Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberatungskosten für Erstellung einer Steuererklärung im Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Unvermeidbare Steuerberatungskosten werden unter bestimmten Voraussetzungen als Auslagen behandelt, die dem Insolvenzverwalter bei Verfahrenskostenstundung und Masseunzulänglichkeit nach § 63 Abs. 2 InsO aus der Staatskasse zu erstatten sind.
2. Steuerberatungskosten sind nicht unausweichlich, wenn der Steuerberater zu Lasten der Masse mit Aufgaben betraut wird, deren Erfüllung dem Insolvenzverwalter selbst obliegt.
3. Besondere Kosten entstehen durch die Beauftragung eines Steuerberaters dann, wenn dieser in einer Angelegenheit tätig wird, die entweder besondere Kenntnisse erfordert oder über den allgemeinen, mit jeder Steuererklärung verbundenen Arbeitsaufwand hinausgeht. Im Verhältnis zur Größe des Verfahrens wenige, einfach zu erstellende Steuererklärungen sind hingegen mit der Regelvergütung abgegolten, sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden müssen.
Normenkette
InsO § 26 Abs. 1, § 63 Abs. 1, §§ 207, 209; InsVV § 4
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 15.06.2011; Aktenzeichen 4 T 45/11) |
AG Kleve (Entscheidung vom 25.01.2011; Aktenzeichen 33 IN 74/06) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 15. Juni 2011 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 804,68 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte, ein Steuerberater, ist Verwalter in dem auf Eigenantrag am 30. September 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Mit Beschluss vom gleichen Tage stundete das Insolvenzgericht dem Schuldner die Kosten des Verfahrens.
Rz. 2
Im Laufe des Insolvenzverfahrens beauftragte der weitere Beteiligte die Sozietät, der er selbst angehört, mit der Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Schuldners für die Jahre 2006 bis 2009, was Einkommensteuererstattungen in Höhe von insgesamt 1.088,02 EUR zur Folge hatte. Die Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen von 804,68 EUR entnahm er der zum ganz überwiegenden Teil aus den Einkommensteuererstattungen bestehenden Masse. Danach standen für die Gerichtskosten und die Vergütung des weiteren Beteiligten noch 446,22 EUR zur Verfügung.
Rz. 3
Die Vergütung für die Tätigkeit des weiteren Beteiligten hat das Insolvenzgericht antragsgemäß in Höhe von 1.713,50 EUR festgesetzt. Zugleich hat es angeordnet, dass auf die Vergütung die Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen anzurechnen seien. Die gegen die Anrechnung gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 64 Abs. 3, § 7 InsO aF, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, Art. 103f Satz 1 EGInsO), aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Rz. 5
1. Die von der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Rechtsfortbildungsbedarfs aufgeworfene Frage, ob so genannte „unausweichliche Verwaltungskosten” den Verfahrenskosten in § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleichzustellen sind, ist nicht entscheidungserheblich. Die von dem weiteren Beteiligten aus der Masse berichtigten Steuerberatungskosten waren nicht unausweichlich.
Rz. 6
a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass die Befriedigungsreihenfolge des § 209 Abs. 1 InsO auch dann gilt, wenn dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet wurden. Die Berichtigung der Kosten des Insolvenzverfahrens und damit auch der Vergütung und der Auslagen des Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 InsO) hat auch im Falle der Stundung der Verfahrenskosten absoluten Vorrang vor der Befriedigung der Masseverbindlichkeiten (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – IX ZB 261/08, WM 2010, 130 Rn. 19 ff; vom 14. Oktober 2010 – IX ZB 224/08, WM 2010, 2233 Rn. 7). Dies gilt unabhängig davon, ob der Verwalter die bestehende Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BGH, Beschluss vom 19. November 2009, aaO Rn. 11 ff).
Rz. 7
b) Nach diesen Grundsätzen war der weitere Beteiligte an die Befriedigungsreihenfolge des § 209 Abs. 1 InsO gebunden. Als Masseverbindlichkeiten durfte er die Steuerberatungskosten deshalb nicht berichtigen, was von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellt wird. Die Rechtsbeschwerde meint allerdings, die Steuerberatungskosten seien als Kosten des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Diese seien zur Erzielung der Einkommensteuererstattungen erforderlich und deshalb unausweichlich gewesen. Auf die Höhe des Vergütungsanspruchs des weiteren Beteiligten könne die Begleichung der Steuerberatungskosten demnach keinen Einfluss haben.
