Leitsatz (amtlich)
Zur Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO gehört, daß Tatsachen vorgetragen werden, die geeignet erscheinen, eine Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des Gerichts darzutun.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
In dem Rechtsstreit zwischen dem Revisionskläger (Steuerpflichtiger) und dem Revisionsbeklagten (FA) wegen der Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1959, 1960, 1962 und 1963 hat das FG die Klage des Steuerpflichtigen abgewiesen. Der Kläger hatte beantragt, die Umsätze um folgende Beträge zu kürzen: 1959 3 247 DM, 1960 18 792,71 DM, 1962 1 033 DM, 1963 750 DM.
Mit der Revision rügte der Steuerpflichtige zunächst lediglich, das FG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es nicht mit Berufsrichtern, die besoldungsmäßig entsprechend eingestuft sind, besetzt gewesen sei. Nach Ablauf der Begründungsfrist hat er vorgetragen, es komme ihm in erster Linie nicht auf die Besetzung der Vorinstanz, sondern auf die Entscheidung in der Sache selbst an; er habe die strittigen Umsätze nicht erzielt. Schließlich hat er dann noch mangelnde Sachaufklärung und Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen. Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zulässig. Der Streitwert übersteigt zwar unstreitig nicht 1 000 DM, und das FG hat die Revision nicht zugelassen (§ 115 Abs. 1 FGO). Die Revision ist aber statthaft nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Nach dieser Vorschrift bedarf die Revision keiner Zulassung, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Die bloße Behauptung eines solchen Mangels genügt allerdings nicht. Andererseits ist die Revision nicht erst dann als statthaft anzusehen, wenn der gerügte Verfahrensmangel auch tatsächlich festgestellt werden kann. Es müssen Tatsachen vorgetragen sein, die geeignet erscheinen, eine Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des Gerichts darzutun (vgl. Beschluß des BVerwG VI CB 49/63 vom 7. Juni 1963, Verwaltungs-Rechtsprechung Bd. 16 Nr. 80, und Urteil des BVerwG V C 65/62 vom 11. Dezember 1963, BVerwGE 17, 253). Im Streitfall ist diese Voraussetzung im Hinblick auf das Urteil des BFH IV R 124/67 vom 14. März 1968 (BFH 91, 228, BStBl II 1968, 282) als erfüllt anzusehen. Nach dem Beschluß des BFH Gr. S. 1/68 vom 27. Mai 1968 (BFH 92, 188, BStBl II 1968, 473) ist die Auffassung, daß die vorschriftsmäßige Besetzung eines Gerichts auch durch die besoldungsmäßige Einstufung der an ihm tätigen Richter, worin der Rang zum Ausdruck komme, bestimmt werde, nicht offensichtlich unbegründet, sondern durchaus vertretbar.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Das Urteil des BFH IV R 124/67 (a. a. O.) ist durch den Beschluß des BVerfG 2 BvL 9-11/68 vom 14. Mai 1968 (BStBl II 1968, 467) und den Beschluß des BFH Gr. S. 1/68 (a. a. O.) überholt. Nach diesen neueren Entscheidungen wird die vorschriftsmäßige Besetzung der FG im Sinn des § 119 Nr. 1 FGO nicht dadurch berührt, daß die Besoldung der Richter nach dem Inkrafttreten der FGO nicht erhöht worden ist. Die besoldungsmäßige Einstufung der Richter bei den FG ist für die Frage der vorschriftsmäßigen Besetzung eines Gerichts im Sinn des § 119 Nr. 1 FGO ohne Bedeutung. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung und der Verletzung des rechtlichen Gehörs muß schon deshalb außer Betracht gelassen werden, weil sie nicht innerhalb der Frist für die Revisionsbegründung erhoben worden ist (§ 120 Abs. 2 FGO).
Für eine sachliche Prüfung des Streitstoffs ist kein Raum. Der Senat läßt es dahingestellt, ob § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO auf die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift ist auf eine Verfahrensrevision nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden, wenn nicht die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Vorentscheidung von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Daß diese Voraussetzungen für eine erweiterte Prüfung vorlägen, ist weder behauptet noch ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 68378 |
BStBl II 1969, 115 |
BFHE 1969, 207 |