Leitsatz (amtlich)
Die Vermietung von Videokassetten an Abnehmer zur Benutzung im privaten (nichtöffentlichen) Bereich unter vertraglichem Ausschluß der öffentlichen Vorführung oder anderweitiger gewerblicher Verwendung ist nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b und c UStG 1980 begünstigt.
Normenkette
UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das die Vermietung bespielter Videokassetten zum Gegenstand hat (Videothek). Videothekare erwerben diese Kassetten käuflich, und zwar unter der vertraglichen Auflage des Veräußerers, die Videokassetten nicht anderen Unternehmern zur Weitervermietung zu überlassen, sondern sie nur zur Benutzung im nichtöffentlichen Bereich, insbesondere an Privatpersonen, zu vermieten. Auch werden die Videokassetten an die Videothekare nur vermietet. Die Videokassetten tragen einen Aufkleber, der auf die Beschränkungen in der Verwendung (Abspielung allein im nichtöffentlichen Bereich) hinweisen.
Das Finanzamt (Beklagter) hat für Umsätze dieser Art in den Voranmeldungszeiträumen III/1982, IV/1982 und I/1983 die Umsatzsteuer unter Zugrundelegung des allgemeinen Steuersatzes festgesetzt. Mit der Sprungklage, der das Finanzamt zugestimmt hat, macht die Klägerin geltend, die Vermietung von bespielten Videokassetten unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980, da die auf den Videokassetten befindlichen Filme zur Vorführung im Sinne dieser Vorschrift überlassen würden; diese Beurteilung sei unabhängig von der Person des Abnehmers. Die Klägerin begehrt dementsprechend die Festsetzung der Umsatzsteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen (EFG 1984, 417). Die Begünstigungstatbestände der Buchstaben b und c des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG 1980 setzten gleichermaßen voraus, daß der leistende Unternehmer Nutzungsrechte im Sinne des Urheberrechts zur Wahrnehmung überlasse. Der Klägerin seien aber keine urheberrechtlichen Rechtspositionen überlassen worden, die sie auf andere Personen hätte weiterübertragen können. Insbesondere habe sie kein Vorführungsrecht im Sinne des § 17 UrhG auf ihre Mieter übertragen können, da sie selbst kein Nutzungsrecht der öffentlichen Vorführung erworben habe. Bei der den Mietern erlaubten Vorführung handele es sich nicht um eine Rechtsüberlassung, sondern um die Einräumung der tatsächlichen Möglichkeit, die Videokassette abspielen zu können.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Während der Mietzeit bestehe für den Mieter der Videokassette die Möglichkeit ihrer uneingeschränkten Nutzung; dem Vermieter sei sie für diesen Zeitraum entzogen. Der Mieter sei in der Lage, die Videokassette jederzeit vor einem von ihm ausgewählten Personenkreis abzuspielen. Dies weise aus, daß die Nutzungsmöglichkeiten aufgrund des Mietvertrages die Überlassung eines einfachen Nutzungsrechts im Sinne des Urheberrechtsgesetzes einschlösse. Das Finanzgericht hätte demnach, um zu seinem rechtlichen Ergebnis zu kommen, Tatsachen feststellen müssen, welche die Einräumung eines urheberrechtlichen Nutzungsrechts widerlegten. Die rechtlichen Erwägungen des Finanzgerichts seien nur insoweit zutreffend, als dem Mieter der Videokassette eine Vervielfältigung verboten sei. Weitergehende Einschränkungen träfen den Mieter jedoch nicht. Deswegen seien vom Finanzgericht auch die von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 verwendeten Begriffe verkannt worden. Eine Auswertung des Films im Sinne dieser Vorschrift sei jegliche Betrachtung des Films. Eine Vorführung im Sinne dieser Vorschrift sei die Teilnahme jeglicher anderer Personen am Abspielvorgang. Letztlich sei zu bemerken, daß eine andere als die von ihr vertretene Auslegung der Begünstigungsvorschriften zu einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG führen würde, denn es sei nicht angängig, die Vermietung von Videokassetten an Privatpersonen anders zu behandeln als an Unternehmer.
