Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristversäumung bei Übersendung eines Schriftstücks als Drucksache
Leitsatz (NV)
Eine Fristversäumung ist verschuldet, wenn sie darauf beruht, daß die zur Fristwahrung bestimmte Postsendung als Drucksache aufgegeben wurde.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der der Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 begehrte, mit Urteil vom 19. Juni 1984 als unzulässig abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger lt. Postzustellungsurkunde (PZU) am 17. Juli 1984 zugestellt.
Gegen das Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz vom 7. August 1984, der am 8. August 1984 beim FG einging, Revision ein.
Die Frist für die Begründung der Revision wurde auf Antrag des Klägers bis zum 30. November 1984 verlängert.
Mit einem vom 28. November 1984 datierenden Schriftsatz, der am 4. Dezember 1984 beim Bundesfinanzhof (BFH) einging, beantragte der Kläger eine nochmalige Fristverlängerung; der Schriftsatz mit dem Fristverlängerungsantrag ist in einem als ,,Drucksache" bezeichneten Briefumschlag enthalten.
Der Vorsitzende des erkennenden Senats teilte dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 4. Dezember 1984 mit, daß der Fristverlängerungsantrag verspätet beim BFH eingegangen ist; gleichzeitig wies er auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1984, der am 11. Dezember 1984 beim BFH einging, beantragte der Kläger wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, er habe sein Schreiben vom 28. November 1984 noch am selben Tag bei der Bahnpost in Köln abgegeben. An dem verspäteten Eintreffen des Schreibens beim BFH treffe ihn kein Verschulden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden.
Im Streitfall ist die Revision zwar innerhalb der Revisionsfrist beim FG eingegangen; sie ist jedoch nicht innerhalb der bis 30. November 1984 verlängerten Begründungsfrist begründet worden. Gründe für die Fristversäumnis, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) hätten rechfertigen können, liegen nicht vor.
Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist setzt voraus, daß der Revisionskläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Verschuldet ist die Versäumung, wenn die nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen wurde.
Die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beruht im Streitfall auf einem Verschulden des Klägers. Zwar können Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Revisionskläger nicht zu vertreten hat, nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In der Verantwortung des Revisionsklägers liegt es jedoch, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 56 FGO Tz. 4 m.w.N.; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1983 1 BvR 1393/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 354). Hieran hat es im Streitfall gefehlt. Der Kläger hat sein den Fristverlängerungsantrag enthaltendes Schreiben vom 28. November 1984 als ,,Drucksache" aufgegeben. Wie sich aus der Erklärung des Postamts Köln 1 vom 25. Januar 1985 ergibt, haben Drucksachen, die von Köln nach München befördert werden, eine durchschnittliche Laufzeit von vier Tagen nach dem Einlieferungstag. Sie weisen damit eine erheblich längere Beförderungsdauer auf als normale Briefe, deren Laufzeit für diese Strecke mit durchschnittlich einem Tag nach dem Einlieferungstag angegeben wurde. Der Kläger konnte unter diesen Umständen nicht damit rechnen, daß der - nach seinen Angaben - am 28. November 1984 in Köln aufgegebene Fristverlängerungsantrag noch innerhalb der laufenden Frist (nämlich bis zum 30. November 1984) beim BFH in München eingehen würde. Um den rechtzeitigen Eingang seines Fristverlängerungsantrags beim BFH zu ermöglichen, hätte er eine andere Beförderungsart (z. B. Versendung durch einfachen Brief oder durch Eilbrief) wählen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 413983 |
BFH/NV 1985, 46 |