Leitsatz (amtlich)
1. Eine unschädliche Verwendung zum Wohnungsbau i. S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 liegt u. a. vor, wenn mit Bausparmitteln Anlagen und Einrichtungen geschaffen werden, die i. S. des bürgerlichen Rechts wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Dies gilt auch dann, wenn die Anlagen und Einrichtungen zugleich der Einrichtung und Ausstattung einer Wohnung dienen.
2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme wesentlicher Gebäudebestandteile i. S. der §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1, 94 Abs. 2 BGB.
Normenkette
EStG 1965 § 10 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; BGB §§ 93-94
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Eheleute - Kläger -) haben das Guthaben eines zugeteilten Bausparvertrages vor Ablauf der Sperrfrist zur Finanzierung eines Einbauschrankes, einer Heizungsverkleidung und für die Verlegung elektrischer Leitungen infolge des Einbaues im Wohnzimmer ihres Hauses verwendet. Als der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hiervon durch eine Betriebsprüfung erfuhr, führte er im Zuge der Veranlagung für 1968 eine Nachversteuerung der als Sonderausgaben geltend gemachten Bausparbeiträge der Vorjahre durch, die eine Mehrsteuer von 2 379 DM ergab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, bei den Aufwendungen für die Einbauten handele es sich nicht um nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes, vielmehr sei eine Wohnzimmereinrichtung des gehobenen Lebensstils geschaffen worden, die über den üblichen Rahmen hinausgehe. Die Bausparmittel seien daher nicht steuerunschädlich für den Wohnungsbau verwendet worden.
Mit der Klage trugen die Kläger u. a. vor, der Einbauschrank erstrecke sich über zwei Wände des Wohnzimmers und sei im eigenen Hause genau nach den Maßen des Wohnzimmers gebaut worden. Eine große doppelflügelige Schiebetür sowie eine normale Tür einschließlich des notwendigen Türfutters seien eingebaut. Das ganze sei mit dem Mauerwerk als Bauelement fest verbunden. An der Eingangstür werde ein nicht unerheblicher Teil des Mauerwerkes durch die Holzkonstruktion des Schrankes ausgefüllt, da die Eingangstür früher ein größeres Format gehabt habe. Die beiden Wände, mit denen der Einbauschrank verbunden sei, stünden nicht genau im rechten Winkel. Aus diesen Gründen könne der Einbauschrank, ohne zerstört zu werden, weder ausgebaut noch in anderen Räumen ganz oder teilweise verwendet werden.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG ging entsprechend dem Urteil des Senats vom 22. März 1968 VI R 213/67 (BFHE 92, 142, BStBl II 1968, 512) davon aus, daß vorzeitig ausgezahlte Bausparbeiträge i. S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 zum Wohnungsbau verwendet werden, wenn sie bzw. die Maßnahmen, für die sie aufgewendet werden, einem der in Abschn. 92 Abs. 2 EStR aufgezählten Bausparzwecke dienten. Es führte u. a. aus: Hier komme die Verbesserung eines Wohngebäudes in Betracht, die sowohl bei Herstellungs- als auch bei Erhaltungsaufwand gegeben sein könne. Jedoch müßten nachträglich beschaffte bewegliche Sachen, die mit dem vorhandenen Gebäude verbunden werden, nach der Vereinigung einen wesentlichen Bestandteil (§§ 93, 94 BGB) des Gebäudes bilden. Zusätzlich ergebe sich eine Einschränkung aus der Tatsache, daß es sich um eine Verwendung zum Wohnungsbau handeln müsse. Hiervon könne nur gesprochen werden, wenn bauliche Maßnahmen finanziert werden, durch die Wohnraum errichtet, erweitert und umgestaltet wird, nicht aber, wenn andere Einrichtungen und Anlagen des privaten Lebensbedarfs geschaffen oder angeschafft werden. Maßgebend sei allein die Funktion der geschaffenen oder verbesserten Einrichtungen und Anlagen. Damit schieden Maßnahmen aus, die nur die Einrichtung und Ausstattung einer Wohnung verbesserten. Dieses zu § 7 b EStG verwendete Kriterium sei auch für den Bereich des § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG von maßgeblicher Bedeutung. Einbaumöbel behielten ihren durch ihre Funktion bestimmten Charakter als Möbelstück grundsätzlich auch dann, wenn sie durch technische Maßnahmen zum wesentlichen Bestandteil des Gebäudes würden. Nur in Ausnahmefällen könnten sie die Funktion eines echten Gebäudebestandteils übernehmen, z. B. wenn eine Schrankwand eine an sich vorgesehene und wegen der Gestaltung eines Wohnraums auch erforderliche Innenwand des Gebäudes ersetze. Im Streitfall brauche diese Frage aber nicht abschließend geklärt zu werden, da die Schrankwand lediglich an eine Innenwand des Gebäudes angelehnt und mit dieser verbunden worden sei, ohne sie zu ersetzen. Schädlich sei auch die Verwendung der Bausparmittel für die Verlegung elektrischer Leitungen und für die Heizungsverkleidung. Diese Kosten hingen mit dem Einbau der Schrankwand zusammen; sie beruhten also auf einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang, der auch steuerlich einheitlich beurteilt werden müsse. Außerdem wären diese Kosten, gemessen am Verkehrswert des Hauses, derart unbedeutend, daß bereits aus diesem Grunde eine Verwendung zum Wohnungsbau ausscheide (vgl. Urteil des BFH VI R 213/67).