Das Finanzamt beantragt die Zurückweisung der Revision. Es tritt der Auffassung des Finanzgerichts bei.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 unterliegen dem ermäßigten Steuersatz "die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen". Regelungsgegenstand dieser durch das UStG 1967 in das Umsatzsteuergesetz eingefügten Begünstigung ist nach Auffassung von Schrifttum und Verwaltung die Überlassung von Rechten an Filmen zu deren Auswertung und Vorführung sowie (auf der Umsatzendstufe) die Filmvorführungen in den Filmtheatern (so unter Darstellung und Berufung auf die Entstehungsgeschichte Plückebaum/Malitzky, UStG, 10. Aufl., § 12 Rz. 1039 ff.; ebenso Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, 3. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr. 7b Rdnrn. 2 ff.; Hartmann/Metzenmacher, UStG, 6. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rdnrn. 22 ff.; BMF-Erlaß vom 3. April 1968, Abschn. 1, BStBl I 1968, 557; BMF-Schreiben vom 21. Juli 1980, Abschn. II Nr. 4, BStBl I 1980, 478). Der hierin zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung, daß sich die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG an der vorgegebenen urheberrechtlichen Rechtslage zu orientieren habe, ist zuzustimmen. Hieraus folgt, daß die Vermietung von bespielten Videokassetten durch Videothekare zur Abspielung im nichtöffentlichen (gemeinhin als privat bezeichneten) Bereich keine Überlassung zur Vorführung im Sinne des Urheberrechts und damit auch nicht im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 ist.
1. a) Die kommerzielle Verwertung von Filmen ist durch Sondervorschriften im Urheberrechtsgesetz vom 8. August 1965 (BGBl I 1965, 1273) geregelt. Damit sind die zivilrechtlichen Gestaltungsformen festgelegt. Sie betreffen sowohl die urheberrechtlich geschützten Filmwerke als auch die nichtschöpferischen Bildfolgen (sog. Laufbilder). Bei Filmwerken, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG urheberrechtlich geschützt sind, werden die Verwertungsbefugnisse der Urheber (zu ihnen eingehend v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2. Aufl., Kap. 49) dadurch begrenzt, daß dem Filmhersteller in Abweichung von den §§ 34, 35 UrhG durch §§ 88, 89 UrhG ausschließliche Nutzungsrechte an den Verwertungsrechten der Urheber zugewendet werden (§ 89 Abs. 1 UrhG). Der Filmhersteller wird dadurch in die Lage versetzt, das Filmwerk auf alle bekannten Nutzungsarten zu nutzen. Im Hinblick auf die Nutzungsbefugnisse bezüglich vorbestehender Werke (§ 88 Abs. 1, § 89 Abs. 3 UrhG) und das verwandte Schutzrecht des § 91 UrhG am Lichtbild ergibt sich, daß der Filmhersteller in seiner Person die Verwertungsbefugnisse der Urheber dadurch zusammenfaßt, daß er - ohne selbst in seiner Eigenschaft als Filmhersteller ein originäres Urheberrecht im Sinne der §§ 11 ff. UrhG zu besitzen - die Nutzungsrechte bündelt (ergänzt durch das originär erworbene Schutzrecht nach § 91 UrhG und die Einwilligung ausübender Künstler nach Maßgabe der §§ 75, 92 UrhG; vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 399; Fromm/Nordemann, UrhG, § 89 Anm. 2; v. Gamm, UrhG, § 89 Rdnr. 1; Möhring/Nicolini, UrhG, § 89 Anm. 4). Daneben räumt § 94 UrhG dem Filmhersteller im Hinblick auf die von ihm erbrachte wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Leistung in Gestalt eines fertiggestellten Filmwerks ein originäres Leistungsschutzrecht ein; ihm zufolge steht dem Filmhersteller das ausschließliche Recht zu, den Bild- und Tonträger, auf dem das Filmwerk aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung oder Funksendung zu benutzen. Ihm ist damit das uneingeschränkte Recht zur kommerziellen Verwertung in den vorbezeichneten Nutzungsarten eingeräumt (Ulmer, a. a. O., S. 535; Fromm/Nordemann, a. a. O., § 94 Anm. 1 und 2; Möhring/Nicolini, a. a. O., § 94 Anm. 1; v. Hartlieb, a. a. O., Kap. 61 Abschn. I).
