Leitsatz (amtlich)

Materiell-rechtliche Voraussetzung für die zollwertmindernde Berücksichtigung innergemeinschaftlicher Beförderungskosten ist der getrennte Ausweis, nicht aber der Nachweis dieser Kosten. Getrennt ausgewiesen sind diese Kosten, wenn ihr Betrag vom Kaufpreis getrennt angegeben ist.

 

Normenkette

EWGV 1224/80 Art. 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.12.1984; Aktenzeichen XI (II) 60/82 Z)

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) fertigte auf Antrag der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) am 4.Februar und 4.März 1982 zwei Sendungen aus den USA stammenden Schweröls zum freien Verkehr ab. Verkäufer war die Firma D in Hamburg. Die Lieferungen erfolgten "unverzollt, unversteuert, frei Werk". In ihren Zollwertanmeldungen setzte die Klägerin als innergemeinschaftliche Beförderungskosten 588,50 DM bzw. 1 143,93 DM zollwertmindernd ab. Diese Beträge sind in den Warenrechnungen der Verkäuferin als "Kosten für Fracht und Abfertigung Antwerpen - Mannheim" gesondert aufgeführt. Eine Frachtrechnung oder Frachtbestätigung des Frachtführers hat die Klägerin nicht vorgelegt. Mit den Steuerbescheiden vom 4.Februar und 4.März 1982 erhob das HZA Zoll unter Zugrundelegung eines Zollwerts, der sich aus den angemeldeten Warenpreisen ohne Abzug der angemeldeten innergemeinschaftlichen Beförderungskosten ergab. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte die Klägerin, die Steuerbescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidungen "abzuändern und den Zoll unter zollwertmindernder Berücksichtigung der Beförderungskosten herabzusetzen".

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 421).

Mit seiner Revision macht das HZA folgendes geltend:

Der Begriff "getrennt ... ausgewiesen" i.S. des Art.15 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren --ZWVO 1980-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 134/1) könne nicht einfach mit "gesondert ausgeworfen" oder "getrennt aufgeführt" gleichgesetzt werden. Er verlange mehr. Ausweisen bedeute schon dem Wortsinne nach, daß nicht nur irgendein Betrag zu bezeichnen sei, sondern diese Kosten auch zu belegen seien. Dafür seien nachprüfbare Dokumente erforderlich. Sonst wäre es für den Verkäufer ohne Nachteil möglich, die Gesamtfracht willkürlich überwiegend auf die innergemeinschaftliche Strecke entfallend aufzuteilen. Das FG verweise zwar darauf, daß Zollbehörden und FG verfahrensrechtlich die Höhe der Beförderungskosten von Amts wegen durch Ermittlungen feststellen könnten. Diese Erwägung widerspreche aber der Zielsetzung des geltenden Zollwertrechts. Die Zollwertfeststellung solle danach auf einfachen und objektiven Kriterien beruhen. Folge man dagegen der Auffassung des FG, so wären häufig umfangreiche Ermittlungen notwendig. Im übrigen sei die Klägerin auch nach § 22 Abs.6 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) verpflichtet, Beförderungsurkunden vorzulegen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und hat sich der Revisionsbegründung des HZA angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Zollwert eingeführter Waren umfaßt nicht die innergemeinschaftlichen Beförderungskosten, falls diese Kosten getrennt von dem für die Waren gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen werden (Art.15 Abs.1 ZWVO 1980). Getrennt ausgewiesen in diesem Sinn sind Beförderungskosten, die vom Kaufpreis betragsmäßig unterschieden werden können, d.h. als von diesem Kaufpreis getrennte Kostenelemente erkennbar sind. Den Nachweis der Richtigkeit der so kenntlich gemachten Beträge schreibt Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 nicht vor.

Der Begriff "getrennt ausgewiesen" bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch lediglich das von anderen Beträgen getrennte Aufführen der betreffenden Kosten in einem Schriftstück, das es ermöglicht, den Kaufpreis von diesen Kosten betragsmäßig zu unterscheiden. In diesem Sinne wird der Ausdruck "ausweisen" z.B. in § 14 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) verwendet. Er ist mit dem Begriff "nachweisen" nicht identisch. Das bestätigen der englische und französische Wortlaut des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 ("provided that they are distinguished"; "a la condition qu'ils soient distincts"). Bei getrennter Aufführung des Betrages der innergemeinschaftlichen Beförderungskosten sind diese also als i.S. des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 getrennt ausgewiesen anzusehen.

Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung. In ihr wird zunächst der Grundsatz ausgesprochen, daß innergemeinschaftliche Beförderungskosten nicht zum Zollwert gehören (vgl. auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 10.Dezember 1985 Rs.290/84, EuGHE 1985, 3909, 3932). Weiter werden Folgerungen aus diesem Grundsatz zugunsten des Beteiligten an die materiell-rechtliche Voraussetzung geknüpft, daß die innergemeinschaftlichen Beförderungskosten vom Kaufpreis getrennt aufgeführt werden. Dagegen hatte der Verordnungsgeber keinen Anlaß, in diesem Zusammenhang die Frage zu regeln, wie die Richtigkeit der getrennt ausgewiesenen Beförderungskosten nachgeprüft wird und welche Unterlagen der Beteiligte zum Nachweis etwa vorzulegen hat. Denn diese Regelung ist allgemein bereits in Art.10 ZWVO 1980 und in der Verordnung (EWG) Nr.1496/80 (VO Nr.1496/80) der Kommission über die Anmeldung der Angaben über den Zollwert und über vorzulegende Unterlagen vom 11.Juni 1980 (ABlEG L 154/16) sowie --soweit das Gemeinschaftsrecht nichts Gegenteiliges vorsieht-- in den entsprechenden nationalen Vorschriften enthalten.

