Leitsatz (amtlich)
Überträgt der Ehemann unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für sich und seine Ehefrau als Gesamtberechtigte i.S. von § 428 BGB ein ihm allein gehörendes bebautes Grundstück, dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten er getragen hat, seinen Kindern, so stehen ihm die Gebäude-AfA in voller Höhe zu, wenn nur er allein den Nießbrauch ausgeübt und den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht hat (Abweichung von den BFH-Urteilen vom 27.Juli 1982 VIII R 176/80, BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6, und vom 11.Oktober 1983 VIII R 200/80, BFHE 140, 175, BStBl II 1984, 266).
Orientierungssatz
Zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines Nießbrauchs (hier: an einem Grundstück) bedarf es zwingend dessen tatsächlicher Durchführung (vgl. BFH-Rechtsprechung). Bei einem bestehenden Mietverhältnis ist daher die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme erforderlich (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7; BGB § 428
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau im Güterstand der Gütertrennung lebt, ist Landwirt. Außerdem erzielte er in den Streitjahren 1975 bis 1978 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstück in X. Dieses Grundstück hatte er mit notariellem Vertrag vom 27.Dezember 1973 zweien seiner Söhne geschenkt, jedoch hieran sich und seiner Ehefrau als Gesamtberechtigten den unbeschränkten Nießbrauch vorbehalten mit der Verpflichtung, alle mit dem Grundstück zusammenhängenden öffentlichen Lasten und Abgaben, Zins- und Tilgungsleistungen sowie die Instandhaltungskosten zu tragen; der Nießbrauch wurde im Grundbuch eingetragen. Es ist unstreitig, daß der Kläger nach wie vor allein die Mietverträge abschloß, die Erträge auf ein nur ihm zustehendes Bankkonto vereinnahmte sowie die Grundstückskosten trug.
In den Einkommensteuererklärungen 1975 bis 1978 nahm der Kläger für dieses Gebäude weiterhin die Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Anspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst mit den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheiden, stellte sich jedoch nach Durchführung einer Außenprüfung auf den Standpunkt, daß dem Kläger mangels wirtschaftlichen Eigentums keine AfA für das Gebäude zuständen. Dementsprechend änderte das FA die Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1977; ebenso nahm es die Veranlagung zur Einkommensteuer 1978 vor. Nach insoweit erfolglosem Einspruch änderte das FA während des Klageverfahrens die angefochtenen Einkommensteuerbescheide erneut dahingehend, daß es die Hälfte der AfA als Werbungskosten berücksichtigte. Diese Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ging unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.Juli 1981 VIII R 35/79 (BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380) davon aus, daß der Kläger als Vorbehaltsnießbraucher AfA geltend machen könne. Ihm stehe die AfA in voller Höhe zu, weil er als Gesamtgläubiger i.S. des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das ganze Grundstück durch Vermietung und Verpachtung genutzt, nämlich die Mietverträge allein abgeschlossen, die Erträge --durch Überweisung auf sein Bankkonto-- allein vereinnahmt und auch die Grundstückskosten allein getragen habe. Die Ehefrau habe ihr Nießbrauchsrecht nach außen im Verhältnis zu den Grundstücksmietern nicht ausgeübt.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27.Juli 1982 VIII R 176/80 (BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6) Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Er hält an der Ansicht fest, daß er AfA schon deshalb in voller Höhe in Anspruch nehmen könne, weil er wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geblieben sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Senat tritt dem FG bei.
Werbungskosten kann bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur abziehen, wer den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Die Geltendmachung von AfA setzt außerdem voraus, daß der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat (vgl. insbesondere die Urteile in BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380, und vom 23.Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453) oder unentgeltlicher Rechtsnachfolger dessen geworden ist, der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Vorbehaltsnießbraucher die AfA auch in Anspruch nehmen, wenn er nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geblieben ist (BFH-Urteile vom 28.Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378, und vom 7.Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des FG als Vorbehaltsnießbraucher allein den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht und damit allein aus dem Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Senat geht auch davon aus, daß der Kläger als vorheriger Grundstückseigentümer entweder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes selbst getragen hat oder Rechtsnachfolger des Bauherrn gewesen ist.
Der Kläger ist befugt, die AfA in voller Höhe in Anspruch zu nehmen, obwohl auch seiner Ehefrau an dem Grundstück ein Zuwendungsnießbrauch bürgerlich-rechtlich wirksam bestellt wurde. Denn dieser Zuwendungsnießbrauch ist in den Streitjahren ertragsteuerlich nicht zu beachten.
