Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine GrESt-Befreiung nach dem GrEStEigWoG für den Erwerb durch GbR
Leitsatz (NV)
1. Der Erwerb eines Zweifamilienhausgrundstückes durch eine GbR wird nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG von der Besteuerung ausgenommen.
2. Grunderwerbsteuerrechtlich wird die GbR als selbständiger Rechtsträger angesehen und ist als Vertragsteil - ungeachtet des Umstandes, daß sie nicht wie die Personenhandelsgesellschaften unter einem gemeinsamen Namen erwerben kann - selbst als Steuerschuldnerin anzusehen.
3. Aus der grunderwerbsteuerrechtlichen Anknüpfung an das Recht am Grundstück folgt, daß die Zurechnungsvorschriften des § 39 AO 1977 im Bereiche der die GrESt regelnden Tatbestände bedeutungslos sind.
4. Zur Wirkung einer materiell-vorläufigen Freistellung.
5. Zu den Wirkungen eines allgemeinen Verwaltungserlasses über die Anwendung des GrEStEigWoG auf den Erwerb durch eine GbR.
Normenkette
AO 1977 §§ 39, 163; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1; GrESWG ND § 1 Nr. 4; GrESWG ND § 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klin. ist eine GbR. Ihre Gesellschafter sind A und B. Zweck der Klin. war der Erwerb eines Grundstücks zum Bau eines Zweifamilienhauses. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. April 1981 erwarb die Klin. von der X-KG ein Grundstück. In der Urkunde heißt es, das Grundstück solle mit einem Zweifamilienhaus bebaut werden; die Baulichkeiten würden als wesentliche Bestandteile mitverkauft. Die Verkäuferin war verpflichtet, den Rohbau zu errichten. Der Gesamtkaufpreis betrug . . . DM. In der Urkunde wurde Befreiung von der GrESt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) beantragt. Diesem Antrag entsprach das FA und erteilte am 10. Juni 1981 einen entsprechenden Freistellungsbescheid.
Am 11. Juli 1981 setzten sich die Gesellschafter der Klin. bezüglich des Grundstücks dahingehend auseinander, daß jeder von ihnen eine ideelle Hälfte des Grundstücks erwarb. Dabei verpflichteten sie sich, das Grundstück zum Bau eines steuerbegünstigten Zweifamilienhauses zu verwenden. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sollten von jedem Gesellschafter hälftig getragen werden. Gleichzeitig schlossen sie eine Nutzungsvereinbarung, welche Wohnung von wem ausschließlich genutzt werden solle.
Mit Bescheid vom 18. August 1981 setzte das FA gegen die Klin. GrESt fest. Im Einspruchsverfahren wurde vorgetragen, der ursprüngliche Zusammenschluß zu einer GbR habe auf einem Irrtum beruht, der erst nach Erhalt der Notariatsurkunden bemerkt worden sei. Um den Eigentumsübergang nicht zu gefährden, sei auf Anraten des Notars die Klin. in das Grundbuch eingetragen worden. Im übrigen stehe der Steuerfestsetzung der Freistellungsbescheid vom 10. Juni 1981 entgegen.
Diesen Freistellungsbescheid hob das FA am 8. Juni 1982 mit der Begründung auf, die Klin. habe kein Zweifamilienhaus, sondern lediglich einen Rohbau erworben. Den gegen den Aufhebungsbescheid eingelegten Einspruch nahm die Klin. am 27. Juli 1982 zurück.
Den Einspruch gegen den Bescheid vom 18. August 1981 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 1982 zurück. Der steuerbegünstigte Zweck sei mit der am 11. Juli 1981 erfolgten Auseinandersetzung aufgegeben worden.
Die Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt wird, hat das FG abgewiesen. Der Auffassung der Klin., der GrESt-Bescheid vom 18. August 1982 sei schon deshalb aufzuheben, weil seinem Erlaß die Freistellung durch Bescheid vom 10. Juni 1981 entgegengestanden habe, sei nicht zu folgen. Denn nach § 44 Abs. 2 FGO sei Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden habe. Im Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung sei aber der Freistellungsbescheid bereits bestandskräftig aufgehoben gewesen. Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG könne nicht begehrt werden, weil das Gesetz den Erwerb durch Personengesellschaften nicht begünstige. Auch Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer - GrESWG ND - komme nicht in Betracht, weil die Klin. - ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung nach dieser Vorschrift erfüllt seien - zumindest den begünstigten Zweck infolge Auseinandersetzung ihrer Gesellschafter am 11. Juli 1981 aufgegeben habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klin. ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEigWoG und von § 1 Nr. 4 GrESWG ND. Weiter wird ausgeführt, entgegen der Auffassung des FG sei der in DB 1978, 722 veröffentliche Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 4. April 1978 wegen Schaffung eines Vertrauenstatbestandes auch für die finanzgerichtliche Entscheidung von Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klin. ist unbegründet.
1. Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß der Erwerb eines Zweifamilienhausgrundstücks durch eine GbR - wie die Klin. - nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG von der Besteuerung ausgenommen war.
Nach dieser Vorschrift war der Erwerb eines Grundstücks mit einem Zweifamilienhaus auf Antrag von der GrESt befreit, wenn mindestens eine Wohnung vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und das Zweifamilienhaus zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Das Verlangen nach eigenwohnlicher Nutzung durch den Erwerber oder seine nächsten Angehörigen unterstreicht den Willen des Gesetzgebers, den Erwerbsvorgang nicht nur wegen der mit ihm verfolgten Vermögensbildung zu befreien, sondern um des Wohnens im eigenen Heim willen (vgl. dazu auch Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Mai 1981 II R 146/79, BFHE 133, 448, BStBl II 1981, 680, und vom 31. März 1982 II R 88/81, BFHE 136, 151, BStBl II 1982, 627). Aus dieser Zielsetzung des Befreiungsgesetzes ist zu folgern, daß die Begünstigung auf den Erwerb durch natürliche Personen beschränkt ist, während der Erwerb durch Gesellschaften einschließlich der GbR davon nicht erfaßt ist. Zwar handelt es sich bei der GbR nur um ein rechtlich verselbständigtes Sondervermögen, dessen Träger nicht die Personengesellschaft als solche ist, sondern dessen Eigentümer die einzelnen Gesellschafter sind, wenn auch gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern in gesamthänderischer Verbundenheit.
Grunderwerbsteuerrechtlich aber ist auch die GbR als selbständiger Rechtsträger anzusehen, die - ungeachtet des Umstands, daß sie nicht gleich den Personenhandelsgesellschaften unter einem gemeinsamen Namen erwerben kann - selbst als Vertragsteil Steuerschuldnerin ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 22. Oktober 1986 II R 118/84, BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183, und vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325). Die GbR kann als Erwerberin die vom Gesetz geforderte Wohnungsnutzung nicht erfüllen.
Zwar hat der Senat, worauf die Klin. hinweist, in seinem Urteil vom 23. August 1978 II R 107/72 (BFHE 125, 569, BStBl II 1978, 654) ausgeführt, daß eine Vorschrift, welche die GrESt-Befreiung auf den Erwerb durch natürliche Personen beschränkt, nicht um des Wortlauts willen den Erwerb durch eine GbR ausschließe. Er hat jedoch darauf hingewiesen, daß jeweils darauf abzuheben sei, was mit dieser Einschränkung in ihrem Sinnzusammenhang gemeint sei. Im Bereich der Vergünstigungen nach dem GrEStEigWoG beruht die Beschränkung auf den Erwerb zu Allein- bzw. Miteigentum durch natürliche Personen gerade auf der Voraussetzung der eigenwohnlichen Nutzung bzw. der wohnlichen Nutzung durch nahe Angehörige. Der Ausschluß des Erwerbs zur gesamten Hand aus der Vergünstigung wird durch die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 GrEStEigWoG bestätigt. Denn nach dieser Vorschrift ist beim Erwerb eines Objektes im Sinne der Nrn. 1 bis 3 im Erbbaurecht nur der Nacherwerb durch den Erbbauberechtigten allein bzw. durch denjenigen begünstigt, der am Erbbaurecht Mitberechtigter nach Bruchteilen ist.
Unzutreffend ist die Annahme der Klin., daß dieser Auslegung § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 entgegenstünde. Denn aus der grunderwerbsteuerrechtlichen Anknüpfung an das Recht am Grundstück folgt, daß die Zurechnungsvorschriften des § 39 AO 1977 im Bereich der der GrESt unterliegenden Tatbestände - und damit auch für die Frage nach dem Eingreifen einer Befreiungsvorschrift - bedeutungslos sind (vgl. auch BFH-Urteile vom 23. Oktober 1974 II R 87/73, BFHE 114, 124, BStBl II 1975, 152 sowie in BFHE 125, 569, BStBl II 1978, 654).