An den nichtschöpferischen Bildfolgen (sog. Laufbildern) im Sinne des § 95 UrhG gewährt das Urheberrechtsgesetz durch die Verweisung in § 94 UrhG die aus dieser Vorschrift folgenden originären Leistungsschutzrechte.
b) Für die Verwertung von Filmwerken und nichtschöpferischen Bildfolgen, d. h. für Filme aller Art, ist somit zivilrechtlich vorgegeben, daß sie sich in Gestalt von Rechtseinräumungen (Überlassung von Nutzungsrechten nach § 31 UrhG) oder durch Rechtsüberlassung (Abtretung von Leistungsschutzrechten) vollzieht; die Überlassung des Werk- oder Vervielfältigungsstücks, d. h. des Filmträgers als dem körperlichen Substrat der aufgezeichneten Bild- und Tonfolge, folgt aus dieser Befugnis (vgl. unten Abschn. 2c). Die Nutzungsrechte, die die kommerzielle Verwertung der Filme gewährleisten, leiten sich inhaltlich aus den Verwertungsrechten der Urheber- bzw. den Leistungsschutzrechten des Filmherstellers ab (vgl. Fromm/Nordemann, a. a. O., § 94 Anm. 2; Möhring/Nicolini, a. a. O., § 88 Anm. 6 und 7, § 94 Anm. 3; v. Gamm, a. a. O., § 88 Rdnrn. 8 bis 10).
Das Vervielfältigungsrecht im Sinne des § 16 UrhG beinhaltet das Recht, vom Filmwerk (in körperlicher Gestalt des Negativfilms) Kopien zu ziehen. Das Verbreitungsrecht im Sinne des § 17 UrhG gibt das Recht, die Filmkopie zum Zwecke der Aufführung an die Aufführungsberechtigten zu geben (v. Hartlieb, a. a. O., Kap. 97). Das Vorführungsrecht ermöglicht diesem, das Filmwerk öffentlich im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG wahrnehmbar zu machen (§ 19 Abs. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 UrhG; vgl. Fromm/Nordemann, a. a. O., § 15 Anm. 5; Ulmer, a. a. O., § 52; Möhring/Nicolini, a. a. O., § 19 Anm. 4 und 15, § 15 Anm. 9).
2. a) Im Zuge der neueren technischen Entwicklung auf dem audiovisuellen Gebiet kommen Filme auch auf einem neuen technischen Medium, nämlich den Videokassetten zur kommerziellen Auswertung. Die Aufzeichnung von Filmen auf einem bisher nicht bekannten Filmträger zwecks Vorführung mit Hilfe eines ebenfalls neuen technischen Geräts (dem Videorecorder) grenzt diese als Videogramme bezeichneten Produkte von den bislang üblichen Vorführfilmen (Kino- und Fernsehfilme) ab. Das urheberrechtliche Schrifttum spricht deswegen dem Filmhersteller eigenständige Nutzungsrechte (sog. Videorechte) zu (vgl. Ulmer, a. a. O., § 115 Abschn. II; v. Hartlieb, a. a. O., Kap. 173 ff.; Fromm/Nordemann, a. a. O., vor § 88 Anm. 4, § 92 Anm. 2). Nach Hartlieb (a. a. O., Kap. 174) überläßt der Filmhersteller (wie beim Filmverwertungsvertrag üblicher Gestaltung) durch Videolizenzvertrag dem Lizenznehmer für bestimmte Zeit das ausschließliche Recht zur Herstellung und Verbreitung von Videokassetten im vereinbarten Lizenzgebiet unter Beistellung des Werkstücks (dem Master-Band). Der Lizenznehmer (Videovertriebshändler) verpflichtet sich im Lizenzvertrag, mit den Videoeinzelhändlern, die sog. Videotheken (auch als Video-Shops bezeichnet) betreiben, Videovertriebsverträge abzuschließen, denen zufolge Videokassetten an den Videothekar (Einzelhändler) verkauft und/oder vermietet werden unter Gestattung des Weiterverkaufs oder der Weitervermietung an Abnehmer zwecks ausschließlich "privater Nutzung" (vgl. v. Hartlieb, a. a. O., Kap. 174 und 176).
