Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe von Gewinnfeststellungsbescheiden; Verjährungshemmung durch Betriebsprüfung
Leitsatz (NV)
1. Zur Bekanntgabe eines Gewinnfeststellungsbescheids nach Vollbeendigung einer KG.
2. Zu den Voraussetzungen für die (feststellungs)verjährungshemmende Wirkung von Prüfungshandlungen.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, §§ 57, 60 Abs. 3, §§ 123, 74; RAO § 144 Abs. 1, § 146a Abs. 3; AO 1977 § 171 Abs. 4
Gründe
. . .
3. Aus prozeßökonomischen Gründen und ohne Bindung für das FG weist der Senat in der Sache auf folgendes hin:
a) Ein Gewinnfeststellungsbescheid ist nach Auflösung und handelsrechtlicher Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft grundsätzlich allen Beteiligten bekanntzugeben, für die er inhaltlich bestimmt ist, d.h. allen (Mitunternehmer)Gesellschaftern, soweit diese von dem materiellen Inhalt des Bescheides betroffen werden. Das bedeutet aber nicht, daß ein Feststellungsbescheid, der nur einem Teil der von ihm in vorgenannter Weise betroffenen Personen bekanntgegeben wird, unwirksam ist. Ein Feststellungsbescheid wird bereits mit der Bekanntgabe an lediglich einen Beteiligten wirksam. Die fehlende und erforderliche Bekanntgabe an die übrigen Gesellschafter hat allein zur Folge, daß der Bescheid diesen Gesellschaftern gegenüber noch keine materielle Bindungswirkung i.S. des § 182 AO 1977 entfalten und von ihnen grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung angefochten werden kann. Dies macht es regelmäßig notwendig, das von einem Beteiligten gegen den Gewinnfeststellungsbescheid geführte Klageverfahren analog § 74 FGO so lange auszusetzen, bis der Bescheid allen davon materiell Betroffenen bekanntgegeben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 257/84, BFH/NV 1991, 507 mit ausführlicher Begründung).
Für den Streitfall ergibt sich aus den vorgenannten Grundsätzen, daß der angefochtene Feststellungsbescheid mit der Bekanntgabe an die Bevollmächtigten der Kläger diesen gegenüber wirksam geworden ist. Einer Aussetzung des Verfahrens zwecks Nachholung der Bekanntgabe an die anderen Gesellschafter bedarf es nicht. Das FA hat den angefochtenen Bescheid - soweit aus den vorliegenden Akten ersichtlich - mit Bescheiden vom 21. Dezember 1990 sämtlichen anderen Feststellungsbeteiligten nachträglich bekanntgegeben.
b) Der Erlaß eines Gewinnfeststellungsbescheids für vor dem 1. Januar 1977 betreffende Veranlagungszeiträume ist unzulässig, wenn die Steueransprüche, für die der Bescheid bindende Feststellungen trifft, verjährt sind. Nach Art.97 § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) richtet sich die Verjährung der vor dem 1. Januar 1977 entstandenen Steueransprüche nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO). Die Verjährungsfrist der an die festgestellten Besteuerungsgrundlagen anknüpfenden Steuern beträgt gemäß § 144 Abs. 1 AO fünf Jahre. Die Verjährungsfrist läuft jedoch nicht ab, wenn ein zur Verjährungshemmung führender Tatbestand erfüllt ist.
Im Streitfall hat die Betriebsprüfung den Ablauf der Verjährungsfrist verhindert. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist daher nicht wegen Verjährungseintritts rechtswidrig.
Wird vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen, so verjähren die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 146a Abs. 3 AO). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall unabhängig davon vor, ob die ergänzende Prüfungsanordnung vom 30. Juni 1982 wirksam ist oder nicht. Zwar wird die verjährungshemmende Wirkung nach § 146a Abs. 3 AO nur durch eine wirksame Prüfungsanordnung herbeigeführt (vgl. BFH-Urteile vom 10. April 1987 III R 202/83, BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165; vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, 210, BStBl II 1990, 612; vom 13. Dezember 1990 V R 48/86, BFH/NV 1991, 790). Wirksame Prüfungsanordnung im vorgenannten Sinne ist aber zumindest die Prüfungsanordnung vom 11.August 1977. Aufgrund dieser Prüfungsanordnung ist die Betriebsprüfung begonnen worden. Daß diese Prüfungsanordnung nicht das Streitjahr umfaßte, ist unmaßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 10. Dezember 1971 III R 35/71, BFHE 104, 282, BStBl II 1972, 331; vom 15. Dezember 1982 II R 72/81, BFHE 137, 396, BStBl II 1983, 384; vom 22.Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293; vom 28. Juni 1990 IV R 93/85, BFH/NV 1991, 210) kommt es für die verjährungshemmende Wirkung der Betriebsprüfung nach § 146a Abs. 3 AO - anders als nach der für die nach dem 31. Dezember 1976 entstandenen Steueransprüche getroffenen Regelung des § 171 Abs. 4 AO 1977 - nicht auf den Inhalt der Prüfungsanordnung, sondern auf die tatsächlich geprüften Zeiträume an.
Fundstellen
Haufe-Index 418557 |
BFH/NV 1993, 457 |