Leitsatz (amtlich)
1. Eine GmbH mit Sitz in der Schweiz ist nicht berechtigt, die Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer gemäß Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931 geltend zu machen, wenn sie lediglich als Rechtsträger für Beteiligungsbesitz eines in der Bundesrepublik ansässigen Steuerpflichtigen fungiert, für ihre Errichtung beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet (Rechtsmißbrauch gemäß § 6 StAnpG).
2. Rechtfertigen die Ermittlungsergebnisse der deutschen Steuerbehörden die Annahme, daß ein Fall des Rechtsmißbrauchs i. S. von 1. vorliegt, so sind im steuergerichtlichen Verfahren diese Tatsachen als festgestellt anzusehen, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft ihre Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts verweigert.
2. Eine der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz kann gegen ihre sich aus dem deutschen Steuerrecht ergebende Pflicht zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung nicht einwenden, daß die zwischenstaatlichen Vereinbarungen (DBA-Schweiz 1931) ein solches Auskunftsrecht der Steuerbehörden nicht vorsähen.
Normenkette
StAnpG § 6; AO § 171; DBA CHE 1931 Art. 6 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH schweizerischen Rechts. Sie beantragte im Jahre 1968 bei dem damals zuständigen FA gemäß Art. 6 Abs. 3 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz 1931 - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006) die Erstattung von in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) einbehaltener Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 305,80 DM, das sind 10 v. H. der in den Jahren 1966 und 1967 zugeflossenen Dividenden und Boni im Gesamtbetrage von 253 058 DM aus Aktien einer inländischen AG.
Das FA forderte die Klägerin auf, den Geschäftszweck, den Gründungszeitpunkt, die Anteilseigner und die Geschäftsführer anzugeben. Die Klägerin weigerte sich, die Anfrage zu beantworten, weil dies rechtlich nicht notwendig sei. Rechtlich verpflichtet sei sie nur, soweit es um die Überprüfung der Abkommensbedingungen, mithin um die Klärung der Frage nach ihrem statutarischen Sitz gehe. Die Klägerin berief sich auf eine entsprechende Auskunft der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Daraufhin lehnte das FA den Erstattungsanspruch ab, da nach seiner Ansicht hinter der Klägerin nichtabkommensberechtigte Personen stünden. Bisher habe nicht geklärt werden können, ob die Klägerin nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise tatsächlich Empfängerin der Dividenden sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, auf der Rückseite des Antragsformulars habe die schweizerische Finanzverwaltung die Abkommensberechtigung der Klägerin bestätigt. Sie wies darauf hin, daß sie - entgegen der Behauptung des FA - im schweizerischen Adreßbuch und im Regionenregister eingetragen sei. Die schweizerischen Geschäftsführer seien telefonisch zu erreichen. Ein Mißbrauchsfall liege nicht vor. Die Klägerin befasse sich mit dem Erwerb, der Verwaltung und Verwertung von Beteiligungen und sonstigen Vermögen. Sie sei nicht lediglich "verlängerter Arm" eines Inländers. Ihre Kapital- und Geschäftsbeziehungen beschränkten sich nicht auf die Bundesrepublik. Ihre Büroräume befänden sich im Bankhaus S in B (Schweiz).