Das FG vertritt zutreffend den Standpunkt, daß der Kläger den Nießbrauch als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB in voller Höhe für sich in Anspruch genommen hat. Nach allgemeiner Auffassung kann ein Nießbrauch zugunsten von Gesamtgläubigern bestellt werden (vgl. den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 9.Juli 1980 V ZB 5/80, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 176, m.w.N.). Der im vorliegenden Fall abgeschlossene notarielle Vertrag läßt sich nach seinem Wortlaut und der Interessenlage der Beteiligten mit dem FG dahin auslegen (vgl. noch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44.Aufl., § 1030 Anm.3 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 26.Mai 1937 V 273/36, Höchstrichterliche Rechtsprechung 1937 Nr.1443), daß der Nießbrauch für den Kläger und seine Ehefrau als Gesamtberechtigte i.S. des § 428 BGB bestellt wurde. Das FA hat hiergegen auch keine Einwendungen erhoben.
Die Ehefrau des Klägers hat am Tatbestand der Einkunftserzielung gemäß § 21 Abs.1 Nr.1 EStG nicht mitgewirkt, weil der zu ihren Gunsten bestellte Zuwendungsnießbrauch noch nicht tatsächlich durchgeführt wurde. Daß es zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines Nießbrauchs dessen tatsächlicher Durchführung zwingend bedarf, ist ständige Rechtsprechung (vgl. insbesondere die BFH-Urteile vom 11.März 1976 VIII R 225/71, BFHE 119, 244, BStBl II 1976, 613, m.w.N., und vom 13.Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295). Bei einem bestehenden Mietverhältnis ist daher die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme erforderlich (BFH-Beschluß vom 19.September 1978 VIII B 73/77, BFHE 126, 34, BStBl II 1979, 42, und BFH-Urteil vom 26.April 1983 VIII R 205/80, BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502).
Die Einkünfte sind also nach wie vor nur dem Kläger als Nießbraucher zuzurechnen, was zur Folge hat, daß die vom Kläger getragenen Werbungskosten einschließlich der AfA bei ihm uneingeschränkt anzusetzen sind.
Allerdings hat der VIII. Senat des BFH in den Urteilen in BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6 und vom 11.Oktober 1983 VIII R 200/80 (BFHE 140, 175, BStBl II 1984, 266) ausgesprochen, daß gemeinschaftlich Nießbrauchsberechtigte die AfA nur je zur Hälfte in Anspruch nehmen könnten, weil sie Miteigentümern vergleichbar seien, denen die AfA grundsätzlich nur auf die ihrem Anteil entsprechenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuständen (Hinweis auch auf BFH-Urteil vom 27.Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, 533, BStBl II 1978, 674). Daran ändere sich auch dann nichts, wenn der Vorbehaltsnießbraucher alleiniger Vermieter des Grundstücks sei und ihm die gesamten Mieterträge zuzurechnen seien, weil er seine Nutzungsmöglichkeit zum Teil aus dem Recht der Zuwendungsnießbraucherin herleite. Denn die AfA seien an die Nutzung des Grundstücks aus eigenem Recht geknüpft. Dem vermag der erkennende Senat für den vorliegenden Fall nicht zu folgen.
Ist der Nießbrauch den Mitberechtigten als Gesamtgläubigern gemäß § 428 BGB bestellt und hat ihn nur der Kläger ausgeübt, so leitet er seine Nutzungsmöglichkeit nicht zum Teil aus dem Recht der Zuwendungsnießbraucherin, sondern, wie sich aus dem Rechtsgedanken des § 428 BGB ergibt, in voller Höhe aus eigenem Recht ab. Ferner hat der erkennende Senat Bedenken gegen die vom VIII.Senat vorgenommene Übertragung der Rechtsgrundsätze in der Beurteilung der AfA-Berechtigung bei Miteigentümern auf den Fall, daß Nießbraucher die Rechtsstellung von Gesamtgläubigern nach § 428 BGB haben. Soweit der VIII.Senat auf das Urteil in BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674 zurückgreift, könnte dieses insoweit, als dort die AfA-Berechtigung demjenigen zugebilligt wird, der den Wertverzehr des Wirtschaftsguts trägt, durch die neuere Rechtsprechung seit dem Urteil in BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380 überholt sein.
Einer Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs.3 FGO wegen Abweichung von der Rechtsprechung des VIII. Senats bedarf es nicht, weil der erkennende Senat für die Einkunftsart der Vermietung und Verpachtung allein zuständig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 61089 |
BStBl II 1986, 12 |
BFHE 144, 446 |
BFHE 1986, 446 |
BB 1986, 307-308 (ST) |
DB 1986, 23-23 (ST) |
DStR 1986, 92-92 (ST) |