Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegliederter Baukörper als Einfamilienhaus bei teilweiser Nutzung zu anderen als Wohnzwecken
Leitsatz (NV)
Der Umstand, daß die nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteile baulich vom reinen Wohnbereich abgesetzt sind und innerhalb des einheitlichen Baukörpers eine gewisse Selbständigkeit aufweisen, ist für sich allein kein Anlaß, von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Grundstücks als Einfamilienhaus im Sinne des Bewertungsrechts (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG) auszugehen.
Normenkette
BewG § 75 Abs. 5 S. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger errichteten im Jahre 1979 auf ihrem Grundstück ein Wohngebäude mit einem Anbau für eine . . . praxis. Es handelt sich um einen gegliederten Baukörper, und zwar in der Weise gegliedert, daß straßenseitig dem mit Satteldach versehenen zweigeschossigen Gebäudeteil ein mit einem Flachdach versehener niedrigerer Gebäudeteil vorgelagert ist. Beide Gebäudeteile sind nahezu gleich lang. Sie sind im Inneren durch eine Tür verbunden, weisen aber auch zwei getrennte äußere Zugänge auf. Die Gesamtnutzfläche entfällt mit rd. 146 qm auf wohnliche und mit rd. 55 qm auf freiberufliche Nutzung.
Das Finanzamt (FA) stellte mit Bescheid vom 29. Juli 1980 die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.
Auf die Klage, mit der die Kläger die Aufhebung der Artfeststellung sowie die Artfeststellung gemischtgenutztes Grundstück begehren, hat das Finanzgericht (FG) die Artfeststellung aufgehoben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter Bezugnahme auf sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 8 abgedrucktes Urteil ausgeführt, Mitbenutzung eines Grundstücks i. S. von § 75 Abs. 5 Satz 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu anderen als Wohnzwecken könne nur dann vorliegen, wenn einzelne Räume innerhalb einer abgeschlossenen Wohneinheit von der Nutzung zu anderen Zwecken erfaßt seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Abweisung der Klage.
§ 75 Abs. 5 BewG definiert Einfamilienhäuser als Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung enthalten, und stellt weiter die Fiktion auf, daß ein Grundstück auch dann als Einfamilienhaus gilt, wenn es zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken mitbenutzt wird und dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken der Artfeststellung Einfamilienhaus nur dann nicht entgegenstehe, wenn das Grundstück einen einheitlichen, äußerlich nicht gegliederten Baukörper aufweist. Das FG hat dabei übersehen, daß Bewertungsgegenstand das Wohngrundstück selbst, also der Grund und Boden mit allen aufstehenden Gebäulichkeiten ist. Daß der Baukörper nicht einheitlich gestaltet ist, vielmehr unterschiedliche Geschoßhöhen und Dachformen aufweist, steht für sich selbst der Eigenart Einfamilienhaus nicht entgegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Mai 1970 III R 65/68, BFHE 99, 493, 496, BStBl II 1970, 678); denn die Vielfalt möglicher baulicher Gestaltungen hat in den vergangenen Jahren auch ausschließlich zu Wohnzwecken genutzte Einfamilienhäuser hervorgebracht, die in mehrere Bauteile gegliedert sind. Deshalb ist der Umstand, daß die nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteile baulich vom (reinen) Wohnbereich abgesetzt sind und innerhalb des einheitlichen Baukörpers eine gewisse Selbständigkeit aufweisen, für sich allein kein Anlaß, von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Grundstücks als Einfamilienhaus im Sinne des Bewertungsrechts auszugehen.
Die Sache ist spruchreif. Nach den vom FG in Bezug genommenen Plänen und Fotografien wird das äußere Erscheinungsbild des Grundstücks der Kläger durch den angefügten Praxisteil nicht in seiner Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt. Auch läßt der Flachdachanbau nicht für sich auf eine eindeutige gewerbliche oder freiberufliche, den Charakter eines Einfamilienhauses wesentlich beeinträchtigende Nutzung schließen (so schon BFH-Urteil vom 5. Februar 1986 II R 245/82, BFHE 146, 170, BStBl II 1986, 446).
Fundstellen
Haufe-Index 415742 |
BFH/NV 1989, 216 |