Das FG wies die Klage ab, weil die Klägerin nicht Gläubigerin i. S. des Art. 6 DBA-Schweiz 1931 sei. Gläubiger sei vielmehr ihr deutscher Hauptgesellschafter, dem die Einkünfte nach § 6 Abs. 1 und 2 und § 11 Nr. 2 StAnpG zuzurechnen seien. Die Frage der Zurechnung beurteile sich nach deutschem recht (Hinweis auf Urteil des BFH vom 21. Mai 1971 III R 125-127/70, BFHE 102, 555, BStBl II 1971, 721). Daß die Klägerin ihren Sitz in der Schweiz habe, sei allein nicht entscheidend. Die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht nach §§ 170, 171 AO nicht erfüllt. Sie habe die berechtigten Fragen des FA nach den Gesellschaftern und deren Beteiligungsverhältnissen unbeantwortet gelassen. Ihr eigener Vortrag sei nicht substantiiert. Nicht einmal Einzelheiten der Satzung über die Regelung des Wirkungsbereiches habe die Klägerin mitgeteilt. Das FA habe mit Recht einen Fall des § 11 Nr. 2 StAnpG angenommen. Der Gesellschaftsvertrag könne hier als Treuhandvertrag angesehen werden (Hinweis auf BFH-Urteil III R 125-127/70), weil der ausschließliche Zweck der Gesellschaft der eines Strohmanns im Rechtsverkehr sei. Nach den Erklärungen des FA sei wahrscheinlich, daß die Klägerin keine eigenen Interessen neben dieser Beteiligungsverwaltung verfolge. Wegen der unzureichenden Mitwirkung der Klägerin bei der Aufklärung ihrer Auslandsbeziehungen müsse dieser Sachverhalt unterstellt werden. Bezeichnend sei, daß die Klägerin nicht einmal eigenes Briefpapier verwendet habe. Der Schriftverkehr sei unter dem Briefkopf des Bankhauses S geführt worden. Einer der beiden Geschäftsführer der Klägerin sei beruflich Rechtsanwalt und betreue elf weitere Kapitalgesellschaften, was ebenfalls nicht für eine verantwortliche Tätigkeit der Klägerin spreche. - Die Gläubigerstellung der Klägerin sei auch aufgrund des § 6 StAnpG zu verneinen. Es liege ein Gestaltungsmißbrauch in der Wahl der Rechtsform der GmbH dann vor, wenn die Absicht, Steuern zu umgehen, für die Errichtung der Gesellschaft ausschlaggebend gewesen sei (Hinweis auf BFH-Urteil III R 125-127/70). Außersteuerliche Motive für die Gründung der GmbH habe die Klägerin nicht dargetan.
In ihrer Revision beantragt die Klägerin, den Ablehnungsbescheid des FA, die Einspruchsentscheidung und die Vorentscheidung aufzuheben, sowie den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Bundesamt für Finanzen) zu verurteilen, der Klägerin die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 305,80 DM zu erstatten, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen. Gerügt werde Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) und des materiellen Rechts (Art. 6 Abs. 3 lit. a DBA-Schweiz 1931; §§ 6, 11 Nr. 2 StAnpG). Das FG habe es unterlassen, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß es sie für auskunftspflichtig halte. Auch habe das FG nicht versucht, die Gesellschafter der Klägerin als Zeugen zu vernehmen. Die Klägerin sei die Gläubigerin i. S. des Art. 6 Abs. 3 lit. a DBA-Schweiz 1931, weil sie ihren Sitz in der Schweiz habe. Eine Zurechnung der Einkünfte der Klägerin bei ihrem inländischen Gesellschafter scheide aus. Das FA betrachte zu Unrecht die Klägerin als Scheinfirma. Auch der vom FG unterstellte Sachverhalt würde nicht dazu führen, daß ohne weiteres die Einkünfte der Klägerin dem Hauptgesellschafter zuzurechnen wären. Eine Steuerumgehung nach § 6 StAnpG liege nicht vor. Das FG habe ohne nähere Ermittlungen unterstellt, daß eine nennenswerte Geschäftstätigkeit der Klägerin nicht anfalle. Das FG hätte aber nachweisen müssen, daß die Absicht einer Verlagerung von Einkünften bestanden habe und daß die Klägerin reine Vermögenshaltung betreibe. Das FG habe die Klägerin nicht im Rahmen der Sachaufklärungspflicht aufgefordert, ihren Vortrag zu ergänzen und gegebenenfalls zu beweisen. Einen entsprechenden Hinweis des Gerichts hätte sie beachtet. Trotz gewisser Beweiserleichterungen bei Auslandsbeziehungen trügen aber die Finanzbehörden die Beweislast für das Vorliegen von Steuertatbeständen (Hinweis auf die BFH-Urteile vom 13. Juli 1962 VI 100/61 U, BFHE 75, 443, BStBl III 1962, 428, und vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695).
