Entscheidungsstichwort (Thema)
Bankenprivileg für Leasingbanken
Leitsatz (NV)
Kreditinstituten, die neben dem eigentlichen Bankgeschäft Leasinggeschäfte betreiben, ist das sog. Bankenprivileg gemäß §19 GewStDV 1986 nur dann zu gewähren, wenn die Bankgeschäfte überwiegen. Ob dies der Fall ist, kann sich aus dem Vergleich der Rohgewinne ergeben. Dabei sind die jeweiligen Refinanzierungskosten der Bank sowohl bei den Kreditinstituten als auch bei den Leasinggeschäften einzubeziehen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 35 Nr. 2 Buchst. e; GewStDV 1986 § 19; KWG §§ 1, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 (nunmehr Abs. 1 S. 2 Nr. 9)
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist ein Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG). Gegenstand ihres Unternehmens war in den Streitjahren 1988 und 1989 das Betreiben von Bank- sowie von Factoring- und Leasinggeschäften, und zwar jeweils eingeschränkt mit Partnern (Händlern) oder Niederlassungen der X-AG. Bank- und Leasinggeschäft wurden in getrennten Buchungskreisen geführt. Vertragspartner der Leasinggeschäfte waren die Klägerin als Leasinggeber und die Kunden der Händler und Niederlassungen als Leasingnehmer. Die Verträge liefen über einen Zeitraum von 12 bis 42 Monaten. Das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den geleasten Kraftfahrzeugen verblieb bei der Klägerin. Diese finanziert über die Leasingraten den Kaufpreis der von ihr bei den Händlern und Niederlassungen erworbenen Fahrzeuge, abzüglich der Anzahlung der Kunden. Nach Ablauf der Vertragszeit wird der zu finanzierende Betrag durch den von dem einzelnen Händler zu zahlenden Rücknahmewert in einer Summe getilgt. Die Raten enthalten neben dem Amortisationsanteil (Tilgung, Absetzung für Abnutzung) einen Zinsanteil. Die Klägerin refinanziert diese Geschäfte und erzielt als Gewinn die daraus erwachsende Zinsmarge.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte die Kredite und Zinsen als Dauerschulden und Dauerschuldentgelte i. S. von §12 Abs. 2 Nr. 1 und §8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Weil es sich bei dem Leasinggeschäft um ein bankfremdes Geschäft handele und weil dieses das eigentliche Bankgeschäft der Klägerin überwiege, könne dieser das sog. Bankenprivileg gemäß §19 der Gewerbesteuer- Durchführungsverordnung (GewStDV 1986) nicht gewährt werden (vgl. einheitlicher Erlaß der Finanzbehörden der Länder, Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Gewer besteuergesetz, §8 Ziff. 1 Nr. 46). Das Überwiegen des Leasing- gegenüber dem Bankgeschäft beurteilte das FA anhand der Verhältnisse der in den beiden Geschäftszweigen erzielten Roherträge. Dabei wurde der Rohertrag aus dem Bankgeschäft als Erträge abzüglich Refinanzierungskosten und der Rohertrag aus dem Leasinggeschäft als Erträge abzüglich Wertverzehr der Leasinggegenstände zuzüglich/abzüglich Erträge/Verluste aus dem Abgang von Leasinggegenständen ermittelt.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 30 abgedruckten Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von §19 GewStDV 1986 i. V. m. §35 c Nr. 2 Buchst. e GewStG.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unberündet.
1. Gemäß §35 c Nr. 2 Buchst. e GewStG wird die Bundesregierung -- im Einklang mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1976 1 BvR 197/73 (BVerfGE 42, 374, 385) -- ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über die Beschränkung der Hinzurechnung von Dauerschulden bei Kreditinstituten (§§8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Der aufgrund dieser Ermächtigungsnorm erlassene §19 GewStDV 1986 in der auch für die Streitjahre 1988 und 1989 geltenden Fassung erfaßt nach seinem Wortlaut u. a. "Unternehmen, für die die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen ... gelten". Bei solchen Unternehmen sind Dauerschulden i. S. der §§8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG nur insoweit anzunehmen, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstüke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet. §19 GewStDV 1986 ist hiernach auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin anzuwenden.
