Entscheidungsstichwort (Thema)
(Körperschaftsteuerliche Organschaft: aktiver Ausgleichsposten bei Beteiligung an Organgesellschaft von weniger als 100%, Beteiligungsansatz, Verzicht auf Gewinnabführungsanspruch, Grundsatz der Einmalbesteuerung, Einkommensermittlung, keine Rückgängigmachung der Einkommenszurechnung, Gewinnermittlung - verdeckte Einlagen bzw. Forderungsverzicht als nachträgliche Anschaffungskosten)
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Organträger zu weniger als 100% an der Organgesellschaft beteiligt, ist der aktive Ausgleichsposten nach Abschn.59 Abs.1 Satz 3 KStR allenfalls in Höhe des Teils der versteuerten Rücklagen zu bilden, der dem Verhältnis der Beteiligung am Nennkapital der Organgesellschaft entspricht.
2. Der Verzicht auf einen Gewinnabführungsanspruch erhöht nicht den Beteiligungsansatz für die Organgesellschaft in der Steuerbilanz des Organträgers.
Orientierungssatz
1. Die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft gemäß § 14 KStG und die Einkommensermittlung beim Organträger dürfen nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen nicht zu einer Doppelbesteuerung des Organeinkommens führen. Der Senat kann dahingestellt lassen, ob dieser Grundsatz der Einmalbesteuerung auch Gewinne erfaßt, die außerhalb der Gewinnabführung und der Einkommenszurechnung anfallen und ob bzw. inwieweit bereits zugerechnetes Einkommen denklogisch oder tatsächlich den Wert der Organbeteiligung und damit einen späteren Veräußerungserlös zu erhöhen vermag. Das Prinzip der Einmalbesteuerung im Organkreis erlaubt nicht, Einkommenszurechnungen nach § 14 KStG in früheren Veranlagungszeiträumen im Veräußerungsfall (teilweise) rückgängig zu machen.
2. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören grundsätzlich auch verdeckte Einlagen oder ein Verzicht auf eine Forderung gegen die Kapitalgesellschaft.
3. Bei der steuerlichen Gewinnermittlung des Organträgers sind zivilrechtliche Gewinnabführungsansprüche wie auch Verlustübernahmeverpflichtungen unberücksichtigt zu lassen. Diese können folglich auch nicht über den Beteiligungsansatz in der Bilanz des Organträgers wieder in die Gewinnermittlung eingeführt werden.
Normenkette
KStG 1977 § 14; KStR Abschn. 59 Abs. 1 S. 3; EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 08.02.1993; Aktenzeichen 7 K 3788/90) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, war zusammen mit der X-AG zu je 50 % an der M-GmbH beteiligt. Zum Zweck der Beherrschung der M-GmbH schlossen sich die Klägerin und die X-AG zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen, die mit der M-GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag schloß. Die M-GmbH war ihrerseits zu 83,8 % an der F-GmbH beteiligt. Zwischen M-GmbH und F-GmbH bestand ebenfalls ein Gewinnabführungsvertrag.
Bei der F-GmbH wurden bei Außenprüfungen Mehrgewinne festgestellt, die nicht abgeführt, sondern gemäß § 14 Nr.5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in die freien Rücklagen eingestellt wurden. Die Mehrergebnisse der Betriebsprüfungen wurden der Klägerin und der X-AG über die M-GmbH je zur Hälfte zugerechnet. Die Klägerin bildete in Anlehnung an Abschn.59 Abs.1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) einen aktiven Ausgleichsposten in ihrer Bilanz in Höhe des ihr zugerechneten Mehrgewinns der F-GmbH.
Mit Vertrag vom 14. März 1985 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der M-GmbH an die X-AG. Die GbR wurde beendet und der Ergebnisabführungsvertrag zwischen dieser und der M-GmbH aufgehoben. Den Veräußerungsgewinn minderte die Klägerin um den aktiven Ausgleichsposten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kürzte den aktiven Ausgleichsposten entsprechend Abschn.59 Abs.1 Satz 3 KStR um 16,2 %, woraus sich ein um ... DM höherer Veräußerungsgewinn im Streitjahr 1985 ergab.
Die von der Klägerin erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 545.