b) Diese auf das Ziel "privater" Videokassetten-Benutzung ausgerichteten Vertragsgestaltungen der Videoauswertung erfordern, daß der Filmhersteller auf den Lizenznehmer die Befugnis zur Vervielfältigung und zur Verbreitung der Videokassetten überträgt. Der Lizenznehmer wiederum, der die hergestellten Videokassetten dem Videoeinzelhändler (Videothekar) vermietet oder verkauft, ist gehalten, diesem das (ihm eingeräumte) Nutzungsrecht der Verbreitung im erforderlichen Umfang weiterzugeben. Nicht erforderlich ist jedoch, den Videoeinzelhändler zur Weitergabe von urheberrechtlichen Rechtspositionen an seine Kunden zu befähigen (vgl. nachfolgend unter c) oder andere Nutzungsrechte außer den genannten einzuräumen (vgl. unter d).
c) Mit dem Verkauf oder der Vermietung der ihm (kauf- oder mietweise) überlassenen Vervielfältigungsstücke (Videokassetten) handelt der Videoeinzelhändler (Videothekar) in Ausübung der ihm überlassenen Verbreitungsbefugnis. Sie gibt ihm das Recht, entweder dem Kunden das Eigentum am Vervielfältigungsstück zu verschaffen oder den zeitweiligen Besitz, der diesem die Benutzung der Videokassette im vertraglich abgesteckten Rahmen ermöglicht. Es ist einhellige Auffassung von Schrifttum und Rechtsprechung, daß sich die Eigentums- und Besitzlage am Werk- oder Vervielfältigungsstück unabhängig von der Einräumung der Nutzungsrechte beurteilt. Die Eigentumsübertragung am Werk- oder Vervielfältigungsstück enthält nicht die Einräumung von (auf die urheberrechtliche Werkverwertung bezogenen) Nutzungsrechten (v. Gamm, a. a. O., § 44 Rdnr. 3, mit Nachweis der Rechtsprechung; dem folgend Fromm/Nordemann, a. a. O., vor § 31 Anm. 13, § 44 Anm. 1; Möhring/Nicolini, a. a. O., § 44 Anm. 1; Ulmer, a. a. O., § 2 II 3).
Zwar besteht in umgekehrter Richtung keine entsprechende Auslegungsregel. Es besteht jedoch nach der tatsächlichen Lebenserfahrung und der üblichen Handhabung die im Ergebnis gleichlautende Vermutung, daß die Einräumung von (auf die urheberrechtliche Werkverwertung bezogenen) Nutzungsrechten grundsätzlich keine Eigentumsübertragung des Werkoriginals oder der Vervielfältigungsstücke beinhaltet (v. Gamm, a. a. O., § 44 Rdnr. 4). Jedoch kann der Verwertungsvertrag nach seinem konkreten Verwertungszweck neben der Nutzungsrechtseinräumung die weitere Haupt- oder Nebenverpflichtung zur Lieferung (ggf. Übereignung) eines zur Werkverwertung geeigneten Werkstücks oder von Vervielfältigungsstücken mitenthalten. Im Videosektor geschieht dies durch die Überlassung des Master-Bandes seitens des Filmherstellers an den Lizenznehmer sowie durch Weitergabe der mit Hilfe des Master-Bandes hergestellten Vervielfältigungsstücke (handelsfähige Videokassetten) seitens des Lizenznehmers an den Videoeinzelhändler.
