Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlegungsbeschluß vom 07.03.1989 - IX R 300/87
Leitsatz (amtlich)
Dem Großen Senat wird gemäß § 11 Abs.3 und 4 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Liegt bei einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vor, wenn der Vermögensempfänger im Zusammenhang mit der Übertragung eines der Einkünfteerzielung dienenden Zweifamilienhauses sog. Gleichstellungsgelder an seine Geschwister zahlen muß, mit der Folge, daß er insoweit eigene Anschaffungskosten hat, von denen er AfA (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.4 und § 7b EStG) vornehmen kann?
Orientierungssatz
1. Eine Abweichung i.S. von § 11 Abs. 3 FGO liegt auch dann vor, wenn zwar eine Änderung in der Geschäftsverteilung eingetreten ist, der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, aber trotz des Wechsels in der Zuständigkeit jederzeit in die Lage kommen kann, über die Rechtsfrage erneut entscheiden zu müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 28.11.1988 GrS 1/87).
2. Die Vorlage an den Großen Senat nach § 11 Abs. 3 FGO wird durch das Unterlassen der Anfrage gemäß § 2 Abs. 2 GO-BFH nicht unzulässig. Die Stellungnahme der beteiligten Senate kann der Große Senat selbst einholen. Denn ihm obliegt in eigener Zuständigkeit die Prüfung und Entscheidung, in welcher Besetzung er der gesetzliche Richter ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 11 Abs. 3-4; EStG § 21; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4, § 7b; EStDV § 11d; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7
Nachgehend
Tatbestand
I. Sachverhalt
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1979 bis 1983 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 14.November 1979 übertrug die Mutter des Klägers diesem "im Wege vorzeitiger Erbteilung" umfangreichen Grundbesitz, u.a. auch ein Grundstück mit einem darauf errichteten Zweifamilienhaus. Der "Übernahmepreis" betrug 450 000 DM. Die Mutter des Klägers verzichtete auf die Herauszahlung dieses Betrags zugunsten ihrer Kinder (des Klägers und seiner vier Geschwister) unter Anrechnung auf deren zukünftige Erb- und Pflichtteile am elterlichen Nachlaß. Der Kläger verpflichtete sich, unter Berücksichtigung seines eigenen Anteils von 90 000 DM für die Übertragung des Grundvermögens insgesamt 360 000 DM an seine vier Geschwister zu zahlen. Er erzielte aus dem Zweifamilienhaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluß an eine Außenprüfung die Meinung, daß der Kläger den Grundbesitz unentgeltlich erhalten habe. Das FA gewährte ihm lediglich gemäß § 11d Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die der Rechtsvorgängerin zustehenden Absetzungen für Abnutzung (AfA).
Mit ihrer nach im Streitpunkt erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Berücksichtigung von erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes 1979 bzw. 1981 (EStG) --1979 2/12 = 1 667 DM, 1980 bis 1983 jeweils 10 000 DM-- sowie AfA gemäß § 7 Abs.4 EStG --1979 2/12 = 341 DM, 1980 bis 1983 jeweils 2 048 DM-- als Werbungskosten, da es sich in Höhe der an die Geschwister gezahlten Beträge um einen entgeltlichen Grundstückserwerb gehandelt habe. Auf das Gebäude entfalle ein Betrag von 302 400 DM.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Übertragung des Grundvermögens sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.November 1985 IX R 64/82 (BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161) als Schenkung unter Auflage zu werten. Da es sich im Streitfall um eine Übertragung im Wege der vorzeitigen Erbteilung handele, komme der von den Klägern aufgeworfene Gesichtspunkt eines Kaufvertrages zu einem durch das Verwandtschaftsverhältnis bedingten niedrigeren Kaufpreis, der offensichtlich den BFH-Urteilen vom 17.Juli 1980 IV R 15/76 (BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11); vom 18.März 1980 VIII R 148/78 (BFHE 133, 159, BStBl II 1981, 794) und vom 10.Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811) zugrunde gelegen habe, nicht in Betracht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung der §§ 7 und 7b EStG.