Das FA beantragt mit der Revision, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 14 KStG.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Veräußert ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, so ergibt sich im Rahmen der Gewinnermittlung für den Gesellschafter nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 8 Abs.1 KStG, §§ 4, 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) ein Veräußerungsgewinn in Höhe der Differenz zwischen Veräußerungserlös (abzüglich Veräußerungskosten) und dem Buchwert der Beteiligung. Ist der Gesellschafter zugleich Organträger, gilt insoweit nichts Besonderes. Auch bei Bestehen einer Organschaft bilanzieren grundsätzlich alle am Organkreis beteiligten Unternehmen selbständig nach allgemein geltenden Bilanzierungsregelungen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768, m.w.N.). Voraussetzungen und Rechtsfolge der Einkommenshinzurechnung nach § 14 KStG bedingen zwar ggf. Einschränkungen allgemeiner Gewinnermittlungsgrundsätze. Diese vermögen das Klagebegehren aber nicht zu stützen.
1. Es entspricht einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, daß die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft gemäß § 14 KStG und die Einkommensermittlung beim Organträger nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen nicht zu einer Doppelbesteuerung des Organeinkommens führen dürfen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768 m.w.N.; vom 20. August 1986 I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455; vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4.Aufl., § 14 Anm.90; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 14 KStG Rdnr.72; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 4.Aufl., Rdnr.486; Abschn.57 Abs.1 Satz 2 KStR). Nach einer weit verbreiteten Auffassung im Schrifttum, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, soll dies auch gelten, wenn die Organbeteiligung veräußert wird und im Zeitpunkt der Veräußerung ein dem Organträger bereits zugerechnetes Einkommen tatsächlich nicht abgeführt wurde (sog. Minderabführung; vgl. Abschn.59 Abs.1 Satz 3 KStR; Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, Rdnr.626; Schröder/Muuss, Handelsbilanz der steuerlichen Betriebsprüfung, Organschaftliche Ausgleichsposten, S.3; Abrell, Betriebs-Berater --BB-- 1972, 1401, 1403; Witt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 Rdnr.85). Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Grundsatz der Einmalbesteuerung, so wie er bislang von der Rechtsprechung verstanden wurde, auch Gewinne erfaßt, die außerhalb der Gewinnabführung und Einkommenszurechnung anfallen (zweifelnd Schmidt, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 1970/71, 179, 200; Voss, Zur körperschaftsteuerlichen Problematik von Rücklagenmodifikationen, 1972, S.320) und ob bzw. inwieweit bereits zugerechnetes Einkommen denklogisch oder tatsächlich den Wert der Organbeteiligung und damit den Veräußerungserlös zu erhöhen vermag. Letztlich wird auch der Verkaufspreis für eine Organbeteiligung anhand einer Unternehmensbewertung, die besonderen, mit der steuerlichen Gewinnermittlung nicht vergleichbaren Bewertungsregeln folgt, im Verhandlungswege ausgehandelt. Unterstellt man aber, daß sich --typisierend betrachtet-- ein die tatsächliche Gewinnabführung übersteigendes Einkommen der Organgesellschaft den Veräußerungserlös erhöht, kann der Veräußerungspreis bei einer Beteiligung von weniger als 100 %, wiederum notwendigerweise typisierend betrachtet, nur entsprechend der Beteiligungsquote durch eine Rücklage bei der Organgesellschaft erhöht sein. Im übrigen wächst die Rücklage dem Wert der Anteile der Minderheitsgesellschafter zu. Ausgehend vom Grundsatz der Vermeidung der Doppelbesteuerung im Organkreis ist die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn.59 Abs.1 Satz 3 KStR, die im Streitfall auch vom FA beachtet wurde, daher konsequent (ebenso Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rdnr.81; Hübel, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1991, 151; Schmidt/Müller/Stöcker, a.a.O., Rdnr.643, 644; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rdnr.184; ähnlich Wassermeyer, JbFSt 1988/89, 325, 329). Das Prinzip der Einmalbesteuerung im Organkreis erlaubt nicht, Einkommenszurechnungen nach § 14 KStG in früheren Veranlagungszeiträumen im Veräußerungsfall (teilweise) rückgängig zu machen. Genau das wäre aber das Ergebnis der von der Klägerin angestellten Vergleichsrechnung, da eine Erhöhung des Kaufpreises um die Minderabführung nicht feststellbar ist.
2. Einlagegrundsätze vermögen aufgrund organschaftsrechtlicher Besonderheiten nicht --durch Erhöhung des Beteiligungsansatzes-- zu einem in Höhe der Einkommenszurechnung verminderten Veräußerungsgewinn zu führen (a.A. insbesondere Dötsch, Der Betrieb --DB-- 1993, 752).
