Leitsatz (amtlich)
Organträger dürfen steuerrechtlich keine Rückstellung für drohende Verluste aus Verlustübernahme bilden.
Normenkette
KStG § 7a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, war im Streitjahr 1970 zu 100 v. H. an der Z-GmbH und zu 96,93 v. H. an der S-GmbH beteiligt. Sie hatte mit beiden Tochtergesellschaften Ergebnisabführungsverträge geschlossen, die am 15. April 1970 den Erfordernissen des § 7 a KStG angepaßt wurden. Das Geschäftsjahr der Klägerin stimmt mit dem Kalenderjahr überein, das Geschäftsjahr der Tochtergesellschaften läuft vom 1. Juli bis zum 30. Juni des darauffolgenden Jahres.
Die Tochtergesellschaften der Klägerin erlitten seit dem Abschluß der Ergebnisabführungsverträge nur Verluste, die die Klägerin auszugleichen hatte.
Die Klägerin bildete in ihrer Handelsbilanz und in ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember 1970 eine "Rückstellung für zu übernehmende Organschaftsverluste" in Höhe von ... DM, welche die voraussichtlichen Verluste der Tochtergesellschaften umfaßte, die bis zum 30. Juni 1973, dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung des Ergebnisabführungsvertrages, anzufallen drohten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1970 und bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1970 die Rückstellung nicht an.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1975, 392, veröffentlicht ist, hat ausgeführt, aus § 7 a KStG lasse sich ableiten, daß unter Durchbrechung der handelsrechtlichen Vorschriften über die Bilanzierung von Rückstellungen bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns des Organträgers eine Rückstellung für zu übernehmende Verluste der Organgesellschaft nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung der § 6 Abs. 1, § 7 a KStG, § 5 Abs. 1 EStG, Art. 2 GG - Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung - und der Grundsätze über bindende Zusagen der Finanzverwaltung gerügt wird.
Die Klägerin meint, aus der Weisung des § 7 a KStG, das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen, gehe nicht hervor, wie das Einkommen des Organträgers zu ermitteln sei. Das Gesetz sage bei wörtlicher Betrachtung gerade nicht, daß das Einkommen der Organgesellschaft dem vom Gewinnabführungsvertrag unbeeinflußten Einkommen des Organträgers zuzurechnen sei. Die Frage sei nicht ausdrücklich geregelt. Die doppelte Entlastung lasse sich dadurch vermeiden, daß im Wege einer teleologischen Reduktion das Zurechnungseinkommen der Organgesellschaft um den übernommenen Verlust (Gewinn) gekürzt werde. Der Zweck des § 7 a KStG gebiete es daher nicht, in dieser Vorschrift eine Sonderregelung für Bilanzierung eines Gewinnabführungsvertrages und seiner Durchführung in der Steuerbilanz des Organträgers zu sehen.
Verbleibe es daher bei den allgemeinen Bilanzierungsvorschriften, so sei der Ansatz einer Rückstellung für drohende Verlustübernahme als Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften geboten.
Die Klägerin hält auch daran fest, daß das FA an die Erklärung der Oberfinanzdirektion vom 16. März 1967, die an Organgesellschaften gegebenen Vorschüsse zur Abdeckung von Verlusten könnten als Aufwand verbucht werden, gebunden sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben sowie den vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid und den vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid und die Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe aufzuheben, daß der Körperschaftsteuer und dem Gewerbesteuermeßbescheid 1970 ein Gewinn von ... DM zugrunde gelegt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin darf die begehrte Rückstellung für drohende Verlustübernahme nicht bilden (§ 7 a KStG, § 7 GewStG).
1. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die Klägerin, wie sie im einzelnen darlegt, nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in ihrer Handelsbilanz eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Verlustübernahme (§ 302 AktG) zu bilden hat. Denn die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG) wird für diese Rückstellung beseitigt durch § 7 a KStG.
a) Nach dieser Vorschrift ist unter den weiteren Voraussetzungen der steuerrechtlichen Organschaft das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen. Für die Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft gelten, abgesehen von den Ausnahmen in § 7 a Abs. 2 KStG, die allgemeinen Vorschriften, damit auch die Vorschriften über verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen. Das bedeutet, daß bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft verdeckte Gewinnausschüttungen hinzuzurechnen und verdeckte Einlagen abzuziehen sind (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 4 Abs. 1 EStG).