Das Bundesamt für Finanzen beantragt die Zurückweisung der Revision. Entscheidend sei, daß jedenfalls die Klägerin nicht Gläubigerin der Kapitalerträge sei. Die amtlichen Informationsmöglichkeiten seien nach den Doppelbesteuerungsabkommen beschränkt (Hinweis auf Art. 27 des Abkommens zwischen der BRD und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 - DBA-Schweiz 1971 - (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 520). FA und FG seien daher auf die Mitwirkung der Klägerin angewiesen gewesen. Das Auskunftsverlangen sei notwendig, für die Klägerin erfüllbar und zumutbar gewesen. Die Klägerin sei bereits in der Einspruchsentscheidung auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Streitfalles hingewiesen worden. Auf den Einwand mangelnder Sachaufklärung könne sich nicht berufen, wer selbst seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1971 VIII R 27/66, BFHE 103, 404, BStBl II 1972, 106).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Klägerin unterliegt der deutschen beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 KStG).
a) Die Dividenden, welche die inländische AG an die Klägerin ausgeschüttet hat, rechnen nach der hier gebotenen isolierenden Betrachtungsweise (BFH-Urteil vom 7. Juli 1971 I R 41/70, BFHE 103, 153, BStBl II 1971, 771) zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 5, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Steuer wird durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG, §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 EStG). Steuerschuldner ist der Gläubiger der Kapitalerträge. Dies war im Streitfall die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der inländischen AG (§ 60 AktG).
b) Zwar werden nach Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz 1931 Einkünfte aus beweglichem Kapitalvermögen nur in dem Staate besteuert, in dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hat. Als Wohnsitz gilt bei juristischen Personen der Ort, wo sie ihren Sitz haben (Art. 8 Abs. 4 DBA-Schweiz 1931). Aber dieser Bestimmung steht nicht das Recht des Quellenstaates (oben a) entgegen, von inländischen Dividenden die Steuern im Abzugswege zu erheben (Art. 6 Abs. 2 DBA-Schweiz 1931). Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931 räumt indes dem Gläubiger mit Wohnsitz (Sitz) im anderen Staat das Recht ein, von dem Quellenstaat eine Erstattung der Abzugssteuern zu verlangen, und zwar in Höhe des Betrages, der 15 v. H. der Dividende übersteigt. Gläubiger ist in diesem Sinne formell die Klägerin, weil sie zivilrechtlich Inhaberin der Beteiligung an der inländischen AG und damit Empfängerin der Dividendenausschüttung der AG ist und ihr gegenüber der Steuerabzug vom Kapitalertrag vorgenommen wurde.
2. Das FG hat gleichwohl im Ergebnis zu Recht verneint, daß der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931 zusteht. Denn die Geltendmachung des Anspruchs ist rechtsmißbräuchlich (§ 6 StAnpG).
a) Ein Rechtsmißbrauch liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist und wenn hierdurch ein steuerlicher Erfolg angestrebt wird, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1966 II 113/61, BFHE 86, 396, BStBl III 1966, 509). Basisgesellschaften im Ausland erfüllen den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird (vgl. BFH-Urteile I 121/64, vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553).
Die Frage, ob einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die der deutschen beschränkten Steuerpflicht unterliegt, das im DBA-Schweiz 1931 geregelte Recht auf Erstattung deutscher Kapitalertragsteuer wegen Rechtsmißbrauchs abzusprechen ist, beurteilt sich, da das DBA-Schweiz 1931 keine einschlägige Bestimmung enthält, nach deutschem Steuerrecht. Die Sache liegt ebenso wie in den Fällen, wo streitig ist, welchem Rechtssubjekt Einkünfte zuzurechnen sind (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. November 1966 I 216/64, BFHE 88, 370, BStBl III 1967, 392; vom 13. September 1972 I R 130/70, BFHE 107, 158, BStBl II 1973, 57). In entsprechender Weise ist für die schweizerische Seite der Beschluß des Bundesrats betreffend Maßnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme vom Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes vom 14. Dezember 1962 (Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1962 S. 1622, abgedruckt bei Korn-Dietz-Debatin, Kommentar zur Doppelbesteuerung, Bd. 1, Schweiz, Abschn. XVI) ergangen.