2. Das FG hat auch zutreffend die verfahrensrechtliche Zulässigkeit des angefochtenen GrESt-Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung bejaht.
Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Freistellungsbescheid vom 10. Juni 1981, der im Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung bereits nach § 164 Abs. 2 AO 1977 aufgehoben war, enthielt keine konkrete Billigkeitsmaßnahme des FA dahingehend, daß der Erwerb durch die Klin. trotz deren Rechtsform nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG begünstigungsfähig sei. Er enthielt vielmehr nur die - wenn auch unzutreffende - Rechtsentscheidung, daß der Erwerb materiell vorläufig von der GrESt ausgenommen sei. Denn eine Billigkeitsentscheidung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ist ein Widerspruch in sich selbst, so daß weder aus dem Inhalt des Bescheids noch aus sonstigen Umständen der Schluß gerechtfertigt ist, die Finanzbehörde habe den Willen gehabt und geäußert, eine an sich nicht zustehende Befreiung im Billigkeitswege zu gewähren. Mangels eines diesbezüglichen Entscheidungswillens fehlt es auch an einer diesbezüglichen Regelungsmaßnahme (vgl. § 118 AO 1977).
3. Zutreffend hat das FG auch verneint, daß § 1 Nr. 4 GrESWG ND der Festsetzung der Steuer entgegenstehe. Denn für den Fall des Vorliegens der für diese Befreiungsvorschrift erforderlichen Tatbestandsmerkmale ist jedenfalls der begünstigte Zweck, die Fertigstellung eines Gebäudes, dessen Wohnungen oder Wohnräume nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) grundsteuerbegünstigt ist, vor dessen Herbeiführung dadurch aufgegeben worden, daß sich die Gesellschafter der Klin. auseinandergesetzt haben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GrESWG ND). Denn auch im Rahmen dieser Befreiungsvorschrift war der begünstigte Zweck vom Erwerber selbst herbeizuführen; es ist zu beachten, daß der vom einzelnen Gesellschafter verfolgte Zweck nicht identisch sein kann mit dem von der Gesamtheit der Gesellschafter verfolgten Zweck. Deshalb konnte auch ein Gesellschafter den steuerbegünstigen Zweck eines Erwerbs durch die Gesellschaft nicht in seiner Person erfüllen (vgl. dazu bereits Senatsbeschluß vom 18. November 1969 II B 37/69, BFHE 97, 260, BStBl II 1970, 103).
4. Die Klin. kann sich auch nicht auf einen von den Gerichten zu beachtenden, durch den Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 4. April 1978 - S 4512-36-322 - begründeten Vertrauenstatbestand berufen. In diesem Erlaß heißt es, Erwerbe durch Gesamthandsgemeinschaften seien nach dem GrEStEigWoG grundsätzlich nicht begünstigt; der Minister habe jedoch keine Bedenken, bei Erwerben durch GbR die Erwerbsvorgänge so zu behandeln, als hätten die Gesellschafter Miteigentum zu Bruchteilen erworben. Bei diesem Erlaß handelt es sich nicht um einen auf § 163 AO 1977 gestützten allgemeinen und das Gesetz verdrängenden Billigkeitserlaß, sondern um eine an die nachgeordneten Behörden gerichtete Verwaltungsanweisung, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Gesetzes durch diese sicherstellen soll, die aber nicht eine Bindung aller Rechtsanwender wie durch eine Rechtsverordnung erreichen kann und soll. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, m. w. Nachw.) kann derartigen allgemeinen Verwaltungsanweisungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die nämliche Wirkung zugemessen werden, wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall. Denn anderenfalls würde solchen allgemeinen Verwaltungsanweisungen über den Grundsatz von Treu und Glauben Rechtssatzqualität und der Verwaltung damit eine über das Verordnungsrecht hinausgehende Rechtsetzungsbefugnis verliehen. Das würde nicht nur einen Eingriff in die Befugnisse der Legislative bedeuten, sondern der Rechtsprechung auch das Recht auf Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in einer mit Art. 20 des Grundgesetzes unvereinbaren Weise beschneiden. Denn der Exekutive ist es verwehrt, den Willen des Gesetzgebers - soweit nicht im Einzelfall eine Maßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 in Betracht kommt - zu unterbinden und ihre Vorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 415038 |
BFH/NV 1988, 393 |