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch die Gewinnabführung auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages, eine verdeckte Einlage ist auch die Verlustübernahme. Beide haben ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis. Die Gewinnabführung, die als Aufwendung den Bilanzgewinn der Organgesellschaft gemindert hat (§ 157 Abs. 1 Nr. 27 AktG), ist daher bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft hinzuzurechnen (Urteil des BFH vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126), die Verlustübernahme, die als Ertrag den Bilanzgewinn der Organgesellschaft erhöht hat (§ 157 Abs. 1 Nr. 15 AktG), ist abzuziehen. Das Einkommen der Organgesellschaft, das dem Organträger zuzurechnen ist, enthält daher auch den abgeführten Gewinn oder den vom Organträger übernommenen Verlust.
b) Die Zurechnung des so ermittelten Einkommens der Organgesellschaft an den Organträger hat zur Folge, daß sich Gewinne oder Verluste der Organgesellschaft steuerrechtlich beim Organträger auswirken.
Der Betrag der Gewinnabführung ist aber auch im eigenen Einkommen des Organträgers enthalten als Ertrag aus Gewinnabführungsvertrag (§ 157 Abs. 1 Nr. 7 AktG). Um die doppelte Besteuerung des Gewinns, die § 7 a KStG gerade vermeiden will, zu verhindern, ist, wie der BFH inzwischen entschieden hat (Urteil I R 240/72), das eigene Einkommen des Organträgers um den Betrag der in ihm enthaltenen Gewinnabführung zu kürzen.
Gleiches gilt für den Verlust der Organgesellschaft. Auch er führt als Aufwand aus Verlustübernahme zu einer Minderung des Bilanzgewinns des Organträgers (§ 157 Abs. 1 Nr. 25 AktG). Diese wird - handelsrechtlich und steuerrechtlich - nicht etwa ausgeglichen durch eine Aktivierung der Verlustübernahme auf dem Beteiligungskonto des Organträgers, wie Jurkat annimmt (Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, 1975, Rdnr. 624 c, 744). Die sonst gebotene Aktivierung der verdeckten Einlage auf Beteiligungskonto scheitert hier daran, daß der Wert der Beteiligung durch die Verlustübernahme nicht erhöht wird. Der Wert der Beteiligung an einer Organgesellschaft "erstarrt" (BFH-Urteil vom 17. September 1969 I 170/65, BFHE 97, 160, BStBl II 1970, 48). Bliebe es nun bei der Gewinnminderung nach § 157 Abs. 1 Nr. 25 AktG, so wirkte sich der Verlust der Organgesellschaft bei der Besteuerung des Organträgers zweimal aus, einmal im Wege der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft, einmal unmittelbar im eigenen Einkommen des Organträgers.
Diese Doppelentlastung widerspricht - auch nach Ansicht der Klägerin - dem Sinn und Zweck des § 7 a KStG. Sie ist nach dem Grundgedanken des BFH-Urteils I R 240/72 auch hier in der Weise zu vermeiden, daß das eigene Einkommen des Organträgers um die Verlustübernahme, soweit sie den Bilanzgewinn gemindert hat, erhöht wird. Der andere Weg, der der Klägerin vorschwebt, das Zurechnungseinkommen um den Betrag der Verlustübernahme zu erhöhen, widerspricht dem Gebot des § 7 a KStG, daß das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen ist.
c) Ist aber die Aufwendung aus Verlustübernahme, die im eigenen Einkommen des Organträgers enthalten ist, zur Vermeidung der doppelten Entlastung wieder hinzuzurechnen, weil sich der Verlust der Organgesellschaft bei der Besteuerung der Obergesellschaft nur einmal und zwar nach dem Gebot des § 7 a KStG auf dem Weg der Hinzurechnung des Einkommens der Organgesellschaft auswirken darf, dann muß das gleiche gelten für eine Rückstellung für drohende Verlustübernahme. Denn diese ist nichts anderes als die zeitlich vorweggenommene Aufwendung aus Verlustübernahme selbst.
2. Dieses Ergebnis folgt, wie mehrfach erwähnt, aus dem Gesetzesbefehl des § 7 a KStG, Gewinne und Verluste der Organgesellschaft allein auf dem Weg über die Zurechnung zum Einkommen des Organträgers zu erfassen. In der Versagung der Rückstellung für drohende Verlustübernahme kann daher der Senat keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung erblicken.
3. Liegt somit der Rechtsgrund für die Unzulässigkeit der begehrten Rückstellung im § 7 a KStG, hat die Erklärung der Oberfinanzdirektion im Schreiben vom 16. März 1967 ihre Grundlage verloren. Denn sie ist zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 7 a KStG abgegeben worden.
Fundstellen
Haufe-Index 72292 |
BStBl II 1977, 441 |
BFHE 1977, 425 |