2. Allerdings ist dies entgegen der Annahme des FG nicht schon deshalb der Fall, weil sie ein Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen ist.
a) Der Begünstigung des §35 c Nr. 2 Buchst. e GewStG liegt der Gedanke zugrunde, daß Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und daß deshalb das Passiv- und Aktivgeschäft artmäßig in etwa übereinstimmen (vgl. Reichsfinanzhof -- RFH --, Urteil vom 31. Mai 1938 I 153/38, RFHE 44, 133, RStBl 1938, 787, sowie Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 2. August 1960 I 231/59 S, BFHE 71, 375, BStBl III 1960, 390). Der Verordnungsgeber wollte der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen und den Umstand berücksichtigen, daß bei Banken der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 42, 374, 385). Grundvoraussetzung für die Annahme eines "Kreditinstituts" i. S. des §35 c Nr. 2 Buchst. e GewStG muß deshalb sein, daß es sich um ein im wesentlichen am Geld- und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handelt.
b) Diese Voraussetzungen sind bei einem Kreditinstitut, das -- wie die Klägerin -- neben dem herkömmlichen Bankgeschäft das Leasinggeschäft betreibt, nicht von vornherein erfüllt.§
1 KWG definiert die Begriffe Kreditinstitute und Bankgeschäfte. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift sind Kreditinstitute privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben, wenn diese den in Abs. 1 Satz 1 bestimmten Umfang haben. Bankgeschäfte sind die in Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 9 KWG katalogmäßig aufgeführten Geschäftsarten. Dieser Katalog ist abgeschlossen. Leasinggeschäfte werden hiervon nicht erfaßt. Es handelt sich hierbei nicht um ein eigentliches Bankgeschäft, sondern nur um ein bankähnliches Geschäft (Szagunn/Wohlschieß, Gesetz über das Kreditwesen, 5. Aufl. 1990, §1 Rdnr. 15 f.; Bähre/Schneider, Gesetz über das Kreditwesen, 3. Aufl. 1986, §1 Anm. 5; Reischauer/Kleinhans, Gesetz über das Kreditwesen, §1 Anm. 23 a). Der Umstand, daß Gegenstände, über die ein Kreditinstitut als Leasinggeber Leasingverträge abgeschlossen hat, nach §19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG i. d. F. vom 11. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1472) -- nunmehr: §19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG -- (ebenfalls) als Kredite i. S. der §§10 und 13 bis 18 KWG a. F. gelten, ändert daran nichts. Zweck des §19 Abs. 1 Nr. 7 KWG a. F. ist es nicht, Leasinggeschäfte den Bankgeschäften gleichzustellen. Vielmehr beschränkt sich die Regelung auf die Einbeziehung der Kreditgewährung in Form von Leasinggeschäften in die Kredite i. S. der §§13 bis 18 KWG. Hierdurch soll in erster Linie der Möglichkeit begegnet werden, durch den Abschluß von Leasingverträgen weitere Kredite zu gewähren und dadurch die Regelungen in §§13 bis 18 KWG zu umgehen. Die Regelung betrifft folglich nur Großkredite (vgl. auch die amtliche Gesetzesbegründung zu §19 Abs. 1 Nr. 7 KWG a. F., BTDrucks 10/1441). Den Erfordernissen des §19 GewStDV 1986 genügt dies nicht.
3. Gleichwohl geht der Klägerin die Begünstigung des §19 GewStDV 1986 nicht verloren. Denn die Voraussetzungen dieser Regelung werden von einem Kreditinstitut, das Bank- und zugleich Leasinggeschäften nachgeht, jedenfalls dann erfüllt, wenn die Bankgeschäfte überwiegen. So verhält es sich bei der Klägerin.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH (Urteile in RFHE 44, 133, RStBl 1938, 787; vom 21. November 1939 I 367/39, RStBl 1940, 339; vom 28. Oktober 1941 I 187/41, RStBl 1941, 868), der die Verwaltungspraxis (Abschn. 50 Abs. 4 Satz 1 bis 4, Abschn. 51 Abs. 4 der Gewerbesteuer- Richtlinien 1984) ebenso wie der BFH (Urteil in BFHE 71, 375, BStBl III 1960, 390; vgl. auch Urteil vom 10. Februar 1987 VIII R 257/81, BFH/NV 1987, 391) gefolgt sind, ist die Begünstigung des §19 GewStDV 1986 grundsätzlich einheitlich zu gewähren, wenn das eigentliche Bankgeschäft das Hauptgeschäft darstellt. Ob sich das Bankgeschäft gegenüber anderen geschäftlichen Tätigkeiten des Kreditinstituts als Hauptgeschäft darstellt, hängt danach davon ab, ob es überwiegt. Wie der RFH in den Urteilen in RStBl 1941, 868 und in RStBl 1940, 339 für Spar- und Darlehenskassen entschieden hat, die außerdem Warengeschäfte betrieben, soll dies "am ehesten" aus dem Verhältnis der in den beiden Geschäftszweigen erzielten Rohgewinne zu beurteilen sein. Dieser Rechtsprechung schließt sich auch der erkennende Senat -- schon aus Gründen der Rechtskontinuität -- an.