Das FG habe zu Unrecht mit dem Hinweis auf eine Schenkung unter Auflage das Vorliegen von eigenen Anschaffungskosten verneint und einen unentgeltlichen Erwerb angenommen. Die Abgrenzung eines entgeltlichen von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft werde im Zivilrecht von den dort gegebenen Besonderheiten bestimmt. Sie könne deshalb nicht auf das Steuerrecht übertragen werden. Für dieses sei allein entscheidend, ob der Steuerpflichtige Leistungen zur Einkunftserzielung erbringe. Das sei im Streitfall geschehen. Deshalb handele es sich bei den Zahlungen des Klägers an seine Geschwister um eigene Aufwendungen, die zu Anschaffungskosten führten.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Berücksichtigung von erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG sowie AfA gemäß § 7 Abs.4 EStG in Höhe von 2 008 DM für 1979 und von jeweils 12 048 DM für 1980 bis 1983 herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Stellungnahme des Senats zu der vorgelegten Rechtsfrage
1. Bisherige Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von vorweggenommenen Erbfolgeregelungen
Der Reichsfinanzhof (RFH) sah Vermögensübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolgeregelung mit dem Empfänger auferlegten Leistungspflichten, die der Versorgung des Übertragenden und dessen Familie dienten, als unentgeltlichen Vorgang an. Dagegen bejahte er einen teilweise entgeltlichen Erwerb, wenn der Vermögensempfänger Abfindungen (z.B. an die Geschwister) zahlen mußte (Urteil vom 8.November 1933 VI A 1488/31, RStBl 1934, 295).
Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er vertritt vielmehr die Auffassung, daß auch bei Leistung von Abfindungen an Dritte (Gleichstellungsgeldern) die Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein unentgeltliches Rechtsgeschäft sei. Nach bürgerlichem Recht, an das anzuknüpfen sei, handele es sich um eine Schenkung unter Auflage. Ein teilweise entgeltliches Rechtsgeschäft (gemischte Schenkung) liege nicht vor, weil Vermögensübertragungen dieser Art keinen gegenseitigen Austausch von Leistungen zwischen dem Übergeber und dem Übernehmer zum Inhalt hätten. Die Leistung des Übernehmers hänge einseitig von der des Übergebers ab und werde aus dem zugewendeten Vermögen erbracht (Urteil vom 21.August 1962 I 82/60 U, BFHE 76, 482, BStBl III 1963, 178). Dabei ist es nach Auffassung des BFH unerheblich, ob die Leistungspflicht des Übernehmers die Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Dritte (z.B. an Geschwister) und (oder) die Übernahme von Schulden und (oder) die Zahlung eines Betrages an den Übertragenden beinhaltet (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 23.August 1963 VI 81/62 U, BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484; vom 20.September 1963 VI 107/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1964, 43; vom 12.August 1965 IV 175/62 U, BFHE 83, 242, BStBl III 1965, 588, und vom 6.Februar 1979 VIII R 62/76, BFHE 127, 43).
Der vorlegende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (z.B. Urteil in BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161, und Urteil vom 31.März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645). Er hat in seinem Urteil in BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161 ausgeführt, daß für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung an die bürgerlich-rechtliche Einordnung des Übergabevertrages als Schenkung unter Auflage oder gemischte Schenkung anzuknüpfen sei. Sei dieser bürgerlich-rechtlich als Schenkung unter Auflage zu werten, so handele es sich auch einkommensteuerrechtlich um einen insgesamt unentgeltlichen Erwerb. Demzufolge seien die AfA gemäß § 11d Abs.1 EStDV nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers zu bemessen. Der vorlegende Senat folgte dabei derjenigen im Zivilrecht vertretenen Meinung, die Vermögensübergabeverträge als Schenkung unter Auflage wertet, wenn dem Übernehmenden Leistungspflichten auferlegt werden. Er hat sich von dem Gedanken leiten lassen, daß die Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolgeregelung von der Absicht des Übergebenden geprägt sei, schon zu Lebzeiten im Vorgriff auf einen späteren erbrechtlichen Vermögensübergang vorhandenes Vermögen zu verteilen und dem Empfänger etwas unentgeltlich zuzuwenden; soweit von diesem Leistungspflichten übernommen würden, komme seine Stellung der eines mit Erbfallschulden (Pflichtteil, Vermächtnis, usw.) belasteten Erben gleich. Mangels Vergleichbarkeit der rechtlichen Ausgangslage hat der Senat es abgelehnt, die von ihm im Urteil vom 9.Juli 1985 IX R 49/83 (BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722) zur Erbauseinandersetzung über Privatvermögen entwickelten Grundsätze anzuwenden.
