Leitsatz (amtlich)
Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die dem Substanzverzehr unterliegen, gehören bewertungsrechtlich zu der Gruppe der Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG). Ihr Wertansatz konnte daher nach § 1 des StEG-Aufstockungsgesetzes heraufgesetzt werden.
Normenkette
StEG-Aufstockungsgesetz des Saarlandes § 1; EStG §§ 6, 7 Abs. 6
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Stpfl.), eine Aktiengesellschaft, unterhält im Saarland eine Zweigniederlassung, mit deren Einkünften sie in den Streitjahren 1956 bis 1958 im Saarland beschränkt steuerpflichtig war (§ 2 Ziff. 1 KStG des Saarlandes; Art. 1, 3 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage vom 27. Oktober 1956, BGBl II 1956 S. 1587). Die Zweigniederlassung befaßt sich mit der Gewinnung und Weiterverarbeitung von Steinbrucherzeugnissen. Auf Grund des Gesetzes Nr. 405 zur Ergänzung steuerlicher Vorschriften (StEG-Aufstockungsgesetz) vom 10. April 1954 (Amtsblatt des Saarlandes 1954 S. 437) erhöhte sie in einer Aufstockungsbilanz zum 1. Januar 1952 den Wertansatz ihres Steinbruchgeländes. Nach § 1 dieses Gesetzes konnten gewerbliche sowie landund forstwirtschaftliche Unternehmer (Unternehmen) "abnutzbare Anlagegüter" abweichend von § 9 Ziff. 1 letzter Satz EStG des Saarlandes über den letzten Bilanzansatz hinaus bewerten (aufstocken). Abnutzbare Anlagegüter im Sinne dieser Vorschrift sind nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und sich im Saarland befinden".
In den folgenden Jahren nahm die Stpfl. die Absetzungen für Substanzverringerung von den aufgestockten Werten vor. Der Revisionskläger (FA) ließ das in den endgültigen Veranlagungen für 1952 bis 1955 und in den vorläufigen Veranlagungen für die Streitjahre 1956 bis 1958 zu, änderte dann aber die vorläufigen Veranlagungen für die Streitjahre dahin, daß die Absetzungen für Substanzverringerung von dem um den Betrag der Aufstockung verminderten Wertansatz des Steinbruchgeländes berechnet wurden. Den Gewinn des Streitjahres 1956 erhöhte das FA außerdem um den Unterschied zwischen den Absetzungen für Substanzverringerung, die die Stpfl. in den Jahren 1952 bis 1955 vorgenommen hatte, und den Absetzungen für Substanzverringerung, die sich in diesen Jahren von dem nicht aufgestockten Wertansatz ergeben hätten. Diese letztere Gewinnerhöhung machte das FA auf den Einspruch hin wegen der Bestandskraft der Veranlagungen für 1952 bis 1955 wieder rückgängig. Im übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg.
Auf die Berufung hin hob das FG die Einspruchsentscheidung auf und setzte die Körperschaftsteuer, die Gemeinschaftshilfeabgabe und die Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre neu auf der Grundlage fest, daß es die Absetzungen für Substanzverringerung von dem aufgestockten Wertansatz des Steinbruchgeländes zuließ. Das FG hat die Auffassung vertreten, auch die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einem Verzehr der Substanz unterliegen und von denen daher Absetzungen für Substanzverringerung vorgenommen werden können, zählten zu den "abnutzbaren Anlagegütern" im Sinne des StEG-Aufstockungsgesetzes.
Dagegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA. Das FA meint, im Sinne des EStG des Saarlandes sei das Wirtschaftsgut, das der Substanzverringerung unterliege, kein Sonderfall des abnutzbaren Wirtschaftsguts, sondern von diesem streng zu unterscheiden. Das müsse auch gelten, wenn sich das StEG-Aufstockungsgesetz des Begriffes des abnutzbaren Wirtschaftsguts bediene. Diese Auslegung entspreche auch der Zielsetzung des Gesetzes.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das Steinbruchgelände der Stpfl. gehört zu den "abnutzbaren Anlagegütern" im Sinne des StEG-Aufstokkungsgesetzes.
Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens werden handelsrechtlich und steuerrechtlich in zwei große Gruppen eingeteilt: In Wirtschaftsgüter, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, und in andere Wirtschaftsgüter (§ 154 AktG 1965, § 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 EStG, § 9 Ziff. 1 und 2 EStG des Saarlandes). Bei der ersten Gruppe sind planmäßige Abschreibungen (Absetzungen) während der Dauer der Nutzung des Wirtschaftsguts vorzunehmen (§ 154 Abs. 1 AktG 1965, § 7 EStG, § 9 EStG des Saarlandes), bei der zweiten Gruppe kommen nur außerplanmäßige Abschreibungen und steuerlich das Herabgehen auf den niedrigeren Teilwert in Betracht (§ 154 Abs. 2 AktG 1965, § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG, § 9 Ziff. 2 EStG des Saarlandes). Für diese Unterscheidung ist es gleichgültig, aus welchem Grund die Nutzung der Wirtschaftsgüter der ersten Gruppe zeitlich begrenzt ist. Entscheidend ist, daß wegen der zeitlichen Begrenzung der Nutzbarkeit die Form der planmäßigen Abschreibungen, verteilt auf die Nutzungsdauer, geboten erscheint. Das neue Aktiengesetz hat daher auf eine Unterteilung der Gegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, verzichtet. Es besteht aber kein Zweifel, daß darunter auch die Vermögensgegenstände fallen, deren Nutzung deshalb zeitlich begrenzt ist, weil ihre Substanz durch den Gebrauch allmählich verbraucht wird. Das Steuerrecht gelangt zum gleichen Ergebnis dadurch, daß es bei diesen Wirtschaftsgütern Absetzungen für Substanzverringerung zuläßt und die Vorschriften über die Absetzungen für Abnutzung für entsprechend anwendbar erklärt (§ 7 Abs. 6 EStG, § 10 Abs. 2 EStG des Saarlandes). Das bedeutet, daß die Wirtschaftsgüter, die dem Substanzverzehr unterliegen, in die Gruppe der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, § 9 Ziff. 1 EStG des Saarlandes), eingereiht werden, obgleich es sich um Grund und Boden handeln kann, der in § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG, § 9 Ziff. 2 EStG des Saarlandes aufgeführt ist. Es ist daher nicht richtig, daß die Wirtschaftsgüter, die der Substanzverringerung unterliegen, von den Wirtschaftsgütern, die der Abnutzung unterliegen, nach dem EStG des Saarlandes streng zu unterscheiden seien. Aus der Natur der Sache und aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich vielmehr, daß diese beiden Arten von Wirtschaftsgütern bewertungsrechtlich gleichzubehandeln sind.
Das gilt auch für die Anwendung des StEG-Aufstokkungsgesetzes. Denn dieses Gesetz läßt nicht erkennen, daß es von einer anderen bewertungsrechtlichen Einteilung der Wirtschaftsgüter ausgeht, als sie dem EStG des Saarlandes entspricht. Wenn daher in § 1 dieses Gesetzes von den "abnutzbaren Anlagegütern" die Rede ist, so sollte damit nicht der Unterschied zwischen ihnen und den Anlagegütern, die der Substanzverringerung unterliegen, herausgestellt werden, sondern der Unterschied zwischen den Wirtschaftsgütern, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, und den anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.
Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck des Gesetzes. Nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung steuerlicher Vorschriften (Landtag des Saarlandes, II. Wahlperiode, Drucksache Abt. II Nr. 114 I ausgegeben am 8. Juli 1953) waren die Vorschriften des Gesetzes von dem Gedanken getragen, trotz des hohen Finanzbedarfs der öffentlichen Hand es der saarländischen Wirtschaft zu ermöglichen, auf dem Inlands- und Auslandsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, die erforderlichen Anlageerneuerungen und Neuinvestitionen vorzunehmen, auch gegenüber Wirtschafts- und Währungsschwankungen krisenfest zu sein und auf die Dauer die Erhaltung der Arbeitsplätze sicherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, warum die durch eine Aufstockung der Wertansätze bewirkten höheren Absetzungen für Substanzverringerung nicht in den Rahmen dieser allgemeinen wirtschaftspolitischen Zielsetzung fallen sollen. Die vorteilhaften Auswirkungen der erhöhten Abschreibungen auf die Finanzierung und auf die Besteuerung der Unternehmen sind bei den Absetzungen für Substanzverringerung die gleichen wie bei den Absetzungen für Abnutzung.
Fundstellen
Haufe-Index 412603 |
BStBl II 1968, 3 |
BFHE 1968, 111 |