b) Nach den -- den Senat bindenden (vgl. §118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) -- Feststellungen des FG, die auch vom FA nicht in Frage gestellt worden sind, ist davon auszugehen, daß das Leasing geschäft im Rahmen des Gesamtunternehmens der Klägerin zurücktritt, und zwar sowohl bei Vergleich der Einnahmen aus beiden Tätigkeitsbereichen als auch bei Vergleich der Aktivposten aus beiden Tätigkeitsbereichen. Das FG hat zum weiteren festgestellt, daß sich Entsprechendes aus dem Vergleich der Rohgewinne ergibt, vorausgesetzt allerdings, die Refinanzierungskosten werden nicht nur bei den Kredit geschäften, sondern auch bei den Leasinggeschäften in die Vergleichsberechnung miteinbezogen. Der Senat hält diese Ein beziehung der Refinanzierungskosten für richtig. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das vorhandene Eigenkapital der Bank vollen Umfanges dem Leasingbereich zugeordnet werden sollte. Erst die Berücksichtigung der Refinanzierungskosten ermöglicht einen sachgerechten Vergleich der verschiedenen Geschäftsbereiche. Die dagegen vom FA gerichteten Einwendungen überzeugen nicht. Leasinggeschäfte lassen sich nicht ohne weiteres mit den Leistungen von Handels- oder Fertigungsunternehmen vergleichen. Anders als solche Leistungen sind Leasing- und Kreditgeschäfte weitgehend vergleichbar. Leasinggeschäfte sind bankähnliche Geschäfte (zur Abgrenzung s. auch BFH-Urteil vom 5. Februar 1987 IV R 105/84, BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448, m. w. N.). Auch der Gesetzgeber geht in §19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG a. F. davon aus, daß das Leasinggeschäft bei wirtschaftlicher Betrachung ein Kreditgeschäft darstellt (vgl. die amtliche Gesetzesbegründung, BTDrucks 10/1441 zu §19 KWG a. F.; dazu Reischauer/Kleinhans, a. a. O., §19 Anm. 23 a; Schick, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1985, 56). Aus letztlich gleichem Grunde unterfallen (Finanzierungs-)Leasinggeschäfte dem Verbraucherkreditgesetz (s. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. April 1996 VIII ZR 150/95, Betriebs-Berater 1996, 1460, zum Kfz- Finanzierungsleasing). Sind Leasinggeschäfte aus wirtschaftlicher Sicht aber als Kreditgeschäfte anzusehen, so dient sowohl die Teilzahlung- als auch die Leasingfinanzierung der Absatzfinanzierung. Refinanzierungskosten sind deshalb in den Rohgewinnvergleich einzubeziehen. Daß dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, je nachdem, in welcher Höhe Leasinggeschäfte refinanziert werden, liegt auf der Hand. Dies ist indes nicht in erster Linie Folge der Einbeziehung der Refinanzierungskosten, sondern des Umstandes, daß das sog. Bankenprivileg des §19 GewStDV 1986 demjenigen Kreditinstitut uneingeschränkt gewährt wird, dessen Bankgeschäfte überwiegen. -- Der Senat folgt damit im Ergebnis der Vorinstanz und den Ausführungen von Rädler (in: Der Betrieb 1991, 2309, auf die er ergänzend verweist; vgl. auch Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., §8 GewStG Rz. 81).
Fundstellen
Haufe-Index 66610 |
BFH/NV 1998, 210 |
HFR 1998, 116 |
ZKF 1999, 37 |