b) Das FG hat sich die Feststellungen und die Beurteilung des FA zu eigen gemacht, wonach die Klägerin keine eigenen Interessen neben der Beteiligungshaltung verfolge, über kein eigenes Büro und Personal verfüge und daß außersteuerliche Beweggründe für die Errichtung der Gesellschaft nicht ersichtlich seien. Eine solche im niedriger besteuernden Ausland im ausschließlichen Interesse eines Steuerinländers errichtete Kapitalgesellschaft, die lediglich als formelle Rechtsträgerin von Beteiligungen an inländischen Unternehmen fungiert, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 StAnpG. Nach § 6 Abs. 2 StAnpG sind die Steuern in diesem Falle so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Das bedeutet für den Streitfall, daß die Dividendenausschüttung so anzusehen ist, als ob sie an dem im Inland ansässigen Hauptgesellschafter der Klägerin vorgenommen worden wäre. Die Ausschüttung ist demgemäß jedenfalls für die Beurteilung der Erstattungsberechtigung nach Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931 nicht der Klägerin, sondern ihrem inländischen Hauptgesellschafter zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil I R 135/70, Absch. 1 b).
3. Das FG konnte den Sachverhalt in der dargelegten Weise würdigen. Es hat seine Feststellungen ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) und der tatsächlichen Würdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) getroffen. Seine Feststellungen sind für den Senat bindend, da die Klägerin gegen sie keine begründeten Verfahrensrügen erhoben hat (§ 118 Abs. 2 FGO).
a) Es ist davon auszugehen, daß das FA - im Klageverfahren das FG - das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 StAnpG zu beweisen hat (vgl. Beschluß des BVerfG vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 204 [210]; BFH-Urteile II 113/61 und I R 135/70). Es besteht keine Vermutung für Rechtsmißbrauch. Das gilt auch in Fällen der Gründung einer Basisgesellschaft in einem sogenannten Steueroasenland (BFH-Urteil I R 135/70). FA und FG haben dementsprechend bei ihrer Sachaufklärungspflicht alle ihnen zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Die Grenze dieser Sachaufklärungspflicht liegt indes da, wo es sich um Verhältnisse handelt, die ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen entweder nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können. Deshalb haben RFH und BFH in ständiger Rechtsprechung betont, daß die Steuerpflichtigen besonders in solchen Fällen ihre Mitwirkung nicht versagen dürfen und daß dies vor allem bei dem Vorliegen von Auslandsbeziehungen gilt (vgl. RFH-Urteil vom 9. Januar 1934 I A 344/32, RFHE 35, 133, RStBl 1934, 382; BFH-Urteile vom 7. April 1959 I 2/58 S, BFHE 68, 611, BStBl III 1959, 233; VI 100/61 U; I 121/64 und III R 125-127/70).
b) Dieser sich aus dem deutschen Steuerrecht ergebenden Mitwirkungspflicht, welcher auch Steuerpflichtige mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland unterliegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen. Die Klägerin konnte ihre Auskunftsverweigerung nicht damit begründen, es sei ihr nicht bekannt gewesen, daß das FG sie für auskunftspflichtig halte (aa), daß die schweizerischen Steuerbehörden solche Auskunftsverlangen für unzulässig hielten (bb), daß die zuständige schweizerische Behörde ihre Abkommensberechtigung bereits anerkannt habe (cc), schließlich, daß das FG die Gesellschafter der Klägerin als Zeugen hätte vernehmen müssen (dd).
aa) Die Klägerin konnte nach dem Inhalt der Einspruchsentscheidung und dem Verhalten des FG während des Klageverfahrens nicht darüber im Zweifel sein, daß sie auch vom FG für auskunftspflichtig angesehen wurde. In ihrer Klagebegründung hatte sie selbst sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie eine weitere Aufklärungspflicht nicht anerkenne.