2. Auffassung der FG und der Literatur zur bisherigen Rechtsprechung des BFH zu dieser Rechtsfrage
Die nach der Rechtsprechung des BFH bestehende Leitfunktion des Zivilrechts für das Einkommensteuerrecht bei der Einordnung der Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung wird von den FG und in der Literatur nicht einheitlich beurteilt.
a) Dem BFH folgen im wesentlichen das FG Münster im Urteil vom 29.September 1978 VII 4990/77 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1979, 72), das Niedersächsische FG im Urteil vom 15.Oktober 1982 VI 356/81 (EFG 1983, 406), das FG Baden-Württemberg im Urteil vom 11.November 1982 I 415/80 (EFG 1983, 407), das Hessische FG im Urteil vom 21.November 1983 II 94/82 (EFG 1984, 275), das Schleswig-Holsteinische FG im Urteil vom 28.Februar 1984 IV 204/79 (V) (EFG 1984, 493) und im Ergebnis auch das FG Düsseldorf im Urteil vom 18.Dezember 1986 XV 154/82 E (EFG 1987, 295).
In der Literatur haben u.a. Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 6 EStG Anm.419 f.), Blümich/Wittig (§ 6 EStG Rz.454), Stephan u.a. in Der Betrieb --DB-- 1985, 2593, 2594, Schulze zur Wiesche (Betriebs-Berater --BB-- 1986, 1134 f.), Groh (DStJG 10, 135, 157), Wendt u.a. in Die Information über Steuer und Wirtschaft, 1988, 7, 12 f. die Rechtsprechung des BFH gebilligt. Eine differenzierende Auffassung vertreten Wassermeyer (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1986, 771, 77) und Herzig u.a. in Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1987/88, 231, 257 f.
b) Gegen die bisherige Rechtsprechung des BFH werden von den FG und in der Literatur im wesentlichen folgende Einwendungen erhoben
Das Merkmal der Unentgeltlichkeit im Einkommensteuerrecht sei --ohne Rückgriff auf das Zivilrecht-- nach einkommensteuerrechtlichen Gesichtspunkten auszulegen. Wer Anschaffungskosten habe, erwerbe nicht unentgeltlich (z.B. FG des Saarlandes, Urteil vom 29.Oktober 1986 I 255/85, EFG 1987, 64; in diesem Sinne auch FG Münster, Urteil vom 18.Dezember 1987 VI 3507/84 E, EFG 1988, 166; vgl. ferner Schmidt-Liebig, BB 1986, 2244, 2250). Der einkommensteuerrechtliche Begriff der Unentgeltlichkeit unterscheide sich im übrigen von dem zivilrechtlichen dadurch, daß ersterer hauptsächlich auf objektive, der letztere dagegen in erster Linie auf subjektive Merkmale abstelle (Kemmer, Teilentgeltliche Rechtsgeschäfte in der Einkommensteuer 1987, S.124 ff.; Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 4.Aufl., S.842).
