Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gehört ein Mietwohngrundstück, in dem sich auch der Gewerbebetrieb (Einzelhandelsgeschäft) befindet, zum gewillkürten Betriebsvermögen, so wird das Gebäude bei Aufgabe des Betriebs notwendiges Privatvermögen. Die im Buchansatz des Gebäudes vorhandenen stillen Reserven müssen versteuert werden.
Zur Frage des Zeitpunktes der Aufgabe eines Einzelhandelsgeschäfts; Bedeutung der Einstellung des Zukaufes; Bedeutung der Beendigung des Ladengeschäfts.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 4, § 16/3, § 34 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Sohn und Mutter (Bfin.) bildeten seit 1953 eine Erbengemeinschaft. Zu den Nachlaßgegenständen gehörte ein Einzelhandelsgeschäft in Gold- und Silberwaren, das in einem zum Nachlaß gehörigen Grundstück betrieben wurde. In dem Grundstück befanden sich außer den gewerblichen, dem Einzelhandelsgeschäft dienenden Räumen mehrere an Dritte vermietete Wohnungen. In den Jahren 1955 und 1956 verkaufte die Erbengemeinschaft den Warenbestand des Einzelhandelsgeschäfts und vermietete die gewerblichen Räume an einen Dritten. Sie meldete den Gewerbebetrieb bei der Stadtverwaltung ab und gab dabei als den Tag der Betriebsaufgabe den 31. Dezember 1956 an.
In den Bilanzen des Einzelhandelsgeschäfts war das gesamte Grundstück stets in vollem Umfange als Betriebsgrundstück ausgewiesen worden. Es hatte am 31. Dezember 1956 einen Buchwert von 319 430 DM. Streitig ist, ob die Erbengemeinschaft das Grundstück mit der Aufgabe des Einzelhandelsgeschäft ins Privatvermögen übernahm und damit der Unterschied zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert den für 1956 einheitlich festzustellenden Gewinn erhöhte.
Finanzamt und Finanzgericht vertraten diese Auffassung. Das Finanzgericht stellte den gemeinen Wert des Grundstücks auf 512 317 DM fest. Danach ergab sich für 1956 nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung ein Gesamtgewinn von 179 783 DM, den das Finanzgericht insoweit als Veräußerungsgewinn behandelte, als er auf der Entnahme des Gebäudes (177 570 DM) und auf der in der Rb. nicht mehr streitigen Entnahme von Bausparverträgen (399 DM) beruhte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.
Die Bfin. erhob im Verfahren vor dem Finanzamt und dem Finanzgericht gegen die eindeutige Darstellung des Sachverhalts durch das Finanzamt, daß nämlich das Einzelhandelsgeschäft im Laufe der Jahre 1955 und 1956 durch allmähliche Veräußerung des Warenbestands aufgelöst worden sei und damit die gewerbliche Betätigung erst im Jahr 1956 geendet habe, keine Einwendungen. Bei dieser Sachlage gab die frühere Behauptung des Finanzamts, der Gewerbebetrieb sei bereits im Jahr 1955 eingestellt worden, dem Finanzgericht keine Veranlassung, Ermittlungen über die Beendigung der gewerblichen Betätigung anzustellen. Die von der Bfin. in der Rb. aufgestellte Behauptung, die Beendigung der gewerblichen Tätigkeit falle in das Jahr 1955, ist neu und kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
Das Finanzgericht ging dadurch, daß es die durch die Veräußerung des Warenlagers in den Jahren 1955 und 1956 erzielten Gewinne nicht als tarifbegünstigte Aufgabegewinne (ß 16 Abs. 3, § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG) ansah, zugunsten der Bfin. davon aus, daß der Beginn des Warenausverkaufs im Jahr 1955 noch nicht den Beginn der Aufgabe des Gewerbebetriebs darstellte. Denn sonst wären alle in den Jahren 1955 und 1956 erzielten Veräußerungs- und Aufgabegewinne, zu denen auch der in der Rb. noch streitige Gewinn aus dem übergang des Grundstücks ins Privatvermögen gehören würde, nicht tarifbegünstigt (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 368/55 U vom 7. März 1957 und I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 209, S. 414 Slg. Bd. 64 S. 556 und Slg. Bd. 65 S. 468). Gegen diese Auffassung des Finanzgerichts bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Aufgabe des Betriebs liegt erst in der tatsächlichen Einstellung jedes Verkaufs. Ein in Form eines Ladengeschäfts ausgeübter Gewerbebetrieb wird nicht bereits dann eingestellt, wenn kein Zukauf mehr erfolgt, sondern erst dann, wenn das vorhandene Warenlager in einem Zeitraum, der sich über Jahre erstrecken kann, "im Ladengeschäft" allmählich, also nicht in Form eines Ausverkaufs, veräußert ist.