Rz. 8
aa) Im Schrifttum wird teilweise befürwortet, unausweichliche Verwaltungskosten den Verfahrenskosten in § 26 Abs. 1 Satz 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 und § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleichzustellen (HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 207 Rn. 5 ff; FK-InsO/Kießner, 7. Aufl., § 207 Rn. 7 ff; HmbKomm-InsO/Weitzmann, 4. Aufl., § 207 Rn. 5 und § 209 Rn. 3; Graf-Schlicker/Riedel, InsO, 3. Aufl., § 207 Rn. 13). Der Senat hat unvermeidbare Steuerberatungskosten unter bestimmten Voraussetzungen als Auslagen behandelt, die dem Insolvenzverwalter bei Verfahrenskostenstundung und Masseunzulänglichkeit nach § 63 Abs. 2 InsO aus der Staatskasse zu erstatten sind (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 – IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176, 183). Im Übrigen hat er die Einordnung der unausweichlichen Verwaltungskosten bisher offen gelassen (BGH, Beschluss vom 19. November 2009, aaO Rn. 27; vom 14. Oktober 2010, aaO Rn. 10).
Rz. 9
bb) Unter dem Begriff der unausweichlichen Verwaltungskosten werden Aufwendungen erörtert, die der Insolvenzverwalter in Erfüllung seiner Pflichten nicht vermeiden kann, weil sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zwingend aufgebracht werden müssen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010, aaO). Unausweichlich in diesem Sinne können Steuerberatungskosten nicht sein, wenn der Steuerberater zu Lasten der Masse mit Aufgaben betraut wird, deren Erfüllung dem Insolvenzverwalter selbst obliegt.
Rz. 10
(1) Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter für seine Geschäftsführung einen Anspruch auf Vergütung. Das Regelungsmodell des § 4 InsVV zeigt, dass mit der Vergütung die Kosten abgegolten sind, die dem Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Tätigkeit regelmäßig entstehen. Nur besondere Kosten können eine Ausnahme rechtfertigen – sei es im Wege der Auslagenerstattung (§ 4 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 InsVV), sei es direkt zu Lasten der Masse (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV). Besondere Kosten in diesem Sinne entstehen durch die Beauftragung eines Steuerberaters dann, wenn dieser in einer Angelegenheit tätig wird, die entweder besondere Kenntnisse erfordert oder über den allgemeinen, mit jeder Steuererklärung verbundenen Arbeitsaufwand hinausgeht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004, aaO S. 183 f.; vom 14. November 2013 – IX ZB 161/11, WM 2013, 2373 Rn. 7). Im Verhältnis zur Größe des Verfahrens wenige, einfach zu erstellende Steuererklärungen sind hingegen mit der Regelvergütung abgegolten, sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden müssen (BGH, Beschluss vom 14. November 2013, aaO Rn. 8).
Rz. 11
(2) Feststellungen, welche die Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen im Streitfall als besondere im vorstehenden Sinne erscheinen lassen könnten, haben die Tatrichter nicht getroffen. Dies beanstandet die Rechtsbeschwerde nicht. Sie zeigt auch selbst keine Umstände auf, die einen abweichenden Schluss zuließen. Der Hinweis, abzugsfähige Werbungskosten hätten arbeitsaufwendig ermittelt werden müssen, ist ohne Substanz. Weder kann daran der betriebene Aufwand an sich nachvollzogen werden noch wird ersichtlich, warum die Werbungskosten von einem Steuerberater einfacher zu ermitteln gewesen sein sollten. Der weitere Beteiligte hatte ohnehin Kontakt zum Schuldner. Es gehörte zu seinen Aufgaben, die für die Durchsetzung von Ansprüchen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2013, aaO).
Rz. 12
2. Die geltend gemachten Gehörsverletzungen (Art. 103 Abs.1 GG) hat der Senat geprüft. Sie liegen nicht vor. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Unterschriften
Kayser, Gehrlein, Vill, Fischer, Grupp
Fundstellen
Haufe-Index 6715726 |
BFH/NV 2014, 1183 |
DStR 2014, 12 |