Die Unterscheidung zwischen Schenkung unter Auflage und gemischter Schenkung habe zwar im Zivilrecht ihre Berechtigung; für das Einkommensteuerrecht sei sie jedoch ohne Aussagewert. Denn bei der Entscheidung, ob der Steuerpflichtige Anschaffungskosten habe, komme es lediglich darauf an, daß er etwas hingebe, um das Wirtschaftsgut zu erlangen (FG des Saarlandes, Urteil vom 21.September 1984 I 35/83, EFG 1985, 115, und Urteil in EFG 1987, 64; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.Oktober 1986 II 215/82, EFG 1987, 66; FG Köln, Urteil vom 13.Mai 1987 11 K 183/84, EFG 1987, 547; FG Bremen, Urteil vom 13.November 1987 I 143/83 K, EFG 1988, 112; FG Düsseldorf, Urteil vom 4.Februar 1988 11 K 28/82 E, EFG 1988, 351; Schmidt/Drenseck, EStG, 7.Aufl., § 7b Anm.6e; Kemmer, a.a.O., S.118 f. und 133 f.; Biergans, a.a.O., S.842 f.; v. Elsner, BB 1983, 1782 f., 1784; Witteler, DB 1985, 71, 74; Schmidt-Liebig, a.a.O., 2244, 2247, und Knobbe-Keuk, Handelsrecht und Steuerrecht, Festschrift für Dr.Dr.h.c. Döllerer, S.315, 322 f.). Maßstab für das Einkommensteuerrecht sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Diese werde gemindert, gleichgültig, ob er Leistungen aufgrund einer Schenkung unter Auflage oder einer gemischten Schenkung erbringe. Es handele sich dabei um wirtschaftlich identische Sachverhalte (z.B. FG des Saarlandes, Urteil in EFG 1987, 64; FG Köln, Urteil in EFG 1987, 547; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 1988, 351, und Urteil vom 19.Mai 1988 11 K 404/84 E, EFG 1988, 624; sinngemäß auch Schmidt, EStG, 7.Aufl., § 16 Anm.6 b; Biergans, a.a.O., S.844; Schmidt-Liebig, a.a.O., 2247, und Paus, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG 1975, § 10 Abs.1 Nr.1 a, Rechtsspruch 7 unter 6.).
Die Leistung des Vermögensempfängers im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung könne nicht der Erfüllung von Erbfallschulden durch den belasteten Erben gleichgesetzt werden (FG des Saarlandes, Urteil vom 8.März 1985 I 106/83, EFG 1985, 386, und Urteil in EFG 1987, 64; FG Köln, Urteil in EFG 1987, 547; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 1988, 351; Witteler, a.a.O., 77; Schmidt-Liebig, a.a.O., 2247, 2250; kritisch auch Knobbe-Keuk, a.a.O., 324 f.).
3. Auffassung des vorlegenden Senats
Der Senat bejaht die Vorlagefrage. Er ist der Ansicht, daß bei einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft gegeben ist, wenn der Empfänger im Zusammenhang mit der Übertragung zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern verpflichtet wird. Insoweit entstehen ihm einkommensteuerrechtlich Anschaffungskosten für das übertragene Vermögen.
a) Der vorlegende Senat hält an seiner bisherigen vom bürgerlich-rechtlichen Begriff der Auflagenschenkung geprägten Auffassung, daß der Empfänger keine Anschaffungskosten habe, weil er die im Übergabevertrag übernommenen Gleichstellungsgelder aus dem Wert des übertragenen Vermögens erbringe (vgl. Urteil in BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161), nicht mehr fest. Er meint jetzt, daß einkommensteuerrechtlich kein unentgeltlicher Erwerb vorliegt, wenn sich der Empfänger für die Übertragung des Vermögens verpflichtet, Zahlungen zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob diese Verpflichtung bürgerlich-rechtlich als Auflage zu werten ist; denn er erbringt seine Aufwendungen, um das Vermögen übertragen zu erhalten.
Der vorlegende Senat weist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH vom 12.April 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524) hin. In ihm verneint der II.Senat des BFH auch schenkungsteuerrechtlich bei einer Schenkung unter Auflage eine (unentgeltliche) Bereicherung des Bedachten, soweit diesem Aufwendungen auferlegt sind, die ihn zu Leistungen verpflichten.
b) Der Vermögenserwerb durch vorweggenommene Erbfolgeregelung ist einkommensteuerrechtlich dem mit Erbfallschulden --z.B. Erbersatzansprüchen (§ 1934b f. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), Vermächtnissen (§§ 2147 f. BGB) oder Pflichtteilszuweisungen (§§ 2303 f. BGB)-- belasteten Erwerb einer Erbschaft nicht gleichzusetzen. Mit dem Tode des Erblassers geht dessen Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über (§ 1922 BGB). Dessen Verpflichtung zur Erfüllung der auf dem Erbe lastenden Verbindlichkeiten ergibt sich unmittelbar aus dem Erbfall (§ 1967 Abs.2 BGB). Sie stellt damit keine Gegenleistung im Rahmen eines entgeltlichen Erwerbs dar (vgl. BFH-Urteil vom 2.April 1987 IV R 92/85, BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Schmidt, a.a.O., § 16 Anm.5).
