abweisen dürfen, wenn es rechnerisch zu einem Aufenthalt des Klägers in Berlin von geringfügig mehr als der Hälfte des Jahres gelangt wäre, ihm die Aussagen der Zeugen zur Aufenthaltsdauer des Klägers indes nicht verläßlich genug erschienen wären, um darauf die Überzeugung vom Vorliegen eines "vorwiegenden Aufenthalts" im Sinne einer Zweifeln Schweigen gebietenden Gewißheit stützen zu können.
3. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob das FG die Klage zu Recht als unbegründet statt als unzulässig abgewiesen hat. Der Kläger hat von den geänderten Bescheiden für 1986 lediglich den Bescheid vom 1. Juli 1993, nicht dagegen auch den Bescheid vom 28. Dezember 1992 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dieser Bescheid nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden und deshalb nicht wirksam geworden ist, so daß der Antrag nach § 68 FGO entbehrlich war. Es ist demnach davon auszugehen, daß es im Zeitpunkt der Entscheidung des FG an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlte. Da die Klage indes schon aus sachlichen Gründen keinen Erfolg haben kann, bedurfte es ―anders als in dem dem BFH-Urteil vom 20. Mai 1994 VI R 105/92 (BFHE 175, 3, BStBl II 1994, 836) zugrunde liegenden Streitfall― keiner Aufhebung der Vorentscheidung und einer Zurückverweisung der Sache an das FG. Eine von einem Kläger eingelegte Revision ist vielmehr ohne Rücksicht darauf unbegründet, ob die Klage unzulässig oder unbegründet ist.
II. Die Revision ist unzulässig, soweit sie die Streitjahre 1987 und 1988 betrifft.
Der Senat versteht die Revision in dem Sinne, daß sie sich auch auf diese Jahre bezieht. Der Kläger hat sich zwar mit dem diese Jahre betreffenden Teil der Vorentscheidung in der Revisionsbegründung und dem weiteren Schriftsatz vom 22. Juli 1998 nicht auseinandergesetzt. Die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und der Schriftsatz vom 22. Juli 1998 beziehen sich aber jeweils auf sämtliche Streitjahre. Auch der im Revisionsverfahren gestellte Antrag betrifft die Vorentscheidung ohne Beschränkung auf bestimmte Streitjahre. Von daher ist die Revision als auch auf die Jahre 1987 und 1988 bezogen anzusehen.
Für die Streitjahre 1987 und 1988 liegt keine bindende Revisionszulassung vor. Der BFH geht allerdings davon aus, daß er grundsätzlich an die Zulassung der Revision durch das FG gebunden ist, und zwar auch dann, wenn die Zulassung erst im Beschwerdeverfahren durch Abhilfebeschluß erfolgt ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Zulassung der Revision offensichtlich gesetzwidrig ist (Beschluß vom 9. November 1988 II R 20/86, BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109, m.w.N.). Dazu gehört auch der hier gegebene Fall, daß das FG die Revision für mehrere Streitjahre, die Gegenstand der Vorentscheidung waren, zuläßt, obwohl sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf ein Streitjahr beschränkt. Diese Beschränkung hat zur Folge, daß die Vorentscheidung im übrigen rechtskräftig wird und damit auch der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren entzogen ist. Die Zulassung der Revision auch für die Streitjahre, die nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde waren, kann die bereits eingetretene Rechtskraft nicht nachträglich wieder beseitigen. Die Revisionszulassung ist deshalb insoweit offensichtlich gesetzwidrig und damit nicht bindend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes insoweit abzusehen, als sie durch die Anfechtung der Vorentscheidung für die Streitjahre 1987 und 1988 entstanden sind, weil die Revisionseinlegung hinsichtlich dieser Jahre letztlich auf einer unrichtigen Entscheidung des FG, nämlich der gesetzwidrigen Zulassung der Revision, beruht (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Oktober 1976 V B 21/76, insoweit in BFHE 120, 26, BStBl II 1976, 774 nicht abgedruckt).
Fundstellen
BFH/NV 1999, 1190 |
HFR 1999, 700 |