d) Da die Eigentumsübertragung am Werk- oder Vervielfältigungsstück nicht zugleich die Einräumung von werkverwertenden Nutzungsrechten beinhaltet, verlagert sich vorliegend die Frage, ob derartige Nutzungsrechte auch durch den Videoeinzelhändler an seine Kunden weitergegeben werden sollten oder durften, auf die Beurteilung der Vertragslage. Die üblichen Videovertriebsverträge erlauben dem Videoeinzelhändler die gewerbliche Veräußerung oder Vermietung der überlassenen Vervielfältigungsstücke (mit dem Verbot eigener Vervielfältigung) an private Abnehmer (Endverbraucher) zu deren Benutzung nur im privaten (nichtöffentlichen) Bereich. Der Videoeinzelhändler (Videothekar) darf die Videokassetten nicht für öffentliche Vorführungen vergeben oder eine gewerbliche Verwendung (vgl. oben Abschn. 1 b der Entscheidungsgründe) gestatten. Um sicherzustellen, daß diese vertraglichen Verpflichtungen des Videoeinzelhändlers auch Inhalt seiner Vertragsbeziehungen zu den Endverbrauchern werden, sind die Videokassetten mit Aufschriften versehen, die auf diese Beschränkungen hinweisen (v. Hartlieb, a. a. O., Kap. 178 Rdnrn. 4 und 5; OLG Hamm, Urteil vom 12. Mai 1981 4 U 15/81, NJW 1982, 655; OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 21. Februar 1982 6 W 175/81, NJW 1982, 1653). Diese den konkreten Verwertungszweck eingrenzenden Vertragsregelungen widerstreiten der Annahme, der Videoeinzelhändler wolle dem Endverbraucher zur eigenständigen Werkverwertung geeignete urheberrechtliche Positionen einräumen. Diese Beurteilung wird erhärtet durch Gesichtspunkte, die sich aus der Natur der Videoauswertung ergeben. Bei den auf Videokassetten gezogenen Vorführfilmen (Kino- und Fernsehfilme) tritt die Videoauswertung neben die Auswertung durch öffentliche Vorführung in Filmtheatern und im Fernsehen. Die Überlassung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse an die Kunden des Videoeinzelhändlers würde in unübersehbarer Weise die Nutzungsbefugnisse von Filmtheatern und Fernsehanstalten berühren. Insoweit gibt die vertragliche Verwendungsbeschränkung der Videokassetten auf private, d. h. nichtöffentliche Benutzung einen Sinn. Des weiteren handelt es sich bei vielen für die Videoauswertung eigens hergestellten Filmen um Produkte, die nach Sujet und Darstellung zu einer öffentlichen Vorführung zumindest ungeeignet sind (§§ 131, 184 StGB, § 6 Jugendschutzgesetz). Die vertragliche Beschränkung des Endverbrauchers auf ausschließlich private, d. h. nichtöffentliche Benutzung der Videokassetten, soll zumindest vor dem Vorwurf der Verletzung öffentlicher Aufführungsverbote schützen.
Damit ergibt sich für die üblichen Videoverwertungsverträge kein Anhaltspunkt, welcher auf eine gewollte Übertragung von urheberrechtlichen Nutzungsbefugnissen seitens des Videoeinzelhändlers auf seine Kunden schließen ließe. Die vertraglichen Beziehungen beschränken sich auf den Verkauf bzw. die Vermietung der Vervielfältigungsstücke durch den Videothekar (Videoeinzelhändler) (§§ 433, 535 BGB). Welche urheberrechtlichen Folgen eintreten, wenn der Videoeinzelhändler unter Verletzung des Videovertriebsvertrages dem Kunden den Weiterverkauf oder eine anderweitige gewerbliche Verwendung der Videokassetten gestattet, kann unter der im Rechtsstreit maßgeblichen Fragestellung dahinstehen. Das OLG Hamm (Urteil vom 12. Mai 1981, a. a. O.), welches entgegen dem OLG Frankfurt/Main (Beschluß vom 21. Februar 1981, a. a. O.) ein solches Verhalten für urheberrechtlich erlaubt hält, sieht in dieser unerlaubten Verwertung der Vervielfältigungsstücke nämlich keine Ausnutzung von urheberrechtlichen Rechtspositionen, sondern eine urheberrechtsfreie Verwertung wegen vorangegangener Erschöpfung des dem Filmhersteller zustehenden Verbreitungsrechts.
e) Mit vorstehenden Ausführungen erledigt sich auch die geäußerte Rechtsauffassung, der Videoeinzelhändler gewähre seinem Kunden ein Vorführungsrecht, mindestens aber ein davon abspaltbares Recht zur privaten Vorführung. Ergänzend ist darauf zu verweisen, daß die Eigenart des Videokassettengeschäfts gerade darin besteht, dem Interessenten die Möglichkeit zur jederzeitigen und noch dazu privaten Betrachtung der Filme zu ermöglichen. Da das Gewicht allein auf der Abspielung im privaten Bereich liegt, bedarf es naturgemäß der Einräumung von Nutzungsrechten der öffentlichen Vorführung im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG nicht. Die nichtöffentliche Abspielung der Videokassette im privaten Bereich setzt hingegen die Einräumung urheberrechtlicher Rechtspositionen nicht voraus. Der Videokassettenkäufer oder -mieter wird durch den schuldrechtlichen Vertrag (Kauf oder Miete) mit dem Videoeinzelhändler zur Abspielung der Videokassetten im vertraglich abgesteckten Rahmen (d. h. im nichtöffentlichen Bereich) hinreichend legitimiert.