Gegen diese Auslegung des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 spricht nicht, daß Art.15 Abs.2 ZWVO 1980 eine besondere Nachweispflicht des Beteiligten für einen bestimmten Fall festlegt. Denn insoweit ist der Wortlaut der Regelung eindeutig ("wird ... nachgewiesen"). Wegen der Besonderheit der dabei geregelten Frage (Rückführung des einheitlichen Frei-Bestimmungsort-Preises auf einen Frei-Grenze-Preis) können aus dieser Regelung auch keine Erkenntnisse für die Auslegung des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 gewonnen werden. Insbesondere kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, der Verordnungsgeber habe sich bei der Formulierung des Absatzes 1 im Ausdruck vergriffen und statt "ausgewiesen" wie in Absatz 2 "nachgewiesen" sagen wollen.

Das HZA ist der Auffassung, es fehle an einem einleuchtenden Grund, die Fälle der Absätze 1 und 2 des Art.15 ZWVO 1980 hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis unterschiedlich zu regeln. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Der Fall des Absatzes 2 ist wegen der Notwendigkeit, durchgehende Frachtrechnungen nach dem Verhältnis der außerhalb und innerhalb der Gemeinschaft zurückgelegten Beförderungsstrecken aufzuteilen, ein Sonderfall, der die Festlegung einer besonderen Nachweispflicht für den Fall des Bestehens eines allgemein verbindlichen Frachttarifs für die außergemeinschaftliche Beförderung nahelegte. Es erscheint dagegen plausibel, daß es der Verordnungsgeber für den Fall des Absatzes 1 bei den normalen Vorschriften für Anmeldung und Nachweis belassen wollte.

Das HZA begründet seine andere Auffassung mit der Manipulationsgefahr. Insoweit stellt der Fall der getrennt ausgewiesenen Beförderungskosten jedoch keine Besonderheit dar. Unrichtige Anmeldungen oder die Vorlage unzutreffender Belege sind auch in anderem Zusammenhang nicht auszuschließen. Wenn die Zollstellen Zweifel an der Richtigkeit der Höhe der angegebenen innergemeinschaftlichen Beförderungskosten haben, bleibt es ihnen unbenommen, entsprechende Ermittlungen anzustellen (vgl. auch EuGHE 1985, 3909, 3932).

Entgegen der Auffassung des HZA können aus der Zielsetzung der ZWVO 1980, die Zollwertfestsetzung von einfachen und objektiven Kriterien abhängig zu machen, Schlüsse für die Auslegung des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 nicht gezogen werden. Unter Hinweis auf das unzweifelhaft bestehende Bedürfnis der einfachen Handhabung darf nicht das Bestehen besonderer Nachweispflichten der Beteiligten unterstellt werden, die in den einzelnen Vorschriften der ZWVO 1980 keine Stütze finden. Überdies trifft es nicht zu, daß bei der Auslegung des Art.15 Abs.1 ZWVO 1980 durch den Senat die Zollstellen, wie das HZA offenbar annimmt, häufig zu umfangreichen Ermittlungen gezwungen würden. Zur Überprüfung, ob die als innergemeinschaftliche Beförderungskosten ausgewiesenen Beträge willkürlich oder fiktiv sind, genügt im Regelfall eine überschlägige Plausibilitätsprüfung, die sich an den normalen Beförderungskosten orientieren kann (vgl. auch Senatsurteil vom 25.November 1986 VII R 134/82, BFH/NV 1987, 608, 611).

Die Vorinstanz ist im Ergebnis von der gleichen Rechtsauffassung ausgegangen. Diese hat auch das FG München vertreten (Urteil vom 21.Juli 1982 III 40/81 Z, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1982, 370, 371). Sie wird geteilt von den Dienststellen der Kommission, dem Generalanwalt beim EuGH Lenz und dem durch Art.18 Nr.2 des GATT-Zollwert-Kodex (ABlEG 1980, L 71/107) eingesetzten technischen Ausschuß der Vertragsparteien dieses Abkommens, in welchem die deutschen Zollbehörden mit ihrer abweichenden Auffassung offenbar allein standen (vgl. die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rs.290/84 vom 12.November 1985, EuGHE 1985, 3909, 3914, 3916, 3919 und 3920). Trotz seiner etwas anderen Beurteilung dieser Rechtsfrage in seinem Vorlagebeschluß vom 30.Oktober 1984 VII R 134/82 (BFHE 142, 190, 193) sieht sich der erkennende Senat in Anwendung der Grundsätze des EuGH- Urteils vom 6.Oktober 1982 Rs.283/81 (EuGHE 1982, 3415) nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet.

Die Vorinstanz hat ausgeführt, daß das HZA die Entstehung und die Höhe der von der Klägerin ausgewiesenen innergemeinschaftlichen Beförderungskosten nicht bestritten habe und Anhaltspunkte dafür nicht vorlägen, daß sie nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden seien. Daraus ergibt sich die Feststellung des FG, daß innergemeinschaftliche Beförderungskosten in der ausgewiesenen Höhe tatsächlich entstanden sind. An diese vom HZA nicht angegriffenen Feststellungen des FG ist der Senat gebunden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es bedarf daher keines Eingehens auf das Vorbringen des HZA, die Klägerin sei nach § 22 Abs.6 AZO zur Vorlage der Beförderungsurkunden verpflichtet gewesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62195

BFHE 152, 573

BFHE 1988, 573

HFR 1988, 353 (LT1)

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