Entscheidungsstichwort (Thema)
Von Umsatzsteuerkarussell „erschlichene” Umsatzsteuererstattungen rechtfertigen keine bevorrechtigte Insolvenzforderung der Finanzbehörden
Leitsatz (amtlich)
Erlangt der Schuldner im Zuge eines strafbaren Umsatzsteuerkarussells ungerechtfertigte Steuererstattungen, bildet der auf dieser vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhende Schadensersatzanspruch der Finanzbehörden lediglich eine nicht bevorrechtigte Insolvenzforderung, selbst wenn aus diesen Vorgängen stammende Gelder sich noch in der Insolvenzmasse befinden.
Leitsatz (redaktionell)
§ 261 StGB gewährt, ebenso wie sonstige Strafvorschriften, dem Geschädigten im Insolvenzverfahren des Täters kein Vorrecht.
Normenkette
InsO § 129; AO § 370a; StGB § 261
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 27. Zivilsenats des OLG Hamm vom 14.3.2006 wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 35.703,74 EUR festgesetzt.
Gründe
[1] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 544 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg, weil die unter dem Gesichtspunkt der Grundsätzlichkeit zur Prüfung gestellten Rechtsfragen - und zwar in dem Sinne, wie in dem angefochtenen Urteil entschieden - geklärt sind.
[2] 1. Das beklagte Land hat an den von der Schuldnerin durch strafbare (§ 370a AO) Scheingeschäfte erschlichenen Vorsteuererstattungsbeträgen keine Berechtigung erlangt, die im Falle eines Vollstreckungszugriffs eine objektive Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger ausschließt. Wer durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Schuldners geschädigt wurde, hat aus diesem Grund in dessen Insolvenz keinen Anspruch auf Sicherung (BGHZ 149, 100, 106 f.; BGH, Urt. v. 3.3.1959 - VIII ZR 176/58, WM 1959, 470 f.). Abweichendes ist nicht aus § 261 StGB herzuleiten, weil diese Bestimmung ebenso wie sonstige Strafvorschriften dem Geschädigten im Insolvenzverfahren des Täters kein Vorrecht gewährt (BGH, Urt. v. 3.3.1959, a.a.O.).
[3] 2. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass eine während der "kritischen" Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung auch dann als inkongruent anzusehen ist, wenn die Vollstreckung auf einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage der Finanzbehörden beruht (BGHZ 157, 350, 351, 353).
[4] 3. Die Krankenkassen sind als Einzugsstellen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auch insoweit Anfechtungsgegner, als Beiträge im Innenverhältnis an andere Versicherungsträger auszukehren sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2004 - IX ZR 70/03, ZIP 2004, 862; BGH, Urt. v. 21.10.2004 - IX ZR 71/02, ZIP 2005, 38 f.). Diese Rechtsprechung ist ohne Weiteres auf den hier gegebenen Fall der Erhebung von Steuern übertragbar, die von der einziehenden Stelle an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1825980 |
BFH/NV Beilage 2008, 170 |
BB 2007, 2590 |
DB 2007, 2532 |