Der Buchwert der Organbeteiligung bestimmt sich gemäß § 8 Abs.1 KStG i.V.m. § 6 Abs.1 Nr.2 EStG nach den Anschaffungskosten. Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gehört alles, was der Steuerpflichtige für den Erwerb aufwendete, die Anschaffungsnebenkosten und die nachträglichen Aufwendungen. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Kapitalbeteiligung gehören zwar grundsätzlich auch die verdeckten Einlagen (BFH-Urteile vom 2. Oktober 1994 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320; vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875; vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234). Auch kann ein Forderungsverzicht den Beteiligungsansatz erhöhen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1994 I R 23, 58, 103/93, BFHE 175, 264, BStBl II 1995, 27; BFH-Urteile vom 19. Mai 1993 I R 34/92, BFHE 171, 286, BStBl II 1993, 804; vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333). Für Ansprüche des Organträgers, die sich aus dem Ergebnisabführungsvertrag ergeben, gilt dies allerdings nicht.
Gesetzlich sind die Auswirkungen der Einkommenszurechnung nach § 14 KStG auf die bilanzielle Gewinnermittlung beim Organträger nicht geregelt. Diese Lücke muß in einer dem Sinn und Zweck des § 14 KStG entsprechenden Weise geschlossen werden. So entspricht es schon bisheriger Rechtsprechung des Senats, bei der steuerlichen Gewinnermittlung des Organträgers zivilrechtliche Gewinnabführungsansprüche wie auch Verlustübernahmeverpflichtungen unberücksichtigt zu lassen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Mai 1990 I R 96/88, BFHE 160, 554, BStBl II 1990, 797; vom 26. Januar 1977 I R 101/75, BFHE 121, 425, BStBl II 1977, 441, und in BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126). Diese können folglich auch nicht über den Beteiligungsansatz in der Bilanz des Organträgers wieder in die Gewinnermittlung eingeführt werden (vgl. z.B. BFH in BFHE 160, 554, BStBl II 1990, 797). Bleibt aber der Beteiligungsansatz durch die sich aus dem Ergebnisabführungsvertrag ergebenden zivilrechtlichen Ansprüche bzw. Verpflichtungen unberührt, so gilt dies auch, wenn auf einen Gewinnabführungsanspruch verzichtet wird. Ist nämlich der Gewinnabführungsanspruch aus der steuerlichen Gewinnermittlung zu eliminieren, so kann sich auch eine Minderung dieses Anspruchs --hier: durch Verzicht-- nicht auf die steuerliche Gewinnermittlung auswirken.
Im Streitfall tritt neben diese rechtlichen Überlegungen die Besonderheit, daß die Klägerin als Organträgerin nur die Beteiligung an der M-GmbH nicht aber an der F-GmbH aktiviert. Die Anteile an der F-GmbH sind ausschließlich bei der M-GmbH als deren Inhaberin bilanzrechtlich zu erfassen. Ein Verzicht auf Gewinnabführungsansprüche könnte daher auch nach allgemeinen Einlagegrundsätzen den Beteiligungsansatz der M-GmbH bei der Klägerin nicht erhöhen.
3. Eine steuerrelevante Erhöhung des Ansatzes für die Beteiligung an der M-GmbH folgt auch nicht aus der organschaftsrechtlichen Sonderregelung in § 37 Abs.2 KStG.
Zwar hat der Senat im Urteil vom 7. November 1990 I R 68/88 (BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177) entschieden, daß Gewinnausschüttungen aus dem EK O4 die Anschaffungskosten der Beteiligung mindern. Daraus darf aber nicht im Umkehrschluß gefolgert werden, daß der in § 37 Abs.2 Satz 1 KStG für den Fall der Minderabführung vorgeschriebene Zugang im EK 04 zu einem Ansatz oder zur Erhöhung eines Aktivpostens in der Steuerbilanz führt. Die bezeichnete Rechtsprechung stützt sich ausschließlich auf § 20 Abs.3 i.V.m. § 20 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG, wonach Gewinnausschüttungen aus dem EK 04 beim Anteilseigner steuerfrei sind. Der Zweck dieser Rechtsprechung liegt darin, diese Steuerfreiheit in die Systematik der Gewinnermittlung bilanzierender Anteilseigner gemäß § 4 Abs.1, § 5 Abs.1 EStG zu integrieren. Im übrigen ist das Eigenkapital aus der Steuerbilanz abzuleiten (§ 29 Abs.1 KStG) und nicht umgekehrt die Ansätze in der Steuerbilanz aus der Gliederungsrechnung, die lediglich eine Hilfsrechnung für die Durchführung des Anrechnungsverfahrens ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65783 |
BFH/NV 1996, 381 |
BStBl II 1996, 614 |
BFHE 181, 53 |
BFHE 1997, 53 |
BB 1996, 2192 |
BB 1996, 2192-2193 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1996, 2261-2262 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1729-1731 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1997, 125-126 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1996, 813-815 (Leitsatz) |
StE 1996, 668 (Kurzwiedergabe) |