Leitsatz (amtlich)
Die Beteiligung eines Berufsverbands an einer Kapitalgesellschaft stellt einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dann nicht dar, wenn der Verband tatsächlich keinen entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft nimmt und somit durch sie nicht selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 8; KStDV § 13
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ein Berufsverband im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG mit dem satzungsmäßig bestimmten Zweck, die Interessen seiner Mitglieder in zwei Bundesländern zu sichern und zu fördern und die Tätigkeit eines überregionalen Vereins zu unterstützen. Er ist neben anderen Landesverbänden zu 10 v. H. am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Gegenstand der GmbH sind insbesondere die Errichtung und der Ausbau von bestimmten Einrichtungen, die Durchführung und Förderung kultureller und sozialer Zwecke, die Aus- und Fortbildung sowie die Herausgabe eines Fachorgans und von Fachliteratur für das Gebiet der BRD und Berlin (West). Die GmbH arbeitet eng mit anderen Vereinen und Verbänden der Branche in der BRD und Berlin (West) zusammen. Aus seiner Beteiligung an dieser GmbH flossen dem Steuerpflichtigen im Streitjahr (1965) Erträge in Höhe von 22 000 DM zu, von denen 5 500 DM Kapitalertragsteuer einbehalten wurden.
Der Revisionskläger (das FA) sah in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der GmbH einen dem Verbandszweck dienenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und zog den Steuerpflichtigen im Bescheid vom 5. April 1968 mit den genannten Erträgen zur Körperschaftsteuer heran. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Dagegen gab das FG der zu ihm erhobenen Klage des Steuerpflichtigen statt. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der FG 1970 S. 517 veröffentlicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt das FA vor:
Nach Abschn. 17 Abs. 3 KStR 1964 sei die Beteiligung eines Berufsverbandes an einer Kapitalgesellschaft zwar grundsätzlich Vermögensverwaltung; sie stelle jedoch dann einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wenn mit der Beteiligung ein entscheidender Einfluß auf die laufende Geschäftsführung des Unternehmens ausgeübt werde. In Ergänzung dieser Anweisung sei durch besonderen Erlaß angeordnet worden, daß die Grundsätze des Urteils des BFH I 228/56 S vom 21. Mai 1957 (BFH 65, 47, BStBl III 1957, 251) auch auf Beteiligungen von Berufsverbänden an Kapitalgesellschaften anzuwenden seien. Während es danach für die Beurteilung von Bedeutung sei, ob die Berufsverbände ihren Willen gegenüber der Kapitalgesellschaft einheitlich zum Ausdruck bringen können, stelle das FG darauf ab, ob ein Berufsverband als Gesellschafter tatsächlich maßgebenden Einfluß auf die Geschäftsführung der GmbH ausübe. Genau wie bei den Genossenschaften beruhe indes auch hier die Zurechnung der Tätigkeit der GmbH als Tätigkeit des Berufsverbandes auf der Erwägung, daß sich die wegen der gleichartigen Interessen in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Gesellschafter dadurch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligten, daß sie das von ihnen beherrschte Unternehmen ihren Zwecken dienstbar machten.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung läßt er ausführen:
Entgegen der Auffassung des FA bedeute die Anwendung der BFH-Urteile I 228/56 S (a. a. O.) und I 43/57 U vom 8. Oktober 1957 (BFH 66, 244, BStBl III 1958, 95) auf die Beteiligung von Berufsverbänden an Kapitalgesellschaften eine rechtsirrtümliche Auslegung sowohl der §§ 23 KStG, 31 KStDV 1955 und 33 KStDV 1953 einerseits wie der §§ 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG und 14 KStDV andererseits. Dies ergebe sich aus der Tatsache, daß landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften wirtschaftliche Unternehmungen, d. h. Erwerbsgesellschaften seien, die selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnähmen und nur dann steuerbefreit seien, wenn sich ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich im Bereich der Landwirtschaft vollziehe. Berufsverbände dagegen seien entsprechend ihrer Aufgabenstellung und Tätigkeit keine wirtschaftlichen Unternehmungen und deshalb nur insoweit