Der Senat kann sich bei Beantwortung der Frage, ob die Beendigung des Warenverkaufs zwangsläufig dazu führe, daß das zum Betriebsvermögen des Einzelhandelsgeschäfts gehörende Gebäude notwendiges Privatvermögen wurde, der Auffassung der Bfin. nicht anschließen. Die Bfin. geht davon aus, daß zum Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter nur dann Privatvermögen werden könnten, wenn sie einen dahin gehenden Beschluß gefaßt und nach außen erkennbar gemacht habe. In der Regel beruht die Entnahme eines Wirtschaftsguts und seine überführung vom Betriebs- in das Privatvermögen auf einem Willensentschluß des Steuerpflichtigen. Eine Privatentnahme kann deshalb in der Regel nur angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige seinen Entschluß in eindeutiger Weise zum Ausdruck brachte. Würde man auch im vorliegenden Falle einen solchen Willensentschluß der Bfin. nicht annehmen, so käme man zu dem Ergebnis, daß die aus der Vermietung eines Mietwohngrundstücks sich ergebenden Einkünfte weiter gewerbliche Einkünfte bildeten, obwohl ein Gewerbebetrieb nach Aufgabe jeder Verkaufstätigkeit nicht mehr vorlag. Mit Recht gehen die Vorinstanzen davon aus, daß eine solche Folgerung mit § 21 EStG nicht vereinbar ist. Die Vermietung eines Mietwohngrundstücks führt nur dann zu gewerblichen Einkünften, wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs durchgeführt wird. Ist ein Gewerbebetrieb nicht mehr vorhanden und besteht auch nicht die Absicht, das Gebäude demnächst in einem anderen Gewerbebetrieb zu verwenden oder es im Rahmen der Aufgabe des bisherigen alsbald zu veräußern, so kann es nicht von dem Willen und Entschluß des Steuerpflichtigen abhängen, ob die aus der Vermietung gezogenen Einkünfte gewerblicher Natur sind oder zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören. Der Wille des Steuerpflichtigen kann eine auf Vermietung gerichtete Tätigkeit nicht zu einer gewerblichen machen. Die Aufgabe des Handelsgeschäfts führte deshalb zwangsläufig dazu, daß das Mietwohngrundstück notwendiges Privatvermögen wurde. Der Entschluß des Kaufmanns, seinen Gewerbebetrieb aufzugeben, stellt in Verbindung mit dem Entschluß, ein Wirtschaftsgut, im Streitfall das Hausgrundstück, durch Vermietung zu nutzen, eine Willensentscheidung des Kaufmanns dar, das Wirtschaftsgut in das Privatvermögen zu überführen. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Verpachtung eines Gewerbebetriebs im ganzen oder doch seiner wesentlichen Grundlagen können hier nicht angewendet werden. Die Vermietung von Wohnungen oder eines Ladens kann mit der Verpachtung eines Gewerbebetriebs nicht verglichen werden. Die überführung des Grundstücks ins Privatvermögen löste die vom Finanzgericht festgestellte Steuerpflicht aus.
Die von der Rechtsprechung für die Verpachtung eines Gewerbebetriebs entwickelten Grundsätze, die dem Verpächter ein weitgehendes Wahlrecht einräumen, zu welchem Zeitpunkt er die stillen Rücklagen des ruhenden Gewerbebetriebs versteuern will (Urteil des Bundesfinanzhofs I 201/58 U vom 1. September 1959, BStBl 1959 III S. 482, Slg. Bd. 69 S. 590), sind nicht anwendbar. Denn bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebs bleibt kein ruhender Betrieb bestehen, weil ihn der bisherige Inhaber nicht mehr fortsetzen kann und anders als bei der Verpachtung eine Wiederaufnahme der früheren gewerblichen Betätigung nicht in Betracht zieht. Das von der Bfin. erstrebte Wahlrecht bei der Betriebsaufgabe würde im Ergebnis zum Verzicht auf die Versteuerung der stillen Reserven führen, weil keine objektiven Voraussetzungen für den spätesten Zeitpunkt der Versteuerung aufgestellt werden können und damit die Versteuerung für unbegrenzte Zeit der Entscheidung des Steuerpflichtigen überlassen bleibt. Ein solches Ergebnis ist mit den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts nicht vereinbar.
Fundstellen
Haufe-Index 410233 |
BStBl III 1961, 517 |
BFHE 1962, 689 |
BFHE 73, 689 |
BB 1961, 1189 |
DB 1961, 1441 |