Der im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung Vermögen erwerbende Steuerpflichtige hat demgegenüber die Möglichkeit der Entscheidung, ob er zu den im Übergabevertrag enthaltenen Bedingungen Einzelrechtsnachfolger des Übertragenden werden will. Er erwirbt nicht, wie der Erbe, "per Gesetz" von Todes wegen, sondern durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Seine Leistungsverpflichtung entsteht nur, wenn er sie um der Übertragung willen vereinbart.
c) Die Bezeichnung eines Sachverhalts als vorweggenommene Erbfolgeregelung hat --für sich betrachtet-- keine rechtlich erhebliche Aussagekraft. Sie kennzeichnet lediglich das für den Übertragenden entscheidende Motiv, ein Wirtschaftsgut ohne oder verknüpft mit wertmäßig geringeren Leistungsverpflichtungen zu übertragen. Diese Motivation schließt es aber nicht aus, die dem Vermögensempfänger im Übergabevertrag auferlegten Aufwendungen als Teilentgelt anzusehen.
d) Dem Umstand, daß bei einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung die beiderseitigen Leistungen nicht --wie für die Annahme eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts erforderlich (z.B. BFH-Urteil vom 31.Mai 1972 I R 49/69, BFHE 106, 71, BStBl II 1972, 696)-- nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden sind, mißt der vorlegende Senat keine ausschlaggebende Bedeutung bei (a.A. Groh, StuW 1988, 210 f., 216).
Der BFH hat zwar bei der Übertragung von Betriebsvermögen gegen eine Rente (oder sonstige wiederkehrende Leistungen) unter nahen Angehörigen ohne Abwägung von Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten den Grundsatz aufgestellt, daß eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung für den familiären, außerbetrieblichen Charakter der Betriebsübertragung und damit für die außerbetriebliche Natur der im Zusammenhang mit dieser Übertragung zugesagten Leistungen des Vermögensempfängers spreche (z.B. Urteil vom 22.September 1982 IV R 154/79, BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Erwägungen hat er gelegentlich (mehr oder weniger ausdrücklich) auch bei Vermögensübertragungen gegen einmalige Leistungen --allein oder im Zusammenhang mit wiederkehrenden Leistungen-- zugrunde gelegt (vgl. z.B. Urteile vom 23.April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686; vom 24.August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111, und vom 2.Mai 1974 I R 190/72, nicht veröffentlicht --NV--). Daraus ergibt sich jedoch nur, daß der Vorgang wegen der mangelnden Abwägung der Leistungen durch private Motive veranlaßt ist und deshalb nicht der betrieblichen Sphäre zugerechnet werden kann.
Außerdem hat der BFH schon wiederholt Rechtsgeschäfte, bei denen ein Wirtschaftsgut aus persönlichen Gründen gegen ein zu hohes oder ein zu geringes Entgelt übertragen worden ist (z.B. Urteil in BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen), als teilentgeltliche Rechtsgeschäfte beurteilt und anerkannt. Dies gilt auch für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (z.B. Senatsurteil vom 4.Juni 1986 IX R 80/85, BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839, zur Werbungskostenkürzung bei verbilligter Überlassung von Wohnungen; vgl. dazu nunmehr auch § 21 Abs.2 Satz 2 EStG 1987). Dabei hat der BFH weder den Umstand, daß es sich um Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen handelte, noch die Tatsache, daß Leistung und Gegenleistung offensichtlich nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden waren, dahingehend gewürdigt, daß der Vorgang deswegen insgesamt als unentgeltlich anzusehen sei.
