Leitsatz (amtlich)
Gehört zum Nachlaß ein Grundstück, das der Erblasser vor seinem Tode verkauft hat, ohne daß es erbschaftsteuerrechtlich bereits dem Käufer zuzurechnen ist, so ist die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks mit dem Einheitswert des Grundstücks zu bewerten.
Normenkette
ErbStG 1959 § 23 Abs. 1-2, § 24 Abs. 1; BewG 1934 § 10 Abs. 1, § 18 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger ist Alleinerbe der am 13. November 1962 verstorbenen Witwe X (Erblasserin). Im Zeitpunkt ihres Todes war die Erblasserin Eigentümerin eines Ruinengrundstücks mit einem Einheitswert von 6 000 1) DM. Noch zu ihren Lebzeiten hatte sie das Grundstück geteilt an zwei Erwerber verkauft und Auflassungsvormerkungen zu deren Gunsten eintragen lassen. Nach den Angaben in den Kaufverträgen waren die Nutzungen und Lasten der Teilgrundstücke am 1. Juli bzw. am 1. August 1962 auf die Erwerber übergegangen. Die Kaufpreise wurden am 24. Oktober 1962 bzw. am 19. November 1962 zu Händen des beurkundenden Notars gezahlt. Die Auflassungserklärungen wurden erst nach dem Tode der Erblasserin abgegeben.
Bei der Erbschaftsteuerfestsetzung wurde streitig, ob das geteilt verkaufte Grundstück noch als Teil des Nachlasses anzusetzen sei. Das beklagte FA rechnete das verkaufte Grundstück nicht mehr zum Nachlaß. Es setzte vielmehr den zu Händen des beurkundenden Notars gezahlten Kaufpreis und den noch offenen Kaufpreisanspruch in Höhe von insgesamt 90 000 1) DM als Teil des Vermögensanfalles an.
Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, daß die verkauften Teilgrundstücke mit ihrem Einheitswert zum Vermögensanfall zu rechnen und die aus den Kaufverträgen herrührenden Forderungen und Verpflichtungen nicht anzusetzen seien, da sie sich gegenseitig ausglichen.
Einspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Das FG hat die Auffassung vertreten, daß das Grundstück im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin bereits den Käufern aufgrund des § 11 StAnpG steuerlich zuzurechnen gewesen sei. Das FA habe deshalb zu Recht den zu Händen des Notars gezahlten Kaufpreis und die noch ausstehende Kaufpreisforderung zum Vermögensanfall gerechnet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Darauf, ob die materielle Revisionsrüge des Klägers zutrifft, die beiden verkauften Teilgrundstücke seien zu Unrecht nicht zum Vermögensanfall des Klägers gerechnet worden, kommt es im Ergebnis nicht an. Die Revision ist auch dann unbegründet, wenn der erkennende Senat dem Kläger in seiner Rechtsauffassung über die Zurechnung der verkauften Teilgrundstücke folgen sollte.
Gehörten die Teilgrundstücke gemäß dem bürgerlichen Recht oder wegen Nichteingreifens des § 11 StAnpG zum Vermögensanfall im Sinne des § 24 Abs. 1 ErbStG 1959, so wären sie mit dem Einheitswert zu bewerten (vgl. § 23 Abs. 2 ErbStG 1959). Ihrem Ansatz ständen jedoch die Verpflichtungen zur Übereignung der Teilgrundstükke auf die Käufer gegenüber, die ebenfalls mit dem Einheitswert zu bewerten wären. Teil des Vermögensanfalls sind darüber hinaus der Anspruch gegen den Notar auf Auskehrung des zu seinen Händen gezahlten Kaufpreises und die noch offene Kaufpreisforderung, die mit den Nennwerten anzusetzen sind (§ 14 Abs. 1 BewG 1934). Grundstücksansatz und Abzug der Übereignungsverpflichtung würden sich gegenseitig aufheben. Der Wert des gesamten Vermögensanfalls an den Kläger würde deshalb von dem vom FA angesetzten Betrag nicht abweichen.