steuerpflichtig, als sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhielten, der dem Verbandszweck diene und über den Rahmen einer reinen Vermögensverwaltung hinausgehe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie der erkennende Senat in den Urteilen I 228/56 S (a. a. O.) und I 43/57 U (a. a. O.) ausgesprochen hat, führt die Beteiligung einer nach § 23 KStG, § 31 KStDV unter den dort genannten Voraussetzungen steuerbefreiten Genossenschaft an einer Kapitalgesellschaft zur Steuerpflicht der Genossenschaft, "wenn die Beteiligung im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft und im gesellschaftlichen und vertraglichen Zusammenschluß der Erzeuger, der Genossen und der Kapitalgesellschaft eine ins Gewicht fallende Bedeutung hat". Daß in diesem Falle die steuerpflichtige Tätigkeit der Kapitalgesellschaft den an ihr beteiligten Genossenschaften zugerechnet wird, "beruht auf der Erwägung, daß sich die wegen der gleichartigen Beteiligungen und der gleichgerichteten Interessen in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Genossenschaften dadurch, daß sie das von ihnen beherrschte Unternehmen ihren Zwecken dienstbar machen können, am allgemeinen Wirtschaftsverkehr in einer Form beteiligen, die mit dem Sinn und Zweck des § 31 KStDV nicht vereinbar ist" (BFH-Urteil I 43/57 U, a. a. O.).
Diese die Rechtsform der Kapitalgesellschaft in Ansehung des Gesetzes zu Recht außer acht lassenden Erwägungen (siehe zur Frage des Durchgriffs und seiner ausnahmsweisen Zulässigkeit das Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962, BStBl I 1962, 500) können auf die Beteiligung von Berufsverbänden an einer Kapitalgesellschaft nicht übertragen werden. Es ist nicht dasselbe, ob eine Genossenschaft der genannten Art ihre Steuerfreiheit verliert, weil sie den Bereich der Land- und Forstwirtschaft verläßt und damit jene Grenzen überschreitet, deren Einhaltung die Voraussetzung ihrer Steuerfreiheit ist, oder ob ein Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und dadurch - je nach dessen Zweckrichtung - "insoweit" oder in vollem Umfang steuerpflichtig wird. In diesem (letztgenannten) Falle kommt es für die Frage nach der Steuerpflicht allein darauf an, ob die Beteiligung als Vermögensverwaltung oder als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen ist. Ob dem FG darin zuzustimmen ist, daß selbst die kapitalmäßige Beherrschung einer Kapitalgesellschaft allein die Beteiligung an ihr noch nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb macht, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Ein Durchgriff durch die Rechtsform der Kapitalgesellschaft ist in Ansehung des Gesetzes jedenfalls erst dann zulässig, wenn der Berufsverband - allein oder im Zusammenwirken mit anderen Berufsverbänden, die gleich ihm Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind - tatsächlich entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nimmt und damit durch sie unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt (§ 14 Abs. 1 KStDV).
Im Streitfall geht nach den Feststellungen des FG die Einflußnahme des Steuerpflichtigen auf die GmbH nicht über den Rahmen hinaus, innerhalb dessen jeder Gesellschafter die ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte und Pflichten als Gesellschafter ausübt. Wenn das FA demgegenüber aus der Art der Beteiligung und der Art der Tätigkeit der GmbH meint schließen zu müssen, daß die Beteiligung nicht zum Zwecke einer steuerlich unschädlichen Kapitalanlage (Vermögensverwaltung), sondern deshalb gehalten werde, um dem Berufsstand dienende Maßnahmen zweckmäßigerweise durch eine gemeinsam errichtete Kapitalgesellschaft wahrnehmen zu können, so übersieht es, daß die Beteiligung noch nicht deshalb zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wird, weil der Gesellschaftszweck der GmbH den satzungsmäßigen Zwecken ihrer Gesellschafter, der Berufsverbände, gleichgerichtet ist. Erst ein aktives Eingreifen in die Geschäftsführung der GmbH würde die Beteiligung als einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausweisen.
Daß die einen solchen Eingriff verneinenden tatsächlichen Feststellungen des FG unrichtig oder unrichtig zustande gekommen seien, hat das FA nicht dargetan.
Fundstellen
BStBl II 1971, 753 |
BFHE 1972, 56 |