e) Die Gleichstellungsgelder erfüllen den steuerrechtlichen Begriff der Anschaffungskosten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind alle Aufwendungen, die erbracht werden, um ein Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht zu überführen, Anschaffungskosten (so z.B. in den Urteilen vom 13.Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101, und vom 24.März 1987 IX R 68/83 und IX R 58/84, BFH/NV, 1987, 708 und 709, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; vgl. nunmehr § 255 Abs.1 des Handelsgesetzbuches), wobei unter Aufwendungen alle Ausgaben in Geld oder Geldeswert zu verstehen sind (weitaus überwiegende Meinung; vgl. BFH-Urteil vom 19.Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 9 EStG Anm.65, und Grube, Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 29, 30). Maßgebend für die Zuordnung zu den Anschaffungskosten ist --da diese final bestimmt sind-- die Zweckrichtung der Aufwendungen auf die Anschaffung des Wirtschaftsguts (z.B. Urteil in BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101). Dies trifft auch auf die Leistung von Gleichstellungsgeldern zu. Denn der Vermögensempfänger zahlt die Gleichstellungsgelder, um die Wirtschaftsgüter des Vermögens übertragen zu erhalten.
f) Der Senat verkennt nicht, daß die Anerkennung von Anschaffungskosten auf seiten des Empfängers des zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung übertragenen Vermögens --insbesondere im betrieblichen Bereich-- zu einer steuerlichen Belastung des Übertragenden führen kann. Denn jedem Anschaffungsvorgang entspricht ein Veräußerungsvorgang. Dem Vorteil von AfA auf eigene Anschaffungskosten des Empfängers steht damit u.U. der Nachteil eines vom Übertragenden zu versteuernden Veräußerungsgewinns gegenüber (vgl. Herzig, a.a.O., S.259; Groh, StuW 1988, 210, 215). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es jedoch nicht, die Aufwendungen des Empfängers, die er aufgrund des Übergabevertrages zu erbringen hat, nicht als Anschaffungskosten zu werten. Wegen der Finalität des Anschaffungskostenbegriffs kommt es grundsätzlich auf die Sicht desjenigen, der die Aufwendungen erbringt, und nicht auf die Folgen für denjenigen an, der das Vermögen überträgt. Im übrigen haben es die Beteiligten in der Hand, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung die Entstehung eines Veräußerungsgewinns beim Übertragenden --damit allerdings auch von Anschaffungskosten beim Empfänger-- zu verhindern.
III. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Die Beantwortung der Vorlagefrage ist für die Entscheidung des IX.Senats erheblich.
Der Erwerber eines bebauten Grundstücks, das er zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, kann gemäß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.4, § 7b EStG AfA bzw. erhöhte Absetzungen von den Anschaffungskosten des Gebäudes als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen. Hat er das Grundstück unentgeltlich erworben, so bemessen sich die AfA bzw. erhöhten Absetzungen gemäß § 11d Abs.1 EStDV nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers.
Bejaht man die Vorlagefrage, so wäre die Revision der Kläger begründet. Der Kläger hätte in Höhe der an seine Geschwister gezahlten Gleichstellungsgelder eigene Anschaffungskosten für das Grundstück. Er müßte insoweit nicht die AfA seiner Rechtsvorgängerin fortführen, sondern könnte von eigenen Anschaffungskosten, soweit sie auf das Gebäude entfielen, im Rahmen des Höchstbetrages erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs.1 EStG (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21.März 1989 IX R 58/86, BFHE 156, 201) und im übrigen AfA nach § 7 Abs.4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen. Die Vorentscheidung wäre aufzuheben. Die Sache wäre an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil die Höhe der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten bisher nicht festgestellt ist.
Verneint man die Vorlagefrage, so hätte das FG die Übertragung des Grundstücks zu Recht als unentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt. Die Revision der Kläger wäre als unbegründet zurückzuweisen.
IV. Rechtsgrundlage der Vorlage
Der vorlegende Senat stützt seine Anrufung des Großen Senats auf § 11 Abs.3 und 4 FGO.
1. Vorlage wegen Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate des BFH
a) Der Senat weicht mit der von ihm vertretenen Auffassung von dem Urteil des VIII.Senats des BFH vom 7.Oktober 1980 VIII R 14/79 (NV) ab. Die Zuständigkeit für Einkommensteuer, soweit es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt, ist zwar 1984 (Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 1984, BStBl II 1984, 43, BFHE 139, VII ff.) auf den vorlegenden Senat übergegangen (Geschäftsverteilungsplan des BFH A IX.Senat Nr.1 Buchst.b). Der Wechsel in der Geschäftsverteilung steht der Annahme einer Abweichung i.S. von § 11 Abs.3 FGO jedoch nicht entgegen, weil der VIII.Senat trotz der geänderten Zuständigkeit jederzeit in die Lage kommen kann, die dem Großen Senat vorgelegte Rechtsfrage erneut entscheiden zu müssen (s. dazu Beschluß des Großen Senats vom 28.November 1988 GrS 1/87, BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164 unter B.I.2. c bb). Denn der VIII.Senat ist nach II.3 der ergänzenden Regelungen zum Geschäftsverteilungsplan des BFH für 1989 (BStBl II 1989, 173 ff.) bei Streitsachen mit mehreren Streitpunkten unter den dort genannten Voraussetzungen auch zur Entscheidung über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berufen.