bb) Zu dem zweiten Einwand ist zu bemerken, daß unterschieden werden muß zwischen dem sich aus dem internationalen Steuerrecht, insbesondere aus einem Doppelbesteuerungsabkommen ergebenden Recht der Steuerbehörden eines Vertragsstaates, von dem anderen Staate Auskünfte zu erwirken (vgl. dazu Korn-Dietz-Debatin, a. a. O., Vorbemerkung Systematik III 171 ff.), und den unabhängig davon bestehenden, sich bereits aus dem nationalen Recht des Vertragsstaates ergebenden Sachaufklärungsbefugnissen der Steuerbehörden und Steuergerichte, welche gegenüber den (unbeschränkt oder beschränkt) Steuerpflichtigen unmittelbar geltend zu machen sind (insbesondere §§ 171, 201, 204 AO). Eine Empfehlung schweizerischer Steuerbehörden, das auf deutsches Steuerrecht gestützte Auskunftsverlangen der FÄ zurückzuweisen, begründet nach den deutschen Vorschriften kein Auskunftsverweigerungsrecht. Der Senat braucht nicht auf die Frage einzugehen, ob bei Vorliegen eines umfassenden Auskunftsrechts gegenüber den ausländischen Steuerbehörden zunächst dieser Weg zu beschreiten wäre, ehe von den Aufklärungsbefugnissen des nationalen Rechts gegenüber einem Steuerausländer Gebrauch gemacht wird (so z. B. Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 3. Aufl. 1973, S. 144 ff.). Denn im Verhältnis zur Schweiz bestand und besteht kein solches umfassendes Auskunftsrecht. Da andererseits das DBA-Schweiz 1931 keine die verfahrensrechtlichen Befugnisse der deutschen Behörden einschränkende Regelung enthält, bewendet es bei den in ständiger Rechtsprechung betonten Mitwirkungspflichten in der Schweiz ansässiger Personen, die in der Bundesrepublik der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Der entgegengesetzten Auffassung, die vor allem von Locher (das schweizerisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, Bd. 3 1972, unter B § 8 II C 2 Nrn. 5 bis 7, und Hangarter (Der Betriebs-Berater 1968 S. 420 ff.) vertreten wird, vermag der Senat nicht zu folgen.
cc) Aus diesen Gründen ist es für die deutsche Besteuerung auch nicht maßgebend, mit welchem Ergebnis die schweizerischen Steuerbehörden ihrerseits die Frage der Abkommensberechtigung geprüft haben. Zwar sind die schweizerischen Behörden gehalten, nach dem angeführten Bundesratsbeschluß vom 14. Dezember 1962 (Art. 4) eine solche Prüfung vorzunehmen. Aber diese Prüfung findet unter den Gesichtspunkten des schweizerischen, nicht des deutschen Steuerrechts statt. An ihr Ergebnis sind die deutschen Steuerbehörden nicht gebunden. Wurde die Prüfung unterlassen oder führte sie zu einem negativen Ergebnis, so schließt dies nicht aus, daß die deutschen Steuerbehörden die Abkommensberechtigung unter Berücksichtigung des deutschen Steuerrechts (vor allem nach § 6 StAnpG) verneinen.
dd) Schließlich rügt die Klägerin zu Unrecht, daß das FG nicht ihre Gesellschafter als Zeugen vernommen habe. Das FG entscheidet aufgrund freier Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einen Beweisantrag in diesem Sinne hatte die Klägerin beim FG nicht gestellt. Sie hat es sogar abgelehnt, die Frage nach der Person ihrer Gesellschafter zu beantworten.
d) Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflicht zu Unrecht verweigert, weil das an sie gerichtete Auskunftsverlangen nicht unzumutbar war. Das FG konnte von dem nach den Umständen möglichen Sachverhalt auch ohne näheren Nachweis ausgehen (vgl. BFH-Urteil I 121/64). Da im Streitfall kein Auskunftsverweigerungsrecht der Klägerin bestand, braucht der Senat nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob nicht das FG bei Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts nach allgemeinen Beweiswürdigungsgrundsätzen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) aus der Berufung auf ein solches Verweigerungsrecht die gleichen, der Klägerin nachteiligen Schlüsse hätte ziehen können.
4. Da sich die Revision aus den vorstehenden Ausführungen als unbegründet erweist, erübrigt es sich, auf die Ansicht des FG näher einzugehen, daß die Klägerin hinsichtlich ihrer Beteiligung an der inländischen AG als Treuhänderin ihres Hauptgesellschafters fungiert habe (§ 11 Nr. 3 StAnpG). Wegen der Problematik der Annahme von Treuhandverhältnissen in solchen Fällen verweist der Senat auf sein erst nach Ergehen der Vorentscheidung veröffentlichtes Grundsatzurteil I R 135/70, wo auch zu dem vom FG herangezogenen BFH-Urteil III 125-127/70 Stellung genommen ist.
Fundstellen
BStBl II 1976, 513 |
BFHE 1976, 553 |