3. a) Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Vorgangs der kauf- oder mietweisen Überlassung von Videokassetten durch Videoeinzelhändler zur privaten, d. h. nichtöffentlichen Verwendung hat von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, daß die erbrachte Leistung nach ihrem maßgeblichen wirtschaftlichen Gehalt zu bestimmen ist (vgl. zuletzt Urteil vom 17. Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678 , UR 1984, 208; eingangs Abschn. I der Entscheidungsgründe). Bei Vorgängen der Rechtseinräumung nach dem Urheberrecht, die mit der Überlassung von Werk- oder Vervielfältigungsstücken verbunden ist (vgl. oben Abschn. 2c der Entscheidungsgründe), hat der erkennende Senat stets die Auffassung vertreten, daß die Rechtseinräumung wesentlich den Charakter der Leistung bestimmt, da sich hierin der eigentliche wirtschaftliche Wert verkörpert, hinter dem der Eigentumswechsel am Werk- oder Vervielfältigungsstück zurücktritt (vgl. zuletzt Urteil vom 19. Februar 1976 V R 92/74, BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 - Filmherstellung in Auftragsproduktion; vgl. ferner Urteil vom 25. November 1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270 ). Gemäß diesem allgemeinen Auslegungsverständnis gibt der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1967/1980 nur dann einen Sinn, wenn er im Sinne der herrschenden Meinung interpretiert wird: Die Vorschrift regelt in erster Linie die Einräumung der nach dem Urheberrecht bestehenden Rechte an Filmen zu deren Auswertung (d. h. Vervielfältigung und Verbreitung) und Vorführung (öffentliche Vorführung und Sendung). In Anbetracht der abschließenden Regelungen im Urheberrechtsgesetz sind die Buchst. b und c des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG insoweit in ihrem Regelungsbereich deckungsgleich. Deswegen bedurfte in zweiter Linie die am Ende der Leistungskette stehende öffentliche Filmvorführung besonderer Erwähnung im Gesetz, da der Vorgang der (öffentlichen) Wiedergabe des Films im Verhältnis zum Teilnehmer an diesem Vorgang urheberrechtlich irrelevant ist. Der an öffentlichen Filmvorführungen teilnehmende Besucher ist gewissermaßen der Konsument von urheberrechtlich relevanten Verwertungsakten anderer Personen. Der Videokassettenkäufer (oder Mieter) vereinigt wirtschaftlich betrachtet in seiner Person die Rollen des Vorführers und des Teilnehmers an der Vorführung und reduziert damit die Benutzung der Videokassette auf einen Abspielvorgang.
b) Unter Hinweis auf die öffentlichen Filmvorführungen ist - wohl wegen gewisser Ähnlichkeit im äußeren Ablauf - gefolgert worden, die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG müsse, wenn sie den Fall des Videokassettenverkaufs (bzw. der Vermietung) nicht direkt erfasse, analog angewendet werden. Wie das Finanzgericht zutreffend erkannt hat, würde dies eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen. Diese ist jedoch nicht gegeben. Die angestrebte steuerliche Gleichbehandlung in der umsatzsteuerlichen Belastung von Vorgängen der Selbstvorführung (Betrachtung gekaufter oder gemieteter Videokassetten) und denen der Fremdvorführung (durch Filmtheater) würde im Gegenteil der mit der Vorschrift angestrebten steuerlichen Begünstigung der Filmtheater entgegenwirken. Denn nach der Wirkungsweise des geltenden Umsatzsteuersystems kommt die steuerliche Begünstigung der Filmwirtschaft im Bereich der Vorführung hauptsächlich bei den Filmtheatern zur Wirkung. Die Ausdehnung der Begünstigung auf das Videokassettengeschäft würde die Wettbewerbsfähigkeit der Filmtheater nicht fördern, sondern eher das Gegenteil bewirken.