b) Der vorlegende Senat weicht außerdem von dem Urteil des I.Senats vom 2.Mai 1974 I R 190/72 (NV) ab.
c) Er verneint eine Abweichung von dem Urteil des IV.Senats des BFH vom 5.November 1981 IV R 5/79 (NV). Dieser hat zwar die Übertragung eines bebauten Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit der dem Empfänger u.a. auferlegten Pflicht zur Abfindung der Geschwister als Schenkung unter Auflage bezeichnet. Diese Rechtsauffassung war für die Entscheidung jedoch nicht tragend (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung mit Nebengesetzen, 2.Aufl., § 11 Anm.2, mit Rechtsprechungsnachweisen). Denn der IV.Senat hat das von einem entgeltlichen Erwerb ausgehende Urteil des FG aus anderen Gründen im Ergebnis bestätigt, soweit es die Abfindungszahlungen betrifft.
d) Der vorlegende Senat hat nicht bei den betroffenen Senaten angefragt, ob sie der Abweichung zustimmen (vgl. § 2 Abs.2 der Geschäftsordnung des BFH); denn er hält auch die Voraussetzungen für eine Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage gemäß § 11 Abs.4 FGO für gegeben (vgl. unten unter 2.). Das Anfrageverfahren nach § 2 Abs.2 der Geschäftsordnung des BFH hätte damit den ihm zukommenden Zweck, den Großen Senat von überflüssigen --weil nicht mehr eine strittige Rechtsfrage betreffenden-- Vorlagen zu entlasten (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats vom 21.Oktober 1985 GrS 2/84, BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207 unter B.I.2.b), nicht erfüllen können. Die Vorlage nach § 11 Abs.3 FGO wird durch das fehlende Anfrageverfahren nicht unzulässig (Beschluß des Großen Senats vom 24.Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587 unter B.II.2.). Die Stellungnahmen der beteiligten Senate kann der Große Senat selbst einholen (Beschluß des Großen Senats vom 21.Januar 1985 GrS 1/83, BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303 unter II.1.). Denn ihm obliegt in eigener Zuständigkeit die Prüfung und Entscheidung, in welcher Besetzung (vgl. dazu § 11 Abs.2 Satz 2 FGO) er der gesetzliche Richter (Art.101 Abs.1 Satz 2 des Grundgesetzes) ist (Beschluß des Großen Senats vom 10.November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164).
2. Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage
Der vorgelegten Rechtsfrage kommt deshalb grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 11 Abs.4 FGO zu, weil sie sich nicht nur im Bereich der Überschußeinkünfte stellt, sondern auch im Bereich der Gewinneinkünfte, für welchen ihre Beantwortung wegen der Korrespondenz von Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang noch weiter reichende Auswirkungen hat. Bei den Gewinneinkünften tritt zu der oben dargelegten Rechtsfrage noch die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Übertragungsvorgangs auf der Übergeberseite hinzu.
Fundstellen
Haufe-Index 62937 |
BStBl II 1989, 768 |
BFHE 157, 332 |
BB 1989, 1870-1873 (LT1) |
DB 1989, 1848-1850 (LT) |
DStR 1989, 574 (KT) |
HFR 1989, 662 (LT) |
WPg 1989, 647 (S) |
StRK, Erbfall R.29 (LT) |
FR 1989, 620 (KT) |
Information StW 1989, 523 (T) |
NJW 1989, 3304 |
NJW 1989, 3304 (L) |
DStZ/E 1989, 303 (K) |
RWP 1989, 1187 SG 1.3 3098 (KT) |