Der für die Einheitsbewertung und die Vermögensteuer zuständige III. Senat des BFH hat allerdings in seiner bisherigen Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, daß ein Sachleistungsanspruch - und damit auch eine Sachleistungsverpflichtung - mit dem gemeinen Wert zu bewerten seien (vgl. zur Bewertung von Sachleistungsansprüchen die Urteile vom 24. August 1962 III 288/60 U, BFHE 75, 715, BStBl III 1962, 526, und vom 22. November 1968 III 49/68, BFHE 94, 498, BStBl II 1969, 226). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, wenn für die Bewertung des Gegenstandes, auf den sich der Sachleistungsanspruch (die Sachleistungsverpflichtung) bezieht, ein anderer Wert vorgeschrieben ist, wie dies für Grundstücke der Fall ist. Diese sind mit dem Einheitswert zu bewerten (§ 23 Abs. 2 ErbStG 1959). Diese Aussage des Gesetzes über die Bewertung der Grundstücke erstreckt sich nach ihrem Sinn und Zweck auch auf Ansprüche und Verpflichtungen zur Übereignung eines bestimmten Grundstückes. Wenn § 23 Abs. 2 ErbStG 1959 die Bewertung der Grundstücke mit ihren Einheitswerten vorgeschrieben hatte, so sollten damit die regelmäßig bereits vorliegenden Einheitswerte der Erbschaftsteuerfestsetzung nutzbar gemacht werden. Die zum Nachlaß gehörenden Grundstücke brauchten nicht mehr besonders bewertet zu werden.
Die Überlegungen, die den Gesetzgeber bewogen haben, für die Bewertung bestimmter Gegenstände den Ansatz der Einheitswerte vorzuschreiben, die im Einzelfall vom gemeinen Wert abweichen können, treffen grundsätzlich auch auf die Ansprüche und Verpflichtungen zu, die sich auf diese Gegenstände beziehen. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, der dafür spräche, daß etwa die Verpflichtung zur Übereignung eines bestimmten Grundstückes anders bewertet werden sollte als dieses Grundstück selbst. Andernfalls müßte z. B. eine Verpflichtung aufgrund eines Vermächtnisses oder eines Schenkungsversprechens gegebenenfalls anders bewertet werden als der Gegenstand selbst, auf den sich die Verpflichtung bezieht.
§ 10 Abs. 1 BewG 1934 (= § 9 Abs. 1 BewG 1965/1974) steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der gemeine Wert kommt hiernach nur dann zum Ansatz, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Ob dies der Fall ist, muß danach zunächst geprüft werden. Diese Überprüfung hat ergeben, daß Sachleistungsansprüche und Sachleistungsverpflichtungen grundsätzlich nicht anders zu bewerten sind als die Gegenstände, auf die sich Ansprüche und Verpflichtungen beziehen.
Die Tatsache, daß die Übereignungsverpflichtung und der Kaufpreisanspruch in einem inneren Zusammenhang stehen und in ihrem Bestand in vielfacher Hinsicht voneinander abhängig sind, ändert nichts daran, daß die einzelnen Ansprüche selbständige Ansprüche bleiben, die selbständiger Bewertung zugänglich sind.
Der im Bilanzsteuerrecht angewendete Satz, daß sich die einander gegenüberstehenden Verpflichtungen bei einem beiderseits noch nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag in aller Regel ausgleichen und der Vertrag deshalb nicht zu bilanzieren ist, kann im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung finden, weil es hier um Bewertungen außerhalb des Betriebsvermögens geht. Ob der angesprochene Satz bei der Bewertung des Betriebsvermögens Anwendung findet, kann deshalb unerörtert bleiben. Offenbleiben kann auch, ob sich Besonderheiten dann ergeben, wenn im Einzelfall der Gegenstand, auf den sich die Sachleistungsverpflichtung bezieht, noch nicht zum Vermögen des Verpflichteten gehört.
Aus alledem folgt, daß die mit Abschluß eines Grundstückskaufvertrages entstehenden Forderungen und Verpflichtungen unterschiedlich zu bewerten sind, der Kaufpreisanspruch nach § 12 BewG 1965/1974 (= § 14 BewG 1934), die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks mit dem Einheitswert des zu übereignenden Grundstücks. Wird die Übereignungsverpflichtung erfüllt, so ändert sich im bewertungsmäßigen Ergebnis nichts. Es entfallen der Ansatz des Grundstückes und der Übereignungsverpflichtung, die beide mit dem Einheitswert anzusetzen waren.
Die Diskrepanzen, die sich daraus ergeben, daß der Kaufpreisanspruch häufig erheblich höher ist als der für die Sachleistungsverpflichtung anzusetzende Einheitswert des Grundstücks, sind aufgrund des Beschlusses des BVerFG vom 10. Februar 1976 1 BvL 8/73 (BStBl II 1976, 311) und der daraus abzuleitenden rechtlichen Folgerungen hinzunehmen. Sie berechtigen die Gerichte nicht, von den Vorschriften des Bewertungsgesetzes abzuweichen.
Soweit der erkennende Senat von der bisherigen Rechtsprechung des III. Senats abgewichen ist, hat der III. Senat dieser Abweichung zugestimmt.
1) Die Zahlen sind verändert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 72340 |
BStBl II 1977, 556 |
BFHE 1978, 152 |