Mit der Revision wenden sich die Kläger gegen die Nachversteuerung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache.
Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 ist die Auszahlung der Bausparsumme vor Ablauf der Sperrfrist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet. Der Senat hält daran fest (z. B. Urteil VI R 213/67), daß als Wohnungsbau i. S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG u. a. der Bau, der Erwerb oder die Verbesserung eines Wohngebäudes gelten.
Der Vorinstanz ist zuzustimmen, daß eine Verwendung der Bausparmittel zur Beschaffung von Möbeln keine Maßnahme des Wohnungsbaues in diesem Sinne wäre. Als unschädlich kann lediglich eine Verwendung angesehen werden, die das Gebäude als solches betrifft. Dem FG ist ferner darin zuzustimmen, daß die Bestimmung, was (unselbständiger) Teil eines Gebäudes ist, in erster Linie dem bürgerlichen Recht zu entnehmen ist. Der Senat hat dies wiederholt ausgesprochen (z. B. Urteile vom 30. Oktober 1970 VI R 88/68, BFHE 100, 394, BStBl II 1971, 95; vom 1. Dezember 1970 VI R 358/69, BFHE 101, 1, BStBl II 1971 162). Auch der Große Senat des BFH ist in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) von einer grundsätzlichen Übereinstimmung des Einkommensteuerrechts mit dem bürgerlich-rechtlichen Gebäudebegriff ausgegangen. Danach setzt die Annahme eines (unselbständigen) Gebäudeteils voraus, daß es sich um wesentliche Bestandteile des Gebäudes i. S. der §§ 93, 94 BGB handelt.
Dem FG kann indessen nicht gefolgt werden, wenn es auch bei Anlagen und Einrichtungen, die zu wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes geworden sind, zusätzlich fordert, daß die geschaffenen oder verbesserten Einrichtungen und Anlagen den Wohnraum als solchen, d. h. seine Bewohnbarkeit betreffen müssen, so daß alle Maßnahmen ausscheiden, die eindeutig nur die Einrichtung und Ausstattung einer Wohnung verbessern. Diese Auffassung bedeutet, daß die steuerliche Auslegung des Gebäudebegriffs von der bürgerlich-rechtlichen Auslegung, die allein auf die wesentliche Bestandteilseigenschaft abstellt, abweichen würde. Ausgehend von der grundsätzlichen Einheit der Rechtsordnung und dem Vorrang des bürgerlichen Rechts bei der Bestimmung bürgerlich-rechtlicher Begriffe kann eine Abweichung der steuerlichen Auslegung, wenn das Steuerrecht einen solchen bürgerlich-rechtlichen Begriff verwendet, grundsätzlich nur dann in Betracht gezogen werden, wenn dies durch ein Steuergesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist oder wenn es sich aus dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes ergibt.
Für die Auslegung der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG sind keine zwingenden Gesichtspunkte erkennbar, die eine Bestimmung des Gebäudebegriffs abweichend vom bürgerlichen Recht rechtfertigen könnten. Der Senat hat nicht über die Auslegung anderer Vorschriften wie z. B. des § 7 EStG (vgl. Beschluß GrS 5/71) oder des § 7 b EStG (vgl. Urteile vom 11. Dezember 1973 VIII R 171/71, VIII R 11/71, VIII R 207/71, VIII R 117/69, BFHE 112, 241, 244, 247 und 249, BStBl II 1974, 474, 476, 477 und 478, sowie vom 2. April 1974 VIII R 96/69, BFHE 112, 251, BStBl II 1974, 479) zu entscheiden. Wesentlich ist, daß der Begriff des Wohnungsbaus in § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG weit gefaßt und seit jeher weit ausgelegt worden ist. So wird die Errichtung jeder Art von Wohngebäuden (z. B. Einfamilienhäuser, Mietwohnhäuser, Eigentumswohnungen) als Wohnungsbau angesehen. Eine Verwendung zum Wohnungsbau ist ferner bei einer Verwendung zur Anschaffung von Bauland angenommen werden (vgl. die zutreffenden Ausführungen in Abschn. 94 Abs. 5 i. V. m. Abschn. 92 Abs. 2 Nr. 2 EStR 1967). Schließlich besteht auch keine Beschränkung auf den eigenen Wohnungsbau; vielmehr genügt eine Beteiligung an der Finanzierung des Baues oder Erwerbs eines Gebäudes durch einen Dritten gegen Überlassung einer Wohnung (vgl. Abschn. 92 Abs. 2 Nr. 1 EStR 1967 mit den Hinweisen auf die Rechtsprechung). Unter diesen Umständen kann eine Auslegung des Gebäudebegriffs, die diesen gegenüber dem bürgerlichen Recht einschränken würde, nicht in Betracht kommen.
Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war hiernach aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Das FG hat es dahingestellt gelassen, ob der Einbauschrank und die anderen damit zusammenhängenden Einrichtungen zu wesentlichen Bestandteilen des Wohngebäudes geworden sind. Diese Entscheidung wird das FG nachzuholen und dabei folgendes zu beachten haben:
Der Senat hat sich im Urteil VI R 358/69 mit den Fragen befaßt, unter welchen Voraussetzungen Einbaumöbel zu wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes werden. Er hat dabei unterschieden, ob die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil aus § 93 BGB (Bestandteile, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird), aus § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB (feste Verbindung) oder aus § 94 Abs. 2 BGB (zur Herstellung des Gebäudes eingefügte Sachen) hergeleitet werden könnte. Eine Anwendung des § 93 BGB käme hiernach bei Einbaumöbeln nicht in Betracht, wenn es sich um jeweils in sich selbständige Möbelstücke handeln würde, die zwar in bestimmte Stellen des Gebäudes eingepaßt sind, aber unabhängig hiervon in anderen Kombinationen und an anderen Stellen wieder aufgestellt werden könnten, ohne daß dabei eines der Teile zerstört oder in seinem Wesen verändert würde. - I. S. des § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB läge etwa eine feste Verbindung nicht schon vor, wenn Wandschränke aufgehängt werden. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auch auf sein Urteil VI R 88/68; dort ist unter Hinweis auch auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte aus der Tatsache, daß eine Waschmaschine auf einem Zementsockel fest verschraubt war, nicht gefolgert worden, daß die Maschine wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden ist. Nach diesen Grundsätzen könnten z. B. auch zusammensetzbare Möbel selbst dann keine wesentlichen Bestandteile des Gebäudes werden, wenn sie etwa durch Eindübeln mit dem Gebäude verbunden würden. - Zu § 94 Abs. 2 BGB hat der Senat im Urteil VI R 358/69 auf die Entscheidung vom 4. Mai 1962 III 348/60 U (BFHE 75, 178, BStBl III 1962, 333) verwiesen. Danach können Einbaumöbel u. a. dann durch Einfügung zur Herstellung des Gebäudes wesentliche Bestandteile des Gebäudes werden, wenn sie durch Einpassen in die für sie bestimmte Stelle mit den sie umschließenden Stücken des Gebäudes (Seitenwände und Rückwände) vereinigt werden. Diese Voraussetzungen hat der Senat in dem von ihm entschiedenen Fall nicht als gegeben angesehen, weil - anders als im Fall III 348/60 U - bei den eingebauten Möbeln nicht die Seiten- und Rückwände durch die Gebäudewände gebildet wurden und die Möbel deshalb nicht mit den sie umschließenden Teilen des Gebäudes vereinigt waren. Wörtlich wird ausgeführt: "Wenn, wie der BFH bereits in dem Urteil III 348/60 U, a. a. O., ausgeführt hat, es auch als unerheblich anzusehen ist, daß die Küchenmöbel insgesamt keine feste Verbindung mit dem Gebäude haben, sondern nur auf dem Fußboden aufstehen, so genügt es für die Annahme, daß die Möbel zur Herstellung des Gebäudes eingefügt sind, jedoch nicht, daß sie nur den Maßen des Raumes angepaßt sind. Würde man dieses Merkmal allein genügen lassen, ohne zusätzlich noch die Vereinigung der Möbel mit den umschließenden Stücken des Gebäudes zu verlangen, so müßten letztlich auch Anbaumöbel oder zusammengebaute Einzelmöbelstücke, wenn sie genau in bestimmte Raumteile passen, als deren wesentliche Bestandteile angesehen werden. Es kann aber nicht als richtig angesehen werden, daß lediglich eine geschickte Möblierung unter optimaler Raumausnutzung schon Möbelstücke zu wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes macht." Im übrigen stimmt der Senat mit der Vorinstanz darin überein, daß bei Möbelstücken, die echte und notwendige Gebäudebestandteile ersetzen (z. B. bei einer Schranktrennwand, die anstelle eines sonst notwendigen Mauerwerks eingefügt wird), die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes regelmäßig schon aus diesem Grunde zu bejahen sein wird. Dieser Gesichtspunkt könnte Bedeutung erlangen im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Klägers, an der Eingangstür werde ein nicht unerheblicher Teil des Mauerwerks durch die Holzkonstruktion des Schrankes ausgefüllt, da die Eingangstür früher ein größeres Format gehabt habe.
Fundstellen
Haufe-Index 72170 |
BStBl II 1977, 152 |
BFHE 1977, 486 |
NJW 1977, 648 |