Leitsatz (amtlich)
Die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung mehrerer Unternehmen kann auch gegeben sein, wenn das Besitzunternehmen der Ehefrau allein gehört und die Ehefrau zusammen mit Ehemann in der Lage ist, ihren Willen in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin mit einer Fabrikhalle und Anbauten bebauten Grundstücks, das seit 1950 an eine GmbH vermietet ist, die eine Porzellanfabrik betreibt. An der GmbH waren in den Streitjahren - seit 1966 - bis zum 25. November 1971 die Klägerin und ihr Ehemann mit jeweils 31,5 v. H. sowie deren volljähriger Sohn mit 37 v. H. des Stammkapitals beteiligt; seit dem 25. November 1971 halten die Klägerin und ihr Ehemann nur noch je 2 v. H. der Anteile. Die Klägerin war und ist Prokuristin der GmbH, ihr Ehemann war in den Streitjahren Geschäftsführer, der Sohn war bis April 1968 Prokurist, seitdem ist er weiterer Geschäftsführer. Das Fabrikgrundstück ist von der GmbH für ihre Betriebszwecke ausgebaut worden.
Nach einer Betriebsprüfung bei der GmbH nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für die Zeit ab 1965 eine unechte Betriebsaufspaltung an und sah in der Verpachtung des Fabrikgrundstücks an die GmbH eine gewerbliche Tätigkeit der Klägerin. Nach einem entsprechenden Hinweis mit Schreiben vom 29. Juni 1971 erließ das FA erstmalige Gewerbesteuermeßbescheide für 1966 bis 1971, die am 3. Mai 1974 von der hebeberechtigten Gemeinde versandt wurden. Der Einspruch hiergegen hatte nur zum Teil Erfolg.
Der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die "rückwirkende" Annahme einer Betriebsaufspaltung wandte, gab das Finanzgericht (FG) mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 37 (EFG 1979, 37) veröffentlichten Entscheidung statt und führte im wesentlichen aus:
Eine Betriebsaufspaltung sei nicht gegeben, weil deren personelle Voraussetzungen gefehlt hätten. Die Klägerin habe die GmbH nicht beherrschen können, weil ihre Beteiligung weniger als 50 v. H. betragen habe und sie lediglich Prokuristin gewesen sei. Für die Frage der Beherrschung dürften die Anteile der Eheleute nicht zusammengerechnet werden. Es sei grundsätzlich nicht zulässig, Eheleute im Zusammenhang mit Fragen der Betriebsaufspaltung als Einheit zu behandeln. Hiervon abgesehen könne der der Klägerin gehörende Grundbesitz auch nicht dem Ehemann ganz oder teilweise wirtschaftlich zugerechnet werden. Es komme dann auch nicht mehr darauf an, welcher Grad der Beherrschung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderlich sei.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der steuerrechtlichen Grundsätze für die Betriebsaufspaltung und macht dazu geltend:
Zu Unrecht habe das FG eine Beherrschung der GmbH durch die Klägerin verneint. Die Klägerin habe als Alleineigentümerin des Betriebsgrundstücks das Besitzunternehmen beherrscht. An der Betriebs-GmbH sei sie zwar nur mit 31, 5 v. H. beteiligt gewesen und hätten die übrigen Gesellschafter - Ehemann und Sohn - zwar rein rechtlich die Möglichkeit gehabt, den Betrieb der GmbH auch außerhalb der von der Klägerin gepachteten Grundstücke zu betreiben. Letzteres sei jedoch faktisch aus Kostengründen nicht möglich gewesen, weil die Betriebs-GmbH die von der Klägerin übernommenen Gebäude so umgebaut habe, daß nur noch Bruchteile der übrigen Bausubstanz geblieben seien. Im übrigen sei die Klägerin auch, soweit es sich bei den von der GmbH vorgenommenen Umbauten um Gebäudebestandteile handele, Eigentümerin der Gebäude geworden.
Für die Beherrschung der GmbH durch die Klägerin sei auch die Beteiligung des Ehemanns bedeutsam.
Nichts spreche gegen die Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens durch die Ehegatten. Zur Beherrschung genüge eine Beteiligung von mehr als 50 v. H.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und - sinngemäß - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Die Klägerin macht geltend, das Vorbringen des FA über eine faktische Beherrschung der GmbH durch die Klägerin wegen der Unmöglichkeit einer Betriebsverlegung durch die GmbH sei neues tatsächliches Vorbringen in der Revision und im übrigen unzutreffend - wie im einzelnen ausgeführt wird -.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Streitsache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat bei seiner Entscheidung, daß die Klägerin mit der Überlassung des Grundstücks an die GmbH keinen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterhalten habe, die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung nicht richtig angewendet.