c) Die angestrebte steuerliche Gleichstellung läßt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten. Wie der Senat im Urteil vom 6. Oktober 1983 V R 74/78 (BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349 ) ausgeführt hat, werden bei Endstufenumsätzen die Erwägungen des Gesetzgebers, ob diese Umsätze ermäßigt besteuert werden sollen, wesentlich von der wirtschaftlichen Förderungswürdigkeit und der Art bzw. dem Gegenstand der erbrachten Leistung bestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu bereits im Beschluß vom 5. März 1974 1 BvR 712/68 (BVerfGE 36, 321, BStBl II 1974, 267 ) ausgeführt, daß das Umsatzsteuergesetz ein in sich geschlossenes System der Begünstigung des Kulturschaffens oder der (Massen-)Kommunikationsmittel nicht enthalte. Bei dieser Sachlage kann nur gefragt werden, ob die unterschiedliche Besteuerung des Videokassettengeschäfts (Verkauf oder Vermietung zur privaten Vorführung) und der öffentlichen Filmvorführung (vorzugsweise durch Filmtheater) eine Ungleichbehandlung gleichartiger Vorgänge darstellt, welche so bedeutsam ist, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise mißbilligt werden muß.
Das ist zu verneinen. Es fehlt schon an der Gleichartigkeit der Vorgänge. Der erkennende Senat hält es nicht für angängig, den tatsächlichen Lebensvorgang auf das Abspielen eines Films zu reduzieren und allein hieran einen Vergleich vorzunehmen. Wesentlich sind vielmehr die Lebensumstände und die sonstigen Bedingungen, unter denen die (öffentliche oder private) Filmaufführung vonstatten geht. Die öffentliche Filmvorführung durch Filmtheater findet nur zu festbestimmten Zeiten statt und verlangt den Zugang des Besuchers. Dagegen kann das Abspielen der Videokassetten im nichtöffentlichen Bereich jederzeit erfolgen. Auch kann sich der Betrachter den Film mehrere Male ansehen oder auch die Betrachtung auf Teile desselben beschränken. Er ist auch nicht gezwungen, seine Wohnung zu verlassen und Kosten für den Zugang aufzuwenden. Bei käuflich erworbenen Videokassetten unterliegt zudem die Betrachtung der Videokassetten keinen zeitlichen Beschränkungen. Diesen eindeutigen Vorteilen einer Filmbetrachtung im Wege einer Videokassette steht gegenüber, daß - zumindest derzeit - nicht alle Filme, welche in Filmtheatern betrachtet werden können, auch als Videokassette zu beziehen sind. Aber auch hierin zeigt sich die Unvergleichbarkeit der Filmbetrachtung über Videokassette und im Wege öffentlicher Filmvorführung.
d) Die Klägerin (eine Videoeinzelhändlerin) hat Videokassetten von Videovertriebshändlern unter rechtlichen Bedingungen erworben, die inhaltlich den oben in Abschn. 2a und c dargestellten Videovertriebsverträgen entsprechen. Sie hat unter Einhaltung ihrer Vertragspflichten (im wesentlichen) die erworbenen Videokassetten zum ausschließlich privaten Gebrauch (Abspielen im nichtöffentlichen Bereich) vermietet. Wie oben in Abschn. 2c dargelegt, liegt nach dem wirtschaftlichen Gehalt dieses Vorgangs eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung von Sachen vor, auf die die gesetzlichen Regelungen über Miete Anwendung finden. Eine Überlassung von Nutzungsrechten im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist damit nicht gegeben (vgl. vorstehenden Unterabsatz a). Da die Vorschriften des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b und c UStG nur Leistungen begünstigen, welche die nach dem Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Rechtseinräumungen zum Inhalt haben, erfassen sie die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin nicht. Diese Beurteilung erfaßt auch diejenigen Vermietungen von Videokassetten, die die Klägerin nach ihrem Vorbringen vor dem Finanzgericht "an Unternehmer" vermietet haben will. Wenn sie damit zum Ausdruck bringen wollte, sie habe eine gewerbliche Weitervermietung der Videokassetten ermöglicht oder gar ermöglichen wollen, führt dieses vertragswidrige Verhalten nicht zur Gewährung einer umsatzsteuerrechtlichen Begünstigung. Die Klägerin kann keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte übertragen, die sie selbst nicht hat (vgl. oben Abschn. 2c, am Ende). Deshalb würde sich auch beim Verkauf bespielter Videokassetten keine andere rechtliche Beurteilung einstellen.
Fundstellen
BStBl II 1985, 271 |
BFHE 1985, 319 |