Die Annahme einer Betriebsaufspaltung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft mit der Folge der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens ist von einer sachlichen und einer personellen Verflechtung mehrerer Unternehmen abhängig (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Soweit es um die personelle Verflechtung geht, ist im Falle der echten oder sog. unechten Betriebsaufspaltung nicht Voraussetzung, daß an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen bestehen. Die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit eines Besitzunternehmens stellt auch dann eine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn aufgrund besonderer sachlicher oder persönlicher Umstände eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft besteht. Erforderlich ist ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille der hinter den Unternehmen stehenden Personen. Es genügt, daß die Person oder Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 3. November 1972 I R 117/71, BFHE 108, 492, BStBl II 1973, 447). Die Fähigkeit der das Besitzunternehmen beherrschenden Personen zur Durchsetzung ihres geschäftlichen Betätigungswillens in der Betriebsgesellschaft erfordert nicht notwendig einen bestimmten Anteilsbesitz an der Betriebsgesellschaft, sie kann ausnahmsweise auch aufgrund einer durch die Besonderheit des Einzelfalls bedingten Machtstellung an der Betriebsgesellschaft gegeben sein (vgl. BFH Urteil vom 29. Juli 1976 IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750). Hieraus folgt, daß ein Beherrschungsverhältnis auch gegeben sein kann, wenn das Besitzunternehmen (nur) einer Person gehört, die ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft infolge gleich gerichteter Interessen zusammen mit anderen durchsetzen kann. In einem solchen Fall werden die Mehrheitsverhältnisse in der Betriebsgesellschaft durch Zusammenrechnung der Anteile der gleichgerichtete Interessen verfolgenden Personen hergestellt. Dieses Beherrschungsverhältnis reicht aus, um die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens zu begründen, weil der Einzelunternehmer sich über die Betriebsgesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.
Gleichgerichtete Interessen können sich auch aus den privaten Verhältnissen der an den verschiedenen Unternehmen beteiligten Personen ergeben. So hat der BFH sowohl im Zusammenhang mit der Betriebsaufspaltung als auch in anderem Zusammenhang mit rückwirkender Gehaltserhöhung oder Pensionsrückstellung für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Auffassung vertreten, für die Entscheidung, ob ein Beherrschungsverhältnis gegeben sei, müsse von der Vermutung ausgegangen werden, daß Ehegatten gleichgerichtete Interessen verfolgen und deshalb gleichgerichtet handeln (vgl. Urteile vom 29. Juli 1970 I R 24/69, BFHE 100, 34, BStBl II 1970, 761; vom 18. Oktober 1972 I R 184/70, BFHE 107, 142, BStBl II 1973, 27; vom 3. April 1974 I R 241/71, BFHE 112, 178, BStBl II 1974, 497; vom 18. Juni 1980 IR77/77, BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39). Daß in dieser Auffassung - entgegen der Meinung des FG - kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu sehen ist, wurde im BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 III R 4/73 (BFHE 115, 58, BStBl II 1975, 374), das sich ebenfalls mit der Zusammenrechnung von Anteilen, die Ehegatten halten, befaßt, begründet. Danach knüpft die Überlegung vom Bestehen einer solchen Vermutung nicht an die Ehe als solche an, sondern an die Lebenserfahrung, daß zwischen Ehegatten enge persönliche Bindungen bestehen, die eine Übereinstimmung in derartigen Fragen erwarten lassen. Hieraus folgt, daß für die Frage nach dem Bestehen eines Herrschaftsverhältnisses bei Betriebsaufspaltung bis zur Widerlegung der Vermutung vom Bestehen gleichgerichteter Interessen die Anteile von Ehegatten zusammenzurechnen sind. Führt die Zusammenrechnung der Anteile von Ehegatten zu einem Mehrheitsverhältnis in der Betriebsgesellschaft, dann ist eine personelle Verflechtung mit dem Besitzunternehmen auch dann gegeben, wenn dieses einem Ehegatten allein gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 413582 |
BStBl II 1981, 379